Zeitnah zum bevorstehenden Kinostart seines Kriegs-Survivaldramas „Dunkirk“, lassen wir das bisherige Œuvre des Mindfuck-Regisseurs Christopher Nolan Film für Film Revue passieren.
Beginnen tun wir dabei natürlich ganz am Anfang: mit seinem Langfilmdebüt „Following“, das die Meisten eventuell weniger auf dem Schirm haben dürften und daher schleunigst ihrer filmischen To-Do List hinzufügen sollten.
Titel | Following |
Jahr | 1999 |
Land | United Kingdom |
Regie | Christopher Nolan |
Genres | Drama, Thriller |
Darsteller | Jeremy Theobald, Alex Haw, Lucy Russell, John Nolan, Dick Bradsell, Gillian El-Kadi, Jennifer Angel, Nicolas Carlotti, Darren Ormandy, Guy Greenway, Tassos Stevens, Tristan Martin, Rebecca James, Paul Mason, David Bovill, John Bengue, Ivan Cornell, Jane Hunter, Matthew Jones, David Julyan, David Lloyd, Alberto Mattiussi, Brendan Nolan, Barbara Stepansky, Emma Thomas, Diane Zack |
Länge | 68 Minuten |
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Handlung
Ein arbeitsloser Schriftsteller (Jeremy Theobald) sucht nach Inspiration und gewöhnt sich daher an, Leuten auf der Straße zu folgen. Dabei hat er zunächst feste Regeln: keine Person wird zu lange oder mehrmals verfolgt und keine Frauen spätabends auf einsamen Straßen. Doch schnell bricht er mit diesen Vorsätzen: Er heftet sich einmal zuviel einem Mann an die Fersen, der sich als der Einbrecher Cobb (Alex Haw) entpuppt.
Doch stiehlt Cobb keine Wertgegenstände, sondern entwedet oder platziert persönliche Habseligkeiten, um so das Leben von Menschen mit kleinsten Veränderungen durcheinander zu bringen. Fasziniert davon, schließt sich Bill dem Fremden bei seinen Raubzügen an. Nicht ahnend, dass schon bald in seinem eigenen Leben nichts mehr so sein wird wie vorher…
Kritik
Peter Jackson, James Cameron, Quentin Tarantino. Neben ihren filmischen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte eint diese Drei vor allem eines: Das weltweite Aufhorchen, sobald eine dieser Regielegenden wieder einmal die Arbeit an einem neuen Filmprojekt verkündet. Wenn dann im Zuge der globalen Werbekampagne nach und nach die ersten Bewegtbilder und Teaser-Trailer eintrudeln, braucht es kaum mehr als die bloße Einblendung des Namens, um im Nu einen viralen Hype zu generieren.
Seit einigen Jahren zählt zu dieser überschaubaren Runde von Kultregisseuren auch Christopher Nolan. Spätestens seit seinem Welterfolg mit dem Batman-Reboot in der „Dark Knight Trilogie“, jenem verkopften Sci-Fi Sommerblockbuster im Jahre 2010 namens „Inception“ und zuletzt dem Weltraum-Familienepos „Interstellar“, gilt der Brite als DAS Wunderkind Hollywoods überhaupt. Anfang vergangenen Jahres entfachte schon die Nachricht über den Kinostart seines bevorstehenden, zu der Zeit sogar noch namenlosen neuesten Wurfs „Dunkirk“ virtuelle Jubelstürme.
Doch während auch die Werke abseits der Achtungserfolge ebenfalls größtenteils hohes Ansehen oder im Fall des kongenialen Neo-Noir Meisterwerks „Memento“ längst Kultstatus genießen, ist Nolans eigentliches Langfilmdebüt „Following“ bis heute vergleichsweise unbekannt und wenig beachtet.
1998, also ganze zehn Jahre vor „The Dark Knight“, musste Christopher Nolan, zu dieser Zeit noch Student englischer Literatur, statt eines stattlichen Millionenfonds geradezu lachhafte 3000 Pfund – umgerechnet ca. 6000 US-Dollar mühsam aus dem Bekanntenkreis zusammenkratzen und anstelle von Hollywoodstars wie Christian Bale oder Michael Caine auf Studienfreunde, Famiienangehörige und Bekannte zurückgreifen. Selbst die Kamera bediente der ambitionierte Jungregisseur noch höchstselbst.
So mutet „Following“ schon aufgrund der etwas unbeholfenen Kameraführung wie ein typischer Studentenfilm an, doch schimmert hier bereits unverkennbar die Handschrift des Regisseurs durch. Wie alle seine Filme (ausgenommen „Interstellar“) erzählt Nolan in unzuverlässigen Zeitsprüngen, entfaltet die Geschichte fragmentarisch wie in „The Prestige“ durch äußerliche Veränderungen der Figuren und macht aus der Not kurzerhand eine Tugend, indem er den komplett in Schwarzweiß gefilmten Streifen als moderne Erzählung im Gewand klassischer Noir-Krimis anlegt.
Trotz der geringen Laufzeit von rund 70 Minuten, fordert Nolan hier beständig die Aufmerksamkeit des Zuschauers, animiert ihn zum Mitdenken, zum Entwirren dieses einfachen und zugleich komplexen Verwirrspiels, über das man im Voraus am besten so wenig wie möglich wissen sollte. Mit seiner verschachtelten Erzählweise inklusive der obligatorischen Auflösung am Ende, bildet „Following“ somit nicht nur praktisch die Blaupause für „Memento“, sondern auch für Nolans gesamte Filmografie.
Natürlich merkt man „Following“ zu jeder Zeit seine reichlich beschränkten Produktionsumstände an. Nolan filmte die meisten Unterhaltungen oft in einem Take durch, über ein Jahr dauerten die Dreharbeiten, da sämtliche Beteiligte in Vollzeit berufstätig waren und im Höchstfall 15-20 Minuten Drehzeit an Wochenenden erübrigen konnten. Zur Crew zählten schon hier Emma Thomas als Produzentin (und inzwischen Ehefrau) und David Julyan, dessen sphärische Klänge neben den kühlen Schwarzweißbildern auch Nolans Folgefilme, von Batman abgesehen, bis zu „The Prestige“ untermalten.
Aber auch vor der Kamera sind einige Weggefährten Nolans anzutreffen. John Nolan, der Onkel der Familie, mimte in der „The Dark Knight Trilogie“ ein Vorstandsmitglied von Wayne Enterprises und dürfte insbesondere Kennern der Sci-Fi Krimiserie „Person of Interest“ (von, Überraschung, J.J. Abrams und Jonathan Nolan!) bekannt vorkommen.
Für Laienschauspieler machen Nolans Studienkollegen bzw. Hauptdarsteller Jeremy Theobald (auch schon im Vorgänger-Kurzfilm „Doodlebug“ zu sehen) und Alex Haw als süffisant-undurchsichtiger Tagedieb zudem einen erstaunlich guten Job, sodass es beinahe schon jammerschade ist, dass beide heute fast gänzlich der Schauspielerei fernbleiben, während Lucy Russell, welche hier die noir-typische „Femme Fatale“ zwischen beiden Männern gibt, zumindest noch eine unauffällige Hollywoodkarriere vergönnt bleibt (und wie Theobald ebenfalls ein Sekundencameo in „Batman Begins“.)
Obendrein bietet der Film, wenn auch vollkommen unbeabsichtigt, aus heutiger Sicht auf der Metaebene sogar gewissermaßen einen Ausblick auf Kommendes: Wenn an einer Wohnungstür doch tatsächlich das altbekannte Batman-Symbol prangt oder Cobb bei einem Einbruch dieselbe Uhr mitgehen lässt, die Guy Pearce in „Memento“ ins Feuer wirft. Mal ganz zu schweigen davon, dass Cobb, ebenso wie Leonardo DiCaprios gleichnamige Rolle in „Inception“, ein Dieb ist, der im Alltag und der Existenz Anderer herumpfuscht und zum allem Überfluß von Alex Haw verkörpert wird, der sich heute einen Namen als Architekt gemacht hat…
Fazit
„Following“ zeigt den vermutlich teuersten Autorenfilmer der Traumfabrik bei seinen mehr als bescheidenen Anfängen, doch bereits in diesem B-Noir-Studentenfilm kristallieren sich die Mindfuck-Markenzeichen und das Talent Christopher Nolans unübersehbar heraus. Für waschechte Fans ist er daher per se Pflicht, aber auch Neueinsteiger sollten den Film beim Wort nehmen und gleich am Anfang die oberste Regel brechen. Denn dieser Regisseur ist es wert, dass man ihm folgt. Und das definitiv mehr als nur einmal.
Nur als kleine Anmerkung: In Deutschland ist „Following“ leider nur noch sehr schwer und nach wie vor lediglich auf DVD erhältlich, wer des Englischen mächtig ist, dürfte aber immerhin auf Youtube fündig werden.
Unsere Wertung: