Frau Stern ist ein kleiner deutscher Indie-Film über eine Rentnerin, die das Leben satt hat. Was zunächst nach deprimierendem Genre-Kino klingt, ist in Wahrheit aber eine Ode auf das Leben. Doch erwartet uns hier eine kleine Perle oder eine gescheiterte Vision eines ambitionierten Produktionsteams?
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Titel | Frau Stern |
Jahr | 2019 |
Land | Germany |
Regie | Anatol Schuster |
Genres | Drama, Komödie |
Darsteller | Ahuva Sommerfeld, Kara Schröder, Nirit Sommerfeld, Robert Schupp, Murat Seven, Jule Böwe, Katharina Leonore Goebel, Pit Bukowski, David Hugo Schmitz, Gina Haller, Max Roenneberg |
Länge | 80 Minuten |
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Worum geht’s in Frau Stern?
Frau Stern geht mit großen Schritten auf die 90 zu. Allerdings plagt die Rentnerin ein großes Problem, denn Frau Stern will nicht mehr leben. Die Frau jüdischer Abstammung hat den Holocaust überlebt und auch sonst alles, was ihr das Leben entgegenwarf, doch sie will das nicht mehr. So lebt sie den Rest ihrer Tage in ihrer kleinen Wohnung in Berlin vor sich hin und versucht ab und an, sich das Leben zu nehmen, allerdings ohne Erfolg.
Die einzige Freude am Leben hat die rüstige Rentnerin, wenn sie mit ihrer Enkelin Elli und ihren Freunden die Stadt unsicher macht oder mit ihrem Drogen dealenden Frisör einen Joint (oder mehrere) raucht. Doch diese kleinen Freuden sind es, in denen Frau Stern völlig aufgehen und sich ausnahmsweise glücklich fühlen kann. Nachdem sie aber durch zwei Einbrecher, die sie fälschlicherweise für eine wehrlose alte Frau halten, an eine Waffe kommt, muss sie sich die Frage stellen, welche dieser beiden Seiten ihres Daseins überwiegen soll. Will sie weiterhin die schönen Seiten des Lebens genießen oder selbigem ein Ende setzen?
Langweilen mit Frau Stern
Wo die Handlung noch nach einer interessanten Idee und erinnerungswürdigen Charakteren klingt, wirft der Film mit seiner Inszenierung alles aus dem Fenster. Ja, die Grundidee klingt verlockend und fast schon philosophisch, aber schon bei den Charakteren hat es sich erledigt. Der eingangs erwähnte Drogen dealende Frisör klingt nach einer fantastischen Idee, spielt im Film aber eine mehr als merkwürdige Rolle und verkommt zum reinen Selbstzweck. Und genau so geht es dem gesamten Film. Frau Stern schneidet gelegentlich mal wirklich interessante Ideen an, aber macht ausnahmslos nichts daraus. Umso überraschender ist dann aber das wirklich starke Ende, dass durchaus emotional wird. Wäre der ganze Film so, hätten wir hier eine kleine Perle vor uns, stattdessen muss man sich aber über eine Stunde lang durch nichtssagende Langeweile quälen.
Schwächelndes Drehbuch
Zu allem Überfluss schleichen sich auch immer wieder kleinere Logiklücken und Continuity-Fehler in den Film ein. Diese sind zwar zum Glück die Ausnahme, gemessen an der Tatsache, wie wenig der Film eigentlich erzählt ist es aber schon eine bedenkliche Menge. Auch die Charaktere bleiben ausnahmslos blasse und uninteressante Abziehbilder. Natürlich stehen besonders die platten Nebenfiguren hier für bestimmte Lebenseinstellungen, man sollte also nicht zu viel in ihre charakterliche Tiefe hineininterpretieren. Dass wir aber über Frau Stern selbst kaum etwas erfahren, nicht einmal, warum sie sterben will, ist eines der größten Probleme des Films. Mal zeigt Regisseur und Drehbuchautor Anatol Schuster sie als lebenslustige Frau mit unwahrscheinlichen Freunden, die ihren Lebensabend genießt, und dann wieder als wortwörtlich suizidgefährdete, verbitterte Rentnerin. Das macht die Figur nicht ambivalent und interessant sondern lässt den Zuschauer höchstens die Hände über dem Kopf zusammen schlagen.
Furchtbares Schauspiel
Diese vermeintliche Mehrschichtigkeit wird auch durch das Schauspiel nicht vermittelt. Wir sehen von Frau Stern fast immer den gleichen Gesichtsausdruck, was sie nicht gerade glaubwürdig wirken lässt. Auch die anderen Darsteller machen da keine gute Figur: Merkwürdige Gesichtsausdrücke, hölzerne Bewegungen und teils wirklich bizarr komisch betonte Satzteile machen das Schauspiel größtenteils zu einer Katastrophe. Wenn es in den Dialogen wenigstens um interessante Themen gehen würde, könnte man darüber vielleicht noch hinwegsehen. Aber die derartige Belanglosigkeit macht alles nur noch schlimmer. Wenige Lichtblicke gibt es immerhin, die aber leider nicht über den Rest hinwegtäuschen können. Normalerweise kommt man bei dermaßen auffällig schlechtem Schauspiel eigentlich auf die Idee, der Regisseur wolle die Illusion brechen oder uns zum Nachdenken über die Absurdität bringen – bei Frau Stern trifft jedoch nichts davon zu, es gibt einfach nichts zu interpretieren.
Indie-Produktion
Natürlich muss man sich bewusst sein, dass es sich bei Frau Stern nicht um eine Big-Budget-Produktion mit großen Namen handelt. Während letzteres zwar sehr erfrischend ist, macht sich ersteres leider mehr als negativ bemerkbar. Und dabei meine ich nicht einmal den Look des Films. Die Kamerafahrten durchs bunte aber gleichzeitig trostlos inszenierte Berlin sind zwar keine Meisterleistung, erfüllen aber ihren Zweck. Nein, ich beziehe mich hier eher auf den ganzen Flair des Films. Man fühlt einfach, dass hier ein kleines Team ambitionierter Menschen eine Idee hatte und diese trotz finanzieller Widrigkeiten auf die Beine gestellt haben. Nur wäre es schön gewesen, wenn man diese Idee auch filmisch ordentlich hätte umsetzen können. Stattdessen bekommt man unerträglich langweilige Szenen, um den Film künstlich zu strecken, sowie Dialoge, die teilweise abseits von jedem gesunden Menschenverstand stattfinden.
Keine Entschuldigung
Wie bereits erwähnt bewegt sich das Schauspiel leider zumeist auch auf dieser Ebene. Doch auch das hat seine Gründe bei den Produktionsbedingungen: Durch das geringe Budget war das Team gezwungen, einen Cast aus mehr als unerfahrenen Schauspielern und einer Hauptdarstellerin, die noch nie vor der Kamera stand, zu verpflichten. Die mittlerweile verstorbene Ahuva Sommerfeld macht ihren Job unter diesen Bedingungen zwar überraschend gut, doch auch wenn das Ganze sehr traurig ist, macht es den Film leider nicht besser. Ich bin ein großer Verfechter davon, dass man auch mit geringem Budget einen hervorragenden Film realisieren kann, dann sollte man aber auch eine umso bessere Vision haben. Oder diese wenigstens auf besondere Art verfilmen. Leider gelingt Frau Stern keines von beidem.
Unser Fazit zu Frau Stern
Was eine interessante, lebensbejahende Charakterstudie hätte sein können, verkommt zu einer undurchsichtigen und schlicht langweiligen Farce. Zwar scheint die an sich schöne Grundidee ab und zu – besonders im wirklich guten Ende – durch, mit Sicht auf den gesamten Film ist das aber einfach nicht genug. Und das, obwohl der Streifen nicht einmal 1,5 Stunden geht! Selbst mit dem geringen Produktionsbudget und dem tragischen Tod der Hauptdarstellerin im Hinterkopf bleibt Frau Stern leider einfach ein bestenfalls unterdurchschnittlicher Film. Wer nicht mit vollem Herzen bei deutschem Indie-Kino dabei ist, kann diese vertane Chance getrost liegen lassen.
Frau Stern erschien am 12. März 2020 auf DVD und als Video on Demand!
Unsere Wertung: