2018 kam aus Kanada ein kleines Coming-of-Age-Drama über sexuelle Orientierung in der Jugend mit dem Titel Giant Little Ones. Am 27. März erscheint er nun auch bei uns auf Blu-ray. Konnten wir uns den positiven Stimmen, die der Film erhielt, anschließen?
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Titel | Giant Little Ones |
Jahr | 2019 |
Land | Canada |
Regie | Keith Behrman |
Genres | Drama |
Darsteller | Josh Wiggins, Darren Mann, Taylor Hickson, Maria Bello, Kyle MacLachlan, Olivia Scriven, Niamh Wilson, Hailey Kittle, Peter Outerbridge, Stephanie Moore, Kiana Madeira, Evan Marsh, Carson MacCormac, Jeff Clarke, Cory Lee |
Länge | 94 Minuten |
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Worum geht’s in Giant Little Ones?
Franky Winter (Josh Wiggins) ist ein beliebter 16-jähriger Schüler. Er ist Teil einer Schwimmmannschaft und ist mit der hübschen Priscilla (Hailey Kittle) zusammen. Sein bester Freund Ballas (Darren Mann) ist ebenfalls mit einem Mädchen in einer Beziehung, mit der er auch regelmäßig Sex hat. Franky und Priscilla sind diesbezüglich vorsichtiger, zumal Franky sich sexuell nicht zu ihr hingezogen fühlt. In der Nacht von Frankys Geburtstag, in der beide ihr erstes Mal haben wollen, kommt alles ganz anders: Franky hat im betrunkenen Zustand Oralsex mit Ballas. Der ist daraufhin von Selbsthass geplagt und verbreitet an der Schule das Gerücht, er sei von Franky missbraucht worden.
Franky wird nun von seinen Mitschülern gemobbt und zusammengeschlagen. Sein bester Freund steht ihm feindselig gegenüber und möchte nicht über die Geschehnisse in jener Nacht sprechen. Priscilla trennt sich von Franky. Auch in der Famlie findet Franky höchstens bei seiner Mutter Carly (Maria Bello) noch Halt. Zu seinem Vater Ray (Kyle MacLachlan), der seine Mutter damals für einen anderen Mann verließ, pflegt er ein eher miserables Verhältnis. Doch zunehmend gewinnt Franky neue Freundschaften mit Außenseitern wie ihm. Zum Beispiel mit Ballas geheimnisvoller Schwester Natasha (Taylor Hickson), über die ebenfalls diverse Gerüchte kursieren. Oder mit der rebellischen Mouse (Niamh Wilson), welche als Junge im Körper eines Mädchens geboren wurde. So lernt Franky im Laufe der Zeit nicht nur, dass Sexualität in der Liebe keine Rolle spielt, sondern auch, sich im richtigen Moment mit den richtigen Leuten zu umgeben.
Nichts Neues an der Coming-Of-Age-Front
Giant Little Ones ist ein solides Drama, mit Originalität kann es jedoch nicht glänzen. Getrennte Eltern, kompliziertes Vater-Sohn-Verhältnis, Mobbing, Schlägereien, der/die eine schräge Freund(in), wilde Partys à la Project X, Sex-Witze. Und zum Schluss muss sich der Protagonist natürlich als Sinnbild für den radikalen Umbruch den Schädel kahl rasieren. Das kennt man alles schon und dann auch noch oft besser (Call me by your Name, Vielleicht lieber morgen, Boyhood, Moonlight – nur um mal ein paar Beispiele zu nennen). Manches Klischee umschifft der Film dagegen elegant. So ist die Hauptfigur anfangs sehr beliebt und wird erst später zum Außenseiter. Auch die Tatsache, dass Franky nach seiner ersten homosexuellen Erfahrung dann doch bei einem Mädchen Halt findet, überrascht.
Doch letztendlich verläuft das Ganze doch nach den vertrauten Wegen eines Coming-of-Age-Dramas. Giant Little Ones berührt manchmal mit kleinen zärtlichen Momenten, einen wirklich emotionalen Paukenschlag landet der Film aber nie. Alles plätschert zu harmlos vor sich hin und die Figuren bleiben, trotz aller sichtlichen Bemühungen um Tiefgang, größtenteils auf Distanz zum Zuschauer. Begründen könnte man dies unter anderem mit den etwas gestelzt wirkenden Dialogen und den nicht immer gelungenen Gags (Stichwort „Sockenschwanz“).
Giant Little Ones ist beileibe kein schlechter Film, doch ihm fehlt schlicht der Mut, sich von seinen Genre-Kollegen abzuheben, neue Facetten bei der Identitätssuche der Jugend aufzuzeigen. Die Botschaft ist klar: Sich selbst so zu akzeptieren, wie man ist. Das ist zwar simpel, aber gerade für das jugendliche Zielpublikum von enormer Bedeutung. Und auch wenn Giant Little Ones die richtigen Intentionen vertritt, so wäre es wünschenswert gewesen, diese Botschaft spannender zu vermitteln. So verschwindet der Film irgendwo in der Grauzone der ganzen Coming-Of-Age-Indie-Dramen, von denen es schon zu viele Perlen gibt, als dass Giant Little Ones da irgendwie ein Wörtchen mitzureden hätte.
Ein Gespür für die kleinen Momente
Aber genug gemeckert. So schwer es Giant Little Ones auch fällt, seine stückhafte Erzählweise zu einem homogenen Ganzen zu vereinen, so sind vereinzelte Szenen durchaus gelungen. Gerade fürs Audio-Visuelle scheint Regisseur Keith Behrman ein Händchen zu haben. Etwa, wenn zum hoffnungsvollen Schluss der Himmel vor den Augen der Protagonisten durch eine Leuchtrakete rot gefärbt wird, was man sinnbildlich als das trotz aller Vergeltungsschläge blühende Feuer der Jugend begreifen könnte.
Oder immer wenn der aufs Zielpublikum zugeschnittene Soundtrack passend (wenn auch etwas inflationär) zum Einsatz kommt und Franky sich etwa in Zeitlupe zum Song 2020 von Suuns auf eine Schlägerei gefasst macht. Auch ist es löblich, dass das Drama nie zu sehr versucht, auf die Emotions-Tube zu drücken und sich stattdessen in meist subtilen Gefilden voll von unterdrückten Gefühlen aufhält. Giant Little Ones sucht (und findet) meistens die kleinen, zwischenmenschlichen Momente. Außerdem weitet er seine Geschichte nicht unnötig auf zweieinhalb Stunden aus, sondern weiß, wann er zu enden hat.
Letztendlich sollten die unbekannten (Jung-)Darsteller nicht unerwähnt bleiben, die das holprige Drehbuch so gut es geht über die Runden bringen. Am bekanntesten aus dem Cast dürfte Maria Bello (History of Violence, Prisoners) sein, die hat als Frankys Mutter jedoch viel zu wenig Screentime. Josh Higgins als Franky verkörpert seine erst glückliche, dann zunehmend verzweifelnde Figur glaubhaft, Darren Mann als sein Gegenpart tut es ihm als von Selbsthass und Aggressionen geplagter Ballas gleich. Kyle MacLachlan (Twin Peaks, Blue Velvet) hat zwar ebenfalls eine geringe Screentime, ist aber als Frankys schwuler beziehungsweise bisexueller Vater ein bedeutender und von ihm sensibel verkörperter Charakter des Films – und der Einzige, der absolut nachvollziehen kann, was sein Sohn durchmacht. Taylor Hickson als Natasha bringt ihre Verletzlichkeit und ihr Trauma sehr gut zur Geltung, während Niamh Wilson als Mouse mit ihrer schrägen Art für die humorvollen Momente sorgt.
Unser Fazit zu Giant Little Ones
Giant Little Ones ist ein kleines, gefühlvolles Coming-of-Age-Drama im klassischen Indie-Look, das zwar die richtigen Absichten verfolgt, aber letztendlich zu harmlos bleibt und den Zuschauer die meiste Zeit seltsam kalt lässt. Das haben insbesondere Genre-Fans alles schon einmal gesehen; die ausgetretenen Pfade verlässt Giant Little Ones nur selten. Am interessantesten dürfte das Werk für diejenigen sein, die selbst noch in der jugendlichen Selbstfindungs-Phase stecken. Hübsche Bilder, ein schöner Soundtrack und überzeugende Darsteller können den Film nicht davor retten, irgendwo ins gehobene Mittelmaß abzutauchen.
Die Blu-ray zu Giant Little Ones veröffentlicht EuroVideo am 27.03.2020. Bild- und Tonqualität entsprechen dem Standard, die Extras fallen mit einem Trailer und einem siebeneinhalb-minütigen Featurette allerdings etwas mager aus.
Unsere Wertung: