Girl ist der Debütspielfilm des jungen, aufstrebenden belgischen Regisseurs Lukas Dhont. Lest in dieser Review, wie sehr einen der Film in das Leben der Lara, die als Junge zur Ballerina wurde, eintauchen lässt. Erfahrt außerdem, ob das Coming-of-Age Drama den komplexen Anforderungen, welche die Verfilmung eines solchen Stoffs mit sich bringt, gerecht werden kann.
Titel | Girl |
Jahr | 2023 |
Land | United Kingdom |
Regie | Adura Onashile |
Genres | Drama |
Darsteller | Déborah Lukumuena, Danny Sapani, Le'Shantey Bonsu, Liana Turner, Ayesha Antoine, Caroline Deyga, Lael Tamakloe, Jenni Keenan-Green, Owen Whitelaw, Mark Cox, Andrew John Tait, Joanne Gallagher, Firas Ibrahim, Kai Bruce, Paul Ellard |
Länge | 87 Minuten |
Wer streamt? | Derzeit leider auf keinem Streamingdienst verfügbar. |
„Ich glaube fast, dass dir gar nicht bewusst ist, wie mutig du eigentlich bist.“
Die Story von Girl
Lara (Viktor Polster) verfolgt einen großen Traum: Zur Ballerina am Konservatorium, einer renommierten Fachschule für Ballett, ausgebildet zu werden. Doch sie war nicht immer Lara, denn früher trug sie den Namen Viktor. Als würde die Ausbildung ihr nicht schon genug abverlangen, sieht sie sich zudem mit einer weiteren Herausforderung, dem Erlangen ihrer vollständigen Weiblichkeit, konfrontiert. Während sie jetzt mit ihren 15 Jahren vor einer folgenschweren Operation steht, mit der sie ihr altes Ich endlich hinter sich lassen will, wird sie an ihrer Tanzschule mit einer Gruppe Mädchen konfrontiert, denen schnell auffällt, dass Lara anders ist. Inwieweit lassen sich ihr Wunsch zur vollständigen Selbstverwirklichung und ihr Wunsch zu tanzen miteinander vereinbaren? Und wie wirkt sich ihr Umfeld darauf aus?
Ein anmutiges Drama
Ballett ist anmutig, grazil und ausdrucksstark. Ebenso verhält es sich mit Girl. Der Film strotzt nur so vor fragiler Eleganz und Strahlkraft. Die Kamera ist dabei stets dicht an dem Geschehen, welches durch die Kameraführung mal äußerst energetisch, mal besinnlich und sanft wirkt. Doch immer ist es die Gefühlswelt von Lara, die durch diese Kameraarbeit diktiert wird und durch Victor Polsters grandioses Schauspiel nahbar wird. Auf eine äußerst behutsame Art und Weise entfaltet sich im Laufe des Films eine berührende und einnehmende Lebensgeschichte.
Tanz, Transformation und Selbstfindung
Girl lässt einen tief in die Gefühlswelt und das Leben der Lara eintauchen. Regisseur Lukas Dhont hat sich dabei von seinem eigenen Leben inspirieren lassen. Er sagte: „Als Kind wollte mein Vater, dass ich Pfadfinder werde. Also setzte er meinen Bruder und mich dort ab und wir spielten mit den anderen Kindern im Matsch oder gingen zelten. Wir haben es beide gehasst. Wir wollten lieber schauspielern und tanzen, weil wir uns dabei besser ausdrücken konnten.“ Sie wurden dafür ausgelacht, von ihrem Umfeld gemieden und als Mädchen bezeichnet. Als Dhont dann im Jahr 2009 in der Zeitung von einem 15-jährigen Mädchen las, das entschied, Ballerina zu werden, obwohl sie den Körper eines Jungen besaß, wart die Idee für Girl geboren. Dabei gelang es ihm mit unfassbarer Sensibilität und Behutsamkeit, die Figur der Lara zu porträtieren.
Bei dem Filmfestival in Cannes wurde Girl 2018 gleich dreimal ausgezeichnet: Als bester Debütfilm, als bester Film und für den besten Hauptdarsteller. Schauspieler Victor Polster gelingt es auf aller höchstem Niveau, Lara unglaublich vielschichtig, authentisch, divers und schlichtweg perfekt zu spielen. Er schafft es, die Figur der Lara mit Samthandschuhen auf eine noch höhere Ebene zu heben. Polster nahm seinen Preis als bester Hauptdarsteller übrigens erst dann entgegen, als sich das Festival dazu bereit erklärte, die Auszeichnung geschlechtslos zu verleihen.
Rückhalt
„Alles, was du sein wirst, bist du jetzt schon.“
Eine Sache, die Girl zusätzlich so berührend thematisiert, ist der Rückhalt, den Lara während ihres Weges aus ihrer Familie erhält. Dieser ist in der Regel bei weitem keine Selbstverständlichkeit, dessen ist Lara sich bewusst. Und dennoch, ganz gleich, wie sehr ihr der Rücken gestärkt wird und wie oft ihr Vater auch hinter ihr steht, vollkommen angekommen fühlt sie sich nicht. Nicht, solange sie äußerlich noch nicht vollends zur Frau geworden ist. Obgleich Lara kein Vorbild sein möchte, sondern einfach ein Mädchen, das ihren Weg geht, ist es doch vor allem der Film, der einen vorbildhaften Umgang mit diesem Thema fabelhaft porträtiert.
Mein Fazit zu Girl
Girl bringt in jedem Fall das nötige Feingefühl mit, was die Auseinandersetzung mit diesem Stoff erfordert. Vielleicht sogar ein wenig zu viel Feingefühl. Der Film fühlt sich nämlich so an, als könnte er jeden Moment zerbrechen. Wie eine Seifenblase zerplatzen. Es ist unglaublich, wie es Regisseur Lukas Dhont gelingt, ein solches Gefühl hervorzurufen. Hinzu kommt dann noch die wundervolle Kameraarbeit, die so dicht am Geschehen ist und so sehr an ihren Charakteren, allen voran Lara, hängt, dass es sich beinahe anfühlt, als wären die Gefühle der Figuren greifbar. Abschließend bleibt zu sagen, dass Girl ein strahlendes und mutiges Beispiel dafür ist, wie man ein Transgender-Drama würdevoll auf Film bannt.
Girl ist ab dem 22.02.2019 auf DVD und Blu-ray erhältlich!Unsere Wertung:
© Universum Film