Teona Strugar Mitevska stellt sich mit ihrer Satire Gott existiert, ihr Name ist Petrunya gegen das Patriarchat. Ab dem 16.07.2020 erscheint der mazedonische Berlinale-Beitrag für das Heimkino. Ob sich der Kauf lohnt, erfahrt ihr in dieser Kritik.
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Titel | Gott existiert, ihr Name ist Petrunya |
Jahr | 2019 |
Land | Belgium |
Regie | Teona Strugar Mitevska |
Genres | Drama |
Darsteller | Zorica Nusheva, Labina Mitevska, Stefan Vujisić, Simeon 'Moni' Damevski, Suad Begovski, Violeta Šapkovska, Xhevdet Jashari, Andrijana Kolevska, Petar Mirčevski, Nikola Kumev, Bajrush Mjaku, Vladimir Tuliev, Ilija Volčeski, Igor Todorov, Nenad Angjelkovic, Mario Knezović, Ljiljana Bogojević, Strašo Miloševski, Pece Ristevski, Stojan Arev, Kire Acevski, Hristijan Dimitrov |
Länge | 100 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Amazon Prime Video, Amazon Prime Video with Ads Kaufen: Amazon Video Leihen: Amazon Video, Kino on Demand |
Darum geht es in Gott existiert, ihr Name ist Petrunya
In Gott existiert, ihr Name ist Petrunya sucht die 32-jährige Mazedonierin Petrunya nach Arbeit, doch ihr abgeschlossenes Geschichtsstudium räumt ihr keine Berufszweige ein. Sie ist weder in der Berufs-, noch in der Männerwelt gefragt und muss sich immer wieder der Kritik ihrer Mutter stellen. Doch ein ganz besonderer Tag soll ihr Leben zumindest kurzfristig auf den Kopf stellen. Es ist der Dreikönigstag und wie jedes Jahr warten dutzende Männer darauf, dass der Priester ein heiliges Kreuz in den Fluss wirft. Derjenige, der das Kreuz im Fluss findet, soll angeblich mit zehnjährigem Glück gesegnet sein. Petrunya entscheidet sich spontan dazu, selber in den See zu springen und das Kreuz aufzusammeln. Da nur Männer an dem Ritual teilnehmen dürfen, zieht Petrunya kurzerhand die Aufmerksamkeit der Kirche, der Polizei und der Medien auf sich.
Gott existiert, ihr Name ist Feminismus
Mitevska liefert mit Gott existiert, ihr Name ist Petrunya ein feministisches Plädoyer ab, mit dem sie sich gegen das Patriarchat in Mazedonien stellt. Petrunya muss sich in einer Welt behaupten, die von Männern dominiert wird. Selbst ihre Mutter spricht ständig nur darüber, dass Petrunya mit ihrem Aussehen nicht bei der Männerwelt ankommt. Außerdem wird sie nicht direkt wegen ihrer Qualifikationen bei den Arbeitgebern abgelehnt, sondern aufgrund ihres Übergewichts und des Alters. Wenn ihr beim Bewerbungsgespräch erklärt wird, dass sie zu wenig Berufserfahrungen hat, dann geschieht dies inklusive der Bemerkung „Du bist so hässlich, dass ich dich nicht einmal ficken würde“. Petrunya nimmt die Unterdrückung zunächst ruhig hin, doch lehnt sich nun gegen die Männer-Herrschaft auf.
Nachdem Petrunya das Kreuz behält, ist die Missgunst dementsprechend groß. Der Priester möchte das Kreuz wieder haben, doch bringt noch vergleichsweise viel Verständnis für die Frau mit. Ein größeres Problem stellt die Männer-dominierte Polizei dar. Sie droht mit rechtlichen Schritten, hält Petrunya auf der Zentrale fest und weigert sich, ihr ihre Rechte zu erklären. Dabei herrscht neben der Empörung besonders die Wut der Polizisten, denn sie wissen im Grunde, dass Petrunya in dem gesamten Verfahren die Oberhand hat. Als wäre das nicht genug, muss sie sich noch mit fanatischen Christen herumschlagen, die selber gerne das Kreuz erlangt hätten und nun lautstark protestieren. Glücklicherweise muss Petrunya den Kampf nicht alleine führen, denn die Korrespondentin Slavica (Labina Mitevska) setzt alles daran, Gerechtigkeit für die Mazedonierin zu erhalten.
Interessante Figuren und starke Frauenrollen
Gott existiert, ihr Name ist Petrunya möchte keine Kampfansage sein. Der Film möchte auf Missstände hinweisen und driftet dafür nicht in zu starke Extreme ab. Schließlich ist der Priester selber hin- und hergerissen und auch ein Polizist stellt sich auf Petrunyas Seite, doch traut sich nicht, konsequent für sie einzustehen. Selbst Petrunya ist lediglich aus dem Affekt heraus in den Fluss gesprungen. Erst dadurch, dass das Kreuz wirklich zurückgefordert wird, leistet sie Widerstand. Sie steht für ihre Rechte ein und setzt so vor allem für sich selber ein Zeichen, dass sie sich fortan nicht mehr unterdrücken lässt. Dabei ist sie auch bereit zu verzeihen. Der große aktivistische Part wird erst mit der Reporterin eingeführt, welche die Bewohner und Behörden immer wieder für ihren Sexismus anprangert und selbst eine Kündigung in Kauf nimmt. Aus den verschiedenen Ansichten ergeben sich interessante Figurenkonstellationen, die den Film vor einer zu einseitigen Sichtweise bewahren.
Obwohl sich der Film in einem Patriarchat ansiedelt, sind die stärksten Figuren weiblich. Petrunya ist selbstbewusst, mutig und weiß um ihre Überlegenheit. Sie sorgt sogar für das ein oder andere Schmunzeln, wenn sie ihre Gegner durch provokante Seitenhiebe angreift. Anstatt aus der Ruhe zu kommen, wenn sie im Verhör nach ihrem Glauben gefragt wird, antwortet sie mit der Gegenfrage „Sind Sie denn schwul?“ und so sind es plötzlich die Behörden, denen es die Sprache verschlägt. Die Reporterin bringt die Polizei und die Protestanten durch geschickte Fragen mehrmals ins Schwitzen, während ihr männlicher Kameramann nur an Fußballwetten denkt. Ohne es den Zuschauer zu sehr auf die Nase zu binden, wird der Feminismus durch die Frauenrollen erkennbar. Das wirkt dabei nie unnatürlich, denn sie sind nicht in jeder Situation so selbstsicher. Sie erscheinen wie echte starke Persönlichkeiten und nicht wie konstruierte Geschöpfe aus der Feder einer Autorin.
Authentizität durch Stilsicherheit und Schausspielkraft
Zorica Nusheva (Petrunya) trägt den gesamten Film auf ihren Schultern. Wenn man bedenkt, dass das ihr Spielfilmdebüt ist, ist dieser Umstand noch viel beeindruckender. Sie spielt ihre Rolle so überzeugend als wäre sie schon jahrelang eine A-Klasse-Schauspielerin und es gibt kaum Zweifel daran, dass sie hiernach eine große Karriere vor sich hat. Da braucht es auch keine großen Emotionsausbrüche der Protagonistin, um dem Zuschauer ans Herz zuwachsen. Im Gegenteil, gerade durch die kleinen Gesten wirkt sie authentisch. Leider ist Labina Mitevska (Slavica) dagegen etwas aufgesetzt und ihre Rolle wirkt dadurch stellenweise auch überheblich. Wie das Schauspiel ist auch die Inszenierung von Gott existiert, ihr Name ist Petrunya sehr unaufgeregt.
Mitevskas Inszenierung erinnert an eine ruhigere Version von Charakteristiken der französischen Nouvelle Vague. Sie verwendet in manchen Szenen Jump Cuts und filmt teils mit einer Handkamera, die sich immer nah an den Figuren befindet. Zudem wird nur sehr beschränkt Musik eingesetzt. Der Score untermalt die Szenen dann, wenn es wirklich notwendig ist, anstatt sich wie ein Schleier über das gesamte Geschehen zu legen. Die Inszenierung hält sich sehr im Hintergrund, damit das Geschehen authentisch wirkt. Abgesehen von ein paar wenigen wunderschönen Aufnahmen ist der Film eher unspektakulär, aber eben effektiv inszeniert. Den einzigen Wermutstropfen gibt es dann im letzten Akt. Dort schreitet Mitevska etwas hastig mit ihrer Handlung voran, sodass getroffene Entscheidungen der Figuren zu gezwungen wirken. Im Gesamtbild fällt das jedoch nicht zu stark ins Gewicht und endet zwar etwas gehetzt, aber dennoch zufriedenstellend.
Unser Fazit zu Gott existiert, ihr Name ist Petrunya
Gott existiert, ihr Name ist Petrunya erzählt zwar eine einfache und ruhige Geschichte, doch konzentriert sich im richtigen Maße auf seine Protagonistin. Petrunya ist eine starke Frauenrolle, die wie aus dem Leben gegriffen erscheint und dem Zuschauer schnell ans Herz wächst. Es ist ein geerdeter und menschlicher Film, dessen Hauptcharakterin weder heroisiert wird, noch schafft das Drama richtige Feindbilder. Dadurch wird die Sozialkritik in authentischen und gleichzeitig unterhaltsamen 100 Minuten deutlich. Außerdem mag die Geschichte zwar in Mazedonien spielen, doch das Geschehen ist auch auf Deutschland und fast jedes andere Land übertragbar, weswegen es ein wichtiger und aktueller Film ist, der zudem bedacht inszeniert und überzeugend geschauspielert ist.
Gott existiert, ihr Name ist Petrunya ist ab dem 16.07.2020 auf DVD erhältlich und als VoD verfügbar.
Unsere Wertung:
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