Mit Gretel & Hänsel schickt Regisseur Oz Perkins eine neue Verfilmung des Grimm-Märchen ins Rennen und verwandelt die Vorlage in ein Horror-Sujet. Ob es sich lohnt, am Hexen-Häuschen zu naschen, erfahrt ihr hier.
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Titel | Gretel & Hänsel |
Jahr | 2020 |
Land | Canada |
Regie | Oz Perkins |
Genres | Fantasy, Horror, Mystery |
Darsteller | Sophia Lillis, Samuel Leakey, Alice Krige, Jessica De Gouw, Charles Babalola, Fiona O'Shaughnessy, Donncha Crowley, Jonathan Gunning, Beatrix Perkins, Abdul Alshareef, Manuel Pombo, Ian Kenny, Jonathan Delaney Tynan, Melody Carrillo, Darlene Garr, Nessa Last, Harry O'Cualacháin |
Länge | 87 Minuten |
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Zuflucht im Wald – Die Handlung von Gretel & Hänsel
Armut und Hunger machen sich im Land breit. Ohne Vater und mit einer überforderten Mutter kämpfen Gretel (Sophia Lillis) und Hänsel (Samuel Leakey) täglich um ihr Überleben. Noch schwerer wird es, als sie von ihrer Mutter vor die Tür gesetzt werden. Orientierungslos begeben sie sich in die anliegenden Wälder und versuchen dort ihr Glück. Eines Tages entdecken sie ein mysteriöses und verlassen anmutendes Häuschen, in welchem sie durch das Fenster schielend einen mit allerhand Leckereien gedeckten Tisch entdecken. Sie verschaffen sich ungewollten Zutritt und treffen dort auf eine alte Frau, die alleine in dem Haus lebt und dem Geschwisterpaar Obhut anbietet. Doch es scheint nicht alles so knusper wie erhofft zu sein.
Gretel im Fokus
Selten hat sich ein vertrautes Märchen so fremd angefühlt wie hier. Regisseur Oz Perkins dreht das berühmte Grimm-Märchen auf links und verpasst der bekannten Grundhandlung einen gänzlich neuen Fokus. Schon der Titel Gretel & Hänsel gibt einen ersten Hinweis auf die neue Perspektive. Denn nicht das Geschwisterpaar steht im Vordergrund, sondern die nun deutlich ältere Gretel. Am Rande zum Erwachsensein übernimmt sie die Verantwortung für sich und ihren erheblich jüngeren Bruder Hänsel, der vielmehr Anhängsel als Mitstreiter ist. Losgelöst von der Familie und auf sich alleingestellt durchschreitet die von Sophia Lillis (Stephen Kings Es) gespielte Figur ein düstere und depressive Coming-of-Age-Geschichte, die sich um Selbstbestimmung und –findung dreht. Sie wird in eine Rolle gestoßen, für die sie eigentlich noch nicht bereit ist, und findet mit der Hexe eine Figur, die ihr Entlastung und Orientierung gibt. Damit begegnet man der Antagonistin von einer ganz anderen und frischen Perspektive.
Oz Perkins initiiert zwischen dem altbekannten Dreiergespann ganz neue Dynamiken und gibt gerade der Hexe eine Hintergrundgeschichte, wodurch ihre Motivation nachvollziehbar wird. Hänsel hingegen wird zum Störfaktor degradiert, der mit ständigen Fragen und Unsicherheiten nervt. Misstrauen und Vorurteile sind ständiger Begleiter in dieser Dreieckskonstellation, die auch visuell hinterlegt ist. Denn das Haus besticht durch seine auffällige Dreiecksform. So spannend der neue Ansatz mit dem Fokus auf Gretel auch ist, so zäh wurde dieser erzählerisch umgesetzt. Allein der Weg zum Hexenhaus wurde mit einem befremdlichen Aufeinandertreffen mit dem Jäger arg stolperhaft gestaltet. Zudem wird der Alltag mit der Hexe dann so bedeutungsschwanger aufgebaut, ohne das wirklich etwas Entscheidendes passiert oder Spannung für spätere Entwicklungen aufgebaut wird. Dadurch wird Gretel & Hänsel trotz seiner simplen Prämisse ziemlich anstrengend und behäbig.
Schwerfällig in der Erzählung
Inhaltlich und erzählerisch geht Gretel & Hänsel ja schon einen eigenen und frischen Weg, doch noch offensichtlicher und vom ersten Moment spürbar ist der einzigartige audiovisuelle Ansatz den Oz Perkins hier verfolgt. Reduziert und düster wird hier die trostlose und surreale Welt gezeichnet. Märchenhaft ist hier nichts und so passt sich das Worldbuilding wunderbar an die schonungslose Geschichte an. Sofort wird man in diese depressive Welt gezogen, oder auch nicht. Denn der audiovisuelle Stil und die Art der Erzählung ist schon sehr speziell und dürfte die Gemüter sicherlich spalten. Mit seiner hypnotischen Art, den Synthie-Klängen und Farbspielereien fühlt man sich auch hin und wieder an Panos Cosmatos‘ Mandy erinnert. Aber egal wie man dazu steht, der audiovisuelle Aspekt ist das große Pfund von Gretel & Hänsel, das ihn von anderen Genre-Vertretern abgrenzt.
Man merkt, wie gerne Oz Perkins damit in die Riege der aktuellen Genre-Frontrunner Jordan Peele, Ari Aster oder Panos Cosmatos aufsteigen möchte. Doch für diesen Sprung steht ihm trotz aller Frische gerade die Handlung und deren Erzählweise im Weg. Spannung oder Mitgefühl für die Figuren kommt nahezu gar nicht auf. Dazu hat der Streifen ein schwerfälliges Tempo, wodurch er trotz seiner knackigen Laufzeit zu einem zähen Vergnügen wird. Zudem wird Protagonistin Sophia Lillis regelrecht unterfordert, da sie gefühlt nur mit einem Gesichtsausdruck durchs Geschehen gejagt wird. Dass sie mehr drauf hat, hatte sie schon in den beiden ES-Streifen gezeigt. Lediglich Alice Krige ist es erlaubt, mehr Fassetten der Hexen zu zeigen, was sie auch eindrucksvoll schafft.
Unser Fazit zu Gretel & Hänsel
Ambitioniert ist Oz Perkins, das merkt man seinem neuesten Werk an. Mehr als offensichtlich schielt er in Richtung Jordan Peele, Ari Aster oder Panos Cosmatos und würde es sich nur zu gerne in der Runde der aufstrebenden Horror-Regisseure gemütlich machen. Und audiovisuell gelingt ihm das durchaus, denn Gretel & Hänsel sieht unglaublich gut aus und erzeugt betörende und hypnotische Bilder, die eine ganz spezielle Atmosphäre erzeugen. Dem Horror-Einheitsbrei entspricht das auf jeden Fall nicht, doch lassen die Bilder zusammen mit der schwermütigen Erzählstruktur den Streifen zu einem zähen vergnügen werden. So interessant der Fokus auf Gretel auch ist, für einen 90-Minütigen Film ist das letztlich zu wenig und an den Bildern hat man sich auch alsbald sattgesehen. Ein besonderes Erlebnis ist der Streifen dennoch und wird Gemüter mit Sicherheit spalten.
Der Film startet am 09.07.2020 in den deutschen Kinos und am 13.11.2020 auf DVD, Blu-ray und als Mediabook.
Unsere Wertung:
© Capelight Pictures