Alexandre Aja hat vor nunmehr 20 Jahren mit High Tension den französischen Genrefilm mit einem Schlag international begehrt und berühmt-berüchtigt werden lassen. Ob der Film heute noch schocken kann, erfahrt ihr in unserer Review!
Titel | High Tension |
Jahr | 2003 |
Land | France |
Regie | Alexandre Aja |
Genres | Horror, Thriller, Mystery |
Darsteller | Cécile de France, Maïwenn, Philippe Nahon, Andrei Finti, Oana Pellea, Marco Claudiu Pascu, Franck Khalfoun, Jean-Claude de Goros, Bogdan Uritescu, Gabriel Spahiu |
Länge | 91 Minuten |
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Die Handlung von High Tension
Die Freundinnen und Kommilitoninnen Alex (Maïwenn) und Marie (Cécile De France) wollen sich in der Abgeschiedenheit des elterlichen Farmhauses von Alex’ Eltern auf ihre anstehenden Prüfungen vorbereiten. Die familiäre Atmosphäre wird in der Nacht jedoch empfindlich gestört, als ein Unbekannter (Philippe Nahon) in das Haus eindringt, die Familie kaltblütig dezimiert und mit Alex als Geisel in die Nacht verschwindet. Marie heftet sich an seine Fersen…
Türöffner nach Hollywood
High Tension markiert in vielerlei Hinsicht einen Startpunkt: es entstand ein regelrechter Hype um den zeitgenössischen französischen Genrefilm und verhalf u.a. den beiden Hauptdarstellerinnen zu einer weiterführenden Karriere. Maïwenn (Le Besco), unter anderem bei Léon – Der Profi, widmete sich bei ihren späteren und ausgewählten (Regie-)Werken mehr dem Drama (Poliezei). Cécile De France (In 80 Tagen um die Welt), die mir – man glaubt es kaum – ansonsten tatsächlich nur aus der zuvor gedrehten spanischen Jugendherberge L’auberge espagnole bekannt ist, war da ungleich produktiver, wenn auch Mainstream orientierter.
Mit Philippe Nahon konnte ein versierter und vielbeschäftigter Darsteller (mittlerweile leider verstorben) verpflichtet werden, der den meisten wohl durch seine eindrücklichen Darstellungen aus Werken von Gaspar Noé bekannt sein sollte. Alexandre Aja hingegen schaffte mit seinem Debütfim wie von ganz allein den Sprung über den großen Teich, wobei er sich unter Aufsicht von Major Labeln in erster Linie an der Wiederverwertung von Genreklassikern versuchen sollte: The Hills Have Eyes, Mirrors, Piranha 3D.
Doch nicht nur Ajas Karriere bekam mit High Tension einen ordentlichen Schwung versetzt. Viele seiner Freunde, die an der Realisierung von High Tension mitgewirkt hatten, konnten im Filmgeschäft Fuß fassen und sich im Laufe der Jahre etablieren. Franck Khalfoun, gewissermaßen ein Protegé des Regisseurs, arbeitete sich vom Nebendarsteller zum Regisseur hoch und konnte mit P2 – Schreie im Parkhaus sein erstes Werk präsentieren. Später wurde er gar mit der intensiven Neuverfilmung desManiacbeauftragt.
Grégory Levasseur produzierte die nächsten Arbeiten Ajas und verfasste die Drehbücher. Maxime Alexandre führte bei High Tension erstmals die Kamera, arbeitete stets weiter mit Aja und war zuletzt bei Arbeiten wie The Voices und Annabelle 2 beteiligt. Komponist François-Eudes Chanfrault hat zukünftig unter anderem an Donkey Punch und dem artverwandten Inside gearbeitet.
Schneidende Atmosphäre…
Um den Einblick in Cast und Crew gebührend zu beenden, noch ein Ausflug zu den Effekten. Hier konnte Aja ein absolutes Schwergewicht für sein Erstlingswerk gewinnen. Niemand Geringerer als Giannetto De Rossi wirkte an den praktischen Splatter- und Gore-Effekten mit. Auf sein Konto gehen die Make-Ups aus kultisch verehrten Filmen wie Woodoo, Asphalt-Kannibalen, The Beyond, Das Haus an der Friedhofsmauer oder auch Spiel mir das Lied vom Tod.
Rechtfertigt High Tension denn überhaupt den ausführlichen Exkurs in die Werdegänge der Beteiligten? Garantiert, hat Aja als Regisseur mit seinem Film nichts Geringeres geschafft, als die sogenannte “New Wave Of French Terror” einzuleiten. Doch damit nicht genug. Sieht man High Tension zum ersten Mal, fällt es schwer, zu glauben, dass es sich hierbei um das erste große Projekt vieler Beteiligter handelt. Die Bilder sind stimmig, der Score ist fantastisch atmosphärisch, die Darsteller überzeugen und die Story wartet mit einer unvorhersehbaren Wendung auf, die allerdings bis heute kontrovers diskutiert wird.
Dabei ist das Tempo vor allem zu Beginn noch relativ gemächlich und streut nur einige Momente böser Vorahnungen ein. Dann schlägt der Horror jedoch unvermittelt zu, die Situation kippt und man findet sich in einem ironiebefreiten Terrorfilm wieder, dessen erstes inhaltliches Kapitel, das elterliche Farmhaus, ein absolutes Bilderbuchbeispiel für eine packende Inszenierung darstellt.
Interessant ist dabei, dass der Killer zwar überaus erbarmungslos und brutal vorgeht, aber nicht mittels Sprüchen oder nur anhand seiner Taten charakterisiert wird. Stattdessen sorgt das Sounddesign für die eigentliche Bedrohung: schweres Atmen, eher einem Keuchen gleich; knarzende Lederstiefel auf morschen Holzdielen; das schabende Geräusch eines abgewischten Rasiermessers auf einer Arbeitshose. Hinzu kommen die Unmittelbarkeit und Beliebigkeit, die das Massaker erschreckend realistisch erscheinen lassen. Selten hat man im modernen Kino solch eine Anspannung erlebt wie mit der Hauptdarstellerin zu Beginn im Farmhaus.
…und Hochspannung
Im Zuge seiner Handlung baut High Tension ein höheres Tempo auf. Die Spannung bleibt stets präsent und erfährt in einer Reminiszenz an Lustigs Maniac noch einmal die Höhen des Auftakts. Erst in den letzten Minuten, nach Offenbarung des umstrittenen Twists, verliert der Film seine unterschwellige Bedrohung zugunsten des plakativen und grafischen Höhepunktes in Form einer Zementsäge.
Die Gewalt im Film ist wohl nicht ganz unbeteiligt am entstandenen Ruf und Kultfaktor. Trotzdem handelt es sich nicht um einen austauschbaren Amateursplatter eines Jungregisseurs, sondern um einen ungeheuer spannenden Thriller mit rabiaten Gewaltspitzen, die den Terror akzentuieren. Vor allem der Twist sorgte für eine gehörige Portion Diskussionsstoff. Lassen sich letztlich nicht alle Szenen einer gängigen Logik zuordnen, bieten diese aber Potenzial für erneute Filmsichtungen und Interpretationen.
Das handwerkliche Talent aller Beteiligten kann nicht genug gewürdigt werden. Wie die düsteren Bilder und Kamerafahrten vom hypnotischen Score begleitet werden, sorgt für wohlige Anspannung beim Zuschauer. Die ruhige Kameraführung lässt genügend Zeit den Handlungen zu folgen, ist aber dennoch dicht an den Figuren. Ein Fakt, der nicht ganz unbedeutend erscheint, da High Tension nahezu dialoglos auskommt. Das fordert die Darsteller zum Einen auf, viel mit ihrem Körper und ihrer Mimik zu spielen. Zum anderen überträgt sich so die Isoliertheit und Angst noch besser auf den Betrachter.
Schlussendlich ist High Tension ein überzeugendes Werk geworden, dem die Lust und Hingabe der Beteiligten deutlich anzuspüren ist. Gleichermaßen haben es diese jungen Filmemacher geschafft, eine durch und durch klassische Prämisse aufzupolieren, anzupassen – und damit eine neue Hochzeit für den (französischen) Genrefilm heraufbeschworen.
Unser Fazit zu High Tension
Mittlerweile 20 Jahre gealtert, aber noch immer ein beinharter Terrorstreifen, der nicht mit drastischen Szenen geizt, sondern sich auch auf seine erstklassigen Darsteller und die extrem dichte Atmosphäre verlassen kann. Über den finalen Twist wird sicherlich auch in 20 weiteren Jahren diskutiert werden. Doch wer High Tension bis heute noch nicht gesehen hat, sollte sich davon nicht beirren lassen. Stattdessen sollte die Filmgemeinde frohlocken, dass Ajas Erstlingswerk zum Jubiläum endlich ungeschnitten mit Freigabe durch die FSK erscheint. Interessierte brauchen nun also nicht mehr die horrenden Preise der bisherigen Erstauflagen-Mediabooks als Import von den österreichischen Nachbarn fürchten.
High Tension erscheint am 24.8.2023 von Plaion Pictures in vorerst drei Mediabooks mit UHD und 2 Blu-rays. Nach De-Indizierung erstmals ungekürzt mit FSK-Freigabe!
Unsere Wertung:
© Plaion Pictures