Die Doku Jodorowsky´s Dune behandelt die Geschichte vom einflussreichsten Science-Fiction-Film, der niemals gedreht wurde. Der chilenische Skandalregisseur Alejandro Jodorowski erzählt in der Jetztzeit von seiner wahnwitzigen Idee, in den 70ern Frank Herberts Kultroman Dune zu verfilmen. Seine Visionen sind dabei ebenso absurd wie genial. Die Doku beleuchtet eindrucksvoll, warum diese Visionen nie den Weg auf die Leinwand fanden.
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Titel | Jodorowsky's Dune |
Jahr | 2013 |
Land | France |
Regie | Frank Pavich |
Genres | Dokumentarfilm |
Darsteller | Alejandro Jodorowsky, H. R. Giger, Brontis Jodorowsky, Nicolas Winding Refn, Amanda Lear, Richard Stanley, Devin Faraci, Michel Seydoux, Chris Foss, Drew McWeeny, Gary Kurtz, Diane O'Bannon, Jean-Paul Gibon, Jean-Pierre Vignau, Dan O'Bannon, Orson Welles, David Carradine, Salvador Dalí, Jean Giraud, Douglas Trumbull |
Länge | 87 Minuten |
Wer streamt? | Derzeit leider auf keinem Streamingdienst verfügbar. |
Eine gescheiterte Vision
Im Jahr 2013 erzählt der zu dem Zeitpunkt 84-jährige chilenische Regisseur Alejandro Jodorowsky, der sich mit gewagten und surrealistischen Werken wie El Topo (1970), Montana Sacra – Der heilige Berg (1973) oder Santa Sangre (1989) einen Namen machte, von seinem Vorhaben, Mitte der 70er den gefeierten Science-Fiction-Roman Dune von Frank Herbert zu verfilmen. Dabei lies er Künstler wie HR Giger, Orson Welles, Pink Floyd, Mick Jagger, Salvador Dali und viele Weitere um sich vereinen. Zusammen mit dem Comiczeichner Jean Giraud, auch bekannt als Möbius, fertigte er im Vorfeld 3000 Zeichnungen zum Film an. Jodorowsky schwebte Großes vor. Zu Großes, wie sich herausstellte. Das Mega-Projekt scheiterte letztlich an den Filmstudios, da das Budget mittlerweile bei 15 Mio. Dollar lag (für die damalige Zeit ziemlich viel) und Jodorowsky keine Kürzungen für sein 14-stündigen Film akzeptierte. Er wollte sein Mammutwerk entweder so umsetzen, wie er es sich vorstellte, oder gar nicht.
So scheiterte der Traum vom größten Sci-Fi-Film aller Zeiten. Dennoch fanden die Zeichnungen, Ideen und Schriften Einzug in die Filmwelt. Viele große Science-Fiction-Werke wie Star Wars, Alien oder Blade Runner bedienten sich am Schaffen von Jodorowsky und seiner Crew. HR Giger durfte ein paar Jahre später für die Kreation des legendären Alien im gleichnamigen Klassiker sogar den Oscar entgegennehmen. Da es Jodorowsky keine Ruhe lies, seinen Traum nicht in irgendeiner Art umgesetzt zu haben, fand er sich später mit dem Zeichner Möbius erneut zusammen, um seine Ideen mittels einer Comicserie zu verwirklichen. Das ist die beeindruckende Geschichte von einem Filmprojekt, das zwar zum Scheitern verurteilt war, aber dennoch bis heute seine Spuren in der Filmwelt hinterlassen hat.
Die Jagd eines Künstlers nach seinem Traum
Die Doku lässt dabei neben Jodorowsky selbst viele interessante wie auch ausgefallene Künstler zu Wort kommen. Ob zeitgenössische Regisseure wie Nicolas Winding Refn (Drive, The Neon Demon) oder auch damals in direktem Kontakt zum Projekt stehende Persönlichkeiten wie HR Giger, Amanda Lear, Chris Foss oder auch Jodorowskys Sohn Brontis, der ebenfalls eine Rolle in Dune übernehmen sollte. Sie alle berichten von Jodorowskys größenwahnsinnigen Ideen bei der Umsetzung des Stoffes, die aus ihm heraussprudelten wie aus einem Brunnen. So entsteht ein Mosaik aus verpassten Chancen und absurden Einfällen, das sich der „Was wäre, wenn…“-Fragestellung verschreibt.
„Ich wollte einen Film drehen, der den Menschen die Halluzinationen von LSD verschafft, ohne dass sie LSD nehmen.“ (Alejandro Jodorowsky)
Dabei wird ausschließlich mit Archivmaterial und Interviews gearbeitet. Skizzen und Storyboards werden dabei teilweise mit Bewegungen und Farben zum Leben erweckt, was zumindest annähernd einen Eindruck davon vermittelt, wie das fertige Endprodukt hätte aussehen können. Untermalt werden jene Szenen entweder mit den Interviews oder mit mystischen, Blade Runner ähnlichen Synthesizer-Klängen, was der Doku in ihrer ansonsten sehr nüchternen und simplen Machart einen besonderen Touch gibt. Ansonsten rückt Jodorowsky´s Dune die Geschichte in den Vordergrund, denn diese ist wirklich besonders.
Größenwahnsinnige Umsetzung
Nur um ein paar Beispiele aus Jodorowskys Vorhaben bei der Romanverfilmung zu nennen: Die Anfangssequenz des XXL-Werkes sollte eine minutenlange Kamerafahrt durch die Galaxie, vorbei an diversen Raumschiffen und Planeten, sein. Pink Floyd sollte ein komplettes Album für den Film produzieren. Salvador Dali wollte mit einer Gage von 100.000$ pro Minute der bestbezahlte Schauspieler aller Zeiten werden, worauf der Regisseur sogar einging, da er Dali für die einzige und perfekte Besetzung für die ihm vorgesehene Rolle hielt. Die Plattform für landende Raumschiffe sollte eine ein- und ausfahrende Zunge eines Gebäudes in Form eines riesigen menschenähnlichen Wesens sein. Abweichend von der Romanvorlage sollte sich der titelgebende Wüstenplanet am Ende der Handlung in ein Paradies verwandeln und als Messias andere Planeten spirituell erleuchten. Letztendlich wäre der Film 14 Stunden lang gewesen. Jodorowskys Vorhaben wäre, abgesehen von der Laufzeit, heute vermutlich sogar umsetzbar, sprengte aber für die damalige Zeit jegliche Grenzen.
„Es gibt kein Meisterwerk ohne Wahnsinn. Vielleicht gab es in Dune etwas zu viel davon.“ (Michel Seydoux, Produzent von Dune)
Jodorowsky: Eine spezielle Persönlichkeit
Am häufigsten kommt natürlich Jodorowsky selbst zu Wort. Dabei blickt die Doku nicht nur auf die Hintergrundgeschichte zum Projekt, sondern auch ganz besonders in Jodorowskys Kopf. Es wird deutlich, dass dieser eine sehr zwar hochkreative, aber auch sture und egozentrische Person ist. Deutlich spürbar wird seine Liebe zum Film, wenn er auch mit 84 Jahren vor Lebensenergie und Einfallsreichtum nur so sprüht und enthusiastisch von seinem damaligen Vorhaben berichtet. Dass Jodorowsky in vielerlei Hinsicht speziell ist, wird auch anhand seiner mindestens genauso speziellen Filme wie El Topo (1970) oder Montana Sacra – Der heilige Berg (1973) deutlich, bei deren Umsetzung, getreu dem Stile der 70er, merkbar auch die ein oder andere Droge im Spiel war. Genauso rauschhaft und halluzinogen wie diese beiden Werke sollte auch Dune werden. Nur größer. Und teurer. Und vielleicht sogar noch ein wenig verrückter.
„Wenn du einen Film drehst, darfst du keinen Respekt vor dem Roman haben. Es ist wie beim Heiraten. Respektierst du die Frau, bekämst du nie Kinder. Du musst ihr das Kleid aufreißen, die Braut vergewaltigen. Und dann hast du deinen Film. Ich habe Frank Herbert vergewaltigt – aber in Liebe.“ (Alejandro Jodorowsky)
Jodorowsky´s Dune: Ein Charakter-Porträt
Im Volksmund könnte man also sagen, Jodorowsky habe einen an der Klatsche. Vermutlich stimmt das sogar. Manche seiner Bemerkungen in Jodorowsky´s Dune sind ebenso makaber wie komisch. Jedoch dürfen solche Leute in der Filmindustrie einfach nicht fehlen. Leute, die Träume haben, seien sie auch noch so verrückt. Jodorowsky selbst sagt gegen Ende der Doku, dass es letztlich egal ist, ob man scheitert. Wichtig sei, dass wir es versuchen. Er selbst wolle 300 Jahre alt werden, obwohl er weiß, dass er wahrscheinlich in den nächsten Jahren bereits das Zeitliche segnen wird. Jodorowsky appelliert schlicht daran, stets nach Großem zu streben, auch wenn es noch so unmöglich erscheint. Letztendlich ist die Doku also auch das Porträt eines irgendwie verrückten, aber auch irgendwie genialen und vor allem sympathischen Mannes, der die Liebe zum Film so transportiert wie nur noch wenige Menschen heutzutage.
Die Kommerzialisierung der Kunst
Zum Ende hin schlägt Jodorowsky´s Dune eine Brücke zu einer brisanten und aktuellen Thematik. Darf Geld darüber entscheiden, ob Kunst verwirklicht wird? Gerade heute entstehen immer mehr Filme aus kommerziellen und nicht aus künstlerischen Gründen. Ein Franchise, mit unzähligen Remakes, Prequels, Sequels und Spin-offs dient letztlich oft nur als Geldmaschine. Genauso wird Jodorowskys ausführlich wie akribisch geplantes Herzensprojekt aus nur einem Grund abgelehnt: Geld. Zumindest indirekt, denn die Filmstudios sind zwar von der Idee, der Vorarbeit und der Besetzung ziemlich angetan, nennen jedoch als einziges, markantes Problem den Regisseur selbst. Jodorowsky sieht nicht ein, an seinem Werk etwas zu ändern, nur damit sein Film massentauglicher wird. Nicht einmal die Lauflänge möchte er verkürzen.
„Der Film ist mein Traum. Ändert meinen Traum nicht!“ (Alejandro Jodorowsky)
Jodorowsky und seine Kunst sind zu speziell für den Mainstream, das 15 Mio. Dollar Budget würde sich bei einem derart langen Film finanziell nicht rentieren. Als Jodorowsky in der Doku davon erzählt, wie ihm das damals schmerzlich bewusst wurde, sieht man den bis dahin immer lächelnden, euphorischen Mann das erste mal empört, geradezu zornig. Er nimmt in der entsprechenden Szene ein Bündel Geld aus der Hosentasche und hält es mit den Worten „Dieser Teufel in unseren Taschen! Bloß wertloses Papier!“ in die Kamera. Jedoch trägt Jodorowsky mit seiner fehlenden Kompromissbereitschaft größtenteils dazu bei, dass sein Projekt scheiterte. Das Filmgeschäft ist immer noch ein Business und er sah es nicht ein, sich diesem Business anzupassen, weshalb sein Film letztendlich zwangsläufig scheiterte. Leider verpasst es Jodorowsky´s Dune, diejenigen zu Wort kommen zu lassen, die sein Projekt damals aus verständlichen Gründen ablehnten. Das hätte beide Seiten beleuchtet und das Gesamtbild vervollständigt.
Ein nur augenscheinlich sinnloses Filmprojekt
Zum Schluss veranschaulicht die Doku sehr schön im Direktvergleich, welche Ideen aus Dune in spätere Sci-Fi-Meilensteine übernommen wurden. So zeigt sich zum Beispiel in den Schwertkämpfen aus Krieg der Sterne (1977) ein enormer Einfluss der Dune-Skizzen. Zeichnungen aus der Sicht eines Roboters, der seine Umgebung scannt, erinnern an den Terminator. Dan O´Bannon, der bei Dune für die Spezialeffekte verantwortlich war, arbeitete später bei Alien (1979) erneut mit Möbius, Foss und HR Giger zusammen. Weitere Beispiele, die sich von den Skizzen inspirieren ließen, sind Flash Gordon (1980), Jäger des verlorenen Schatzes (1981), Masters of the Universe (1987), Contact (1997) oder auch Prometheus (2012). Somit ist Jodorowsky´s Dune ein nur augenscheinlich sinnloses Projekt, ohne dessen Einflüsse es die größten Sci-Fi-Werke, wie wir sie heute kennen, vermutlich gar nicht geben würde. Letztendlich wurde Dune – Der Wüstenplanet 1984 sogar von David Lynch verfilmt, diesen fand zumindest Jodorowsky jedoch grottenschlecht.
„Dune ist wie ein gewaltiger Asteroid, der die Erde um Haaresbreite verfehlt, es aber schafft, sie mit all seinen wundervollen Sporen zu befruchten.“ (Devin Faraci, Filmkritiker)
Unser Fazit zu Jodorowsky´s Dune
Jodorowsky´s Dune handelt von einem ebenso genial-verrückten wie auch sympathischen Mann, der seiner Zeit so weit voraus war, dass die Zeit nicht mithalten konnte. Ebenso behandelt die Doku jedoch auch das Filmemachen an sich sowie die Leidenschaft, die sich dahinter verbergen kann. Sie erzählt von Ehrgeiz, geplatzten Träumen, visionären Exzentrikern und einem Film, der zwar nie gedreht wurde, der aber dennoch seine Spuren in der Welt des Science-Fiction-Filmes hinterlassen hat. Der Doku gelingt es dabei, durch lebendige Skizzen und interessante Interviews, allen voran die mit Jodorowsky selbst, wenigstens annähernd einen Eindruck davon zu vermitteln, was für ein abgefahrener, meisterhafter Trip Dune geworden wäre, hätte er es denn wirklich auf die Leinwand geschafft. Zum Schluss äußert die Doku in Form von Jodorowsky selbst sogar Kritik an der zunehmenden Kommerzialisierung des Mediums Film, welche das Geld stets über die Kunst stellt. Jodorowsky´s Dune ist faszinierend, hochinteressant und für jeden Cineasten ein Muss!
„Ich wollte keinen Film erschaffen, sondern etwas Heiliges.“ (Alejandro Jodorowsky)
Unsere Wertung: