Taika Waiti ist spätestens seit Thor – Tag der Entscheidung bei den international erfolgreichen Regisseuren angekommen. Nun bringt er mit Jojo Rabbit eine Anti-Hass-Satire heraus, die sich mit der deutschen NS-Zeit beschäftigt. Mit fanatischen Hitlerjungen, einer versteckten Jüdin und Waititi höchstpersönlich als imaginären Führer hat die Komödie schon im Vorfeld einige Kontroversen losgetreten. Dabei sollte man aber nicht vergessen, das Jojo Rabbit ein wichtiger und vielleicht sogar Waititis bester Film ist.
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Titel | Jojo Rabbit |
Jahr | 2019 |
Land | New Zealand |
Regie | Taika Waititi |
Genres | Komödie, Kriegsfilm, Drama |
Darsteller | Roman Griffin Davis, Thomasin McKenzie, Scarlett Johansson, Taika Waititi, Sam Rockwell, Rebel Wilson, Alfie Allen, Stephen Merchant, Archie Yates, Luke Brandon Field, Sam Haygarth, Stanislav Callas, Joe Weintraub, Brian Caspe, Gabriel Andrews, Billy Rayner, Christian Howlings, Gilby Griffin Davis, Hardy Griffin Davis, Curtis Matthew, Robert East, James McVan, Judith Georgi, Victoria Hogan, Bethany Adams, Iva Šindelková, Matej Seifert, Trish Osmond, Odeta Cali, Samuel Bogner, Issy Stewart |
Länge | 108 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Disney Plus Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, MagentaTV, Microsoft Store, Videoload Leihen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, MagentaTV, Microsoft Store, Videoload, Freenet meinVOD |
Darum geht es in Jojo Rabbit
Jojo Betzler(Roman Griffin Davis) ist ein 11-jähriger Hitlerjunge mit einem weichen Herz, das jedoch durch seinem puren NS-Fanatismus überdeckt wird. Sein bester Freund ist der junge Yorki (Archie Yates) … Oh und natürlich ein imaginärer Hitler (Taika Waititi). Sein größter Traum ist es in die Spezialgarde des Führers zu kommen. Daher hilft er fleißig beim Flugblätter austeilen oder bei det Materialbeschaffung für die Wehrmacht. Zudem saugt er jede Propaganda und jede Lüge über die Juden auf, wie ein uniformierter Schwamm. Seine alleinerziehende Mutter Rosie (Scarlett Johansson) blick allerdings mit ganz anderen Augen auf den Antisemitismus, weswegen sie auch die 19 Jährigen Jüdin Elsa (Thomasin McKenzie) bei ihnen zu Hause versteckt.
Selbstverständlich dauert es nicht lange, bis Jojo davon Wind bekommt. Fortan befindet er sich in einer Pattsituation. Einerseits möchte er dem Führer dienen, andererseits kann er Elsa nicht verraten ohne sich oder seine Mutter selber in Gefahr zu bringen. Also bleibt ihm nichts anderes übrig, als seinen unfreiwilligen Gast näher kennenzulernen. Zum ersten Mal sehen sich seine Vorurteile und absurden Vorstellungen mit der Realität konfrontiert. Man ahnt schon von Anfang an, wo die Reise hingeht, da es nicht die komplexeste Story ist, doch der Weg ist hier eindeutig das Ziel. Auch wenn alles vertraut vorkommt, ist es doch etwas vollkommen eigenes. Das ist nicht nur dem Humor zu verdanken, sondern dem gesamten Drehbuch.
Jojo Rabbit – Eine Gefühlsachterbahn
Waititi ist nicht nur dank seines einzigartigen Humors ein so interessanter Regisseur, sondern hauptsächlich durch sein Talent diesen Humor mit Drama zu vereinen. Ich kenne wenige Komödien, die mich gleichzeitig so ergriffen und zum lachen gebracht haben, wie Wo die Wilden Menschen jagen. Jojo Rabbit setzt da nochmal gehörig einen drauf. Ich saß bis zum Ende des Abspanns elektrisiert im Sitz und hab versucht meine Gefühle zu ordnen. Ich wusste einfach nicht, wie ich mich fühlen sollte und das ist das größte Kompliment, das ich dem Film machen kann! Die Szenen wechseln sich von absurder Comedy mit unheimlich bedrückendem Drama ab. Dadurch ergibt sich eine konstante Gefühlsachterbahn. Gleichzeitig wechselt auch die Stimmung innerhalb des Handlungsverlaufs. Wo Jojo Rabbit zu Beginn noch eine glasklare Comedy ist, wird der Film mit der Zeit immer bedrückender. Am Ende war ich dann sogar in Tränen aufgelöst.
Mit Satire gegen den Hass
Selten habe ich einen Kinosaal so rasant von brüllendem Lachen zu bedrücktem Schweigen wechseln hören. Der Kontrast zwischen Humor und Tragik sorgt dafür, dass die schrecklichen Momente des Kriegs noch viel stärker zur Geltung kommen. Obwohl wir diese Szenen schon häufig in anderen Filmen gesehen haben, stimmten sie mich teilweise trauriger als in so manchen Anti-Kriegs Filmen. Neben den Schrecken des Krieges liegt der Fokus aber klar auf dem Grauen der NS-Zeit. Obwohl einiges stark satirisch überspitzt wird, gibt es auch immer wieder todernste Momente. Wer dem Film also nach der Sichtung immer noch eine Verharmlosung dieser Zeit vorwirft, hat die letzten 108 Minuten wohl eher damit verbracht, Swastikas in die Luft zu malen, anstatt wirklich aufzupassen. Selbst die humorvollen Überspitzungen sind in keinster Weise verharmlosend.
Der Anti Juden – Propaganda wird nochmal ein kleiner Schlag Absurdität hinzugefügt, sodass es die perfekte Balance zwischen „Man, ist das hirnrissig“ und „Okay vermutlich hätte man das dem Volk damals wirklich auftischen können“. Der kleine Jojo stellt sich Juden wie monströse Fantasiefiguren vor und plant sogar ein Buch darüber zu schreiben. Obwohl Elsa durch die Lügen schwer getroffen ist, macht sie sich selber einen Spaß daraus und erzählt Jojo noch übertriebenere Geschichten, die der naive Hitlerjunge dann auch tatsächlich glaubt. Gleichzeitig erkennt Jojo aber nach und nach, was tatsächlich hinter der Propaganda steckt. Es entwickelt sich so etwas, wie eine Bruder – Schwester – Beziehung zwischen den beiden. Die Beziehung birgt für Jojos Gefühle aber auch neue Hürden, abseits des Antisemitismus, was dem Film eine neue Komponente hinzufügt, die aber immer etwas hintergründig bleibt.
Charaktere mit Ecken und Kanten
Taika Waititi hat ein Händchen für interessante Charaktere. Auch Jojo Rabbit ist da keine Ausnahme. Unser kleiner Protagonist hat jede menge Ecken und Kanten. Obwohl er nach und nach hinter die Fassade seiner beigebrachten Ideologie blickt, kann er sie nicht ohne weiteres ablegen. Auch wenn er es nicht böswillig meint, haben sich einige Vorurteile fest gesetzt, wodurch er immer wieder an sich arbeiten und seine Fehler ausbessern muss. Somit bleibt seine Charakterentwicklung bis zum Ende spannend. Manchmal möchte man ihn jedoch auch für sein Verhalten hassen, kann es aber irgendwo nachvollziehen. Menschen machen eben Fehler, es zählt aber eben die Art und Weise, wie wir mit unseren Fehlern umgehen. Das wusste auch Waititi und so fügt sich Alles zu einem runden Ende zusammen, bei welchem Jojo nicht als unsympathisch, sondern als menschlich in Erinnerung bleibt.
Aber auch die anderen Figuren sind dreidimensional. Elsa gibt sich Jojo gegenüber zwar häufig als stark und selbstbewusst, doch der Judenhass beeinflusst sie natürlich auch gewaltig. Je mehr sich die Beiden verstehen, desto mehr traut sich Elsa auch, ihre verletzlichere Seite zu zeigen. Jojos Mutter ist eine unheimlich sympathische Vorzeige-Mutter, die jedoch an Alkoholproblemen leidet und ihre Verzweiflung nur nicht nach Außen trägt. Selbst Captain Klenzendorf (Sam Rockwell) hat einige interessante Fassetten zu bieten und wächst dem Zuschauer sogar ans Herz, ohne damit gleich für Nationalsozialisten zu sympathisieren.
Taika Waititi holt das Beste aus seinen Kinderdarstellern hereaus
JoJo Rabbit war Roman Griffin Davis erster Spielfilm und der elfjährige Schauspieler liefert direkt einen vielversprechenden Start ab. Thomasin McKenzie (Elsa) hat mich ebenfalls verzaubert. Sie hat bereits Schauspiel-Erfahrung und überzeugt dementsprechend auf ganzer Linie. McKenzie verkörpert ihre Verletzlichkeit und gleichzeitig ihre Stärke absolut authentisch und wuchs mir stark ans Herz. Wenn wir von sympathischen Rollen reden, muss ich aber auch über Archie Yates sprechen. Er nimmt zwar nur einen kleinen Part ein, doch der Junge verkörpert seine Rolle mit einer wunderbaren Ausstrahlung. Ich habe mich auf jede noch so kleine Szene von ihm gefreut. Er ist unheimlich witzig und trotzdem erfüllen seine Szenen stets einen Zweck. Waititi hat seine Führung von Kinderschauspielern bereits in Wo die wilden Menschen jagen bewiesen und schließt hier perfekt daran an.
Beim restlichen Cast reicht schon ein Blick auf die Namen, um zu wissen, dass einem wieder Wunderbares geboten wird. Sam Rockwell ist immer fantastisch mit anzusehen und auch Scarlett Johansson zeigt, dass sie auch abseits von Black Widow einiges auf dem Kerbholz hat. Besonders in einer Szene, in der sie mit den Nerven am Ende zu sein scheint, sieht man ihr auf der einen Seite ihre Verzweiflung an, auf der anderen Seite aber ihre herzerwärmende Positivität. Comedy schließt ergreifendes Schauspiel eben nicht automatisch aus. Alfie Ellen, Rebel Wilson und Stephen Merchant, beweisen in ihren kleinen Auftritten auch ihr Talent, haben aber zu wenig Screentime um auch wirklich nennenswerte Leistungen abzugeben. Waititi als Hitler ist wie erwartet zum Schreien komisch und sorgte für ein paar der größten Lacher während des Films. Doch je mehr Jojo an der Ideologie zweifelt, desto größenwahnsinniger und bedrohlicher wird auch der imaginäre Hitler.
Taika Waititis stylischster Film
Waititi scheint sich stetig weiterzuentwickeln. Während Thor – Tag der Entscheidung seine vielleicht teuerste Produktion war, ist Jojo Rabbit sein bestaussehendes Werk. Die Bildkomposition ist ähnlich durchdacht, wie in seinen anderen Filmen, wird aber durch die detailverliebten Szenenbilder und den kräftigen Farben stärker betont. Die Effekte sind ebenfalls gut gelungen, was für 14 Millionen $ Budget nicht immer selbstverständlich ist (Zum Vergleich: Thor – Tag der Entscheidung kostete 180 Millionen $). Er sieht aber nicht nur verdammt schick aus, sondern klingt auch noch so. Die Musik ist eine stimmige Mischung aus instrumentaler Musik, englischsprachigen Songs und deutschen Versionen von Rock-Klassikern, wie „Heroes“ oder „I want to hold your hand“.
Doch wie gut funktioniert ein Film über das dritte Reich mit englischsprachigen Schauspielern? Antwort: Super. Ich hatte zuerst einige Zweifel, ob dies funktionieren würde, obwohl mir der Gedanke von Hitler mit Taikas Neuseeländischen Akzent von Anfang an zugesagt hat. Aber auch die Einbringung von deutschen Worten passt überraschend gut hinein. Das kommt dem Comedy-Aspekt einfach zugute und reißt den Zuschauer daher auch nicht aus dem Film heraus. Es wird auch nicht versucht krampfhaft einen klischeehaften deutschen Akzent aufzusetzen. Stattdessen hält es sich etwas in Grenzen, auch wenn es zu Comedy-Zwecken schon bewusst, aber nicht störend, eingesetzt wird.
Mein Fazit zu Jojo Rabbit
Taika Waititi hat einen sehr speziellen und eher trockenen Humor. Wer Wo die wilden Menschen jagen oder 5, Zimmer, Küche, Sarg kennt, weiß, worauf er sich einlässt. Zusätzlich setzt der neuseeländische Regisseur nochmal eine ganze Schippe Emotionen obendrauf. Die Mischung aus Comedy und Drama (besonders bei einer so sensiblen Thematik) hätte gnadenlos nach hinten losgehen können. Zum Glück ist aber genau das Gegenteil der Fall. Jojo Rabbit ist an einigen Stellen unglaublich witzig, an anderen aber auch einfühlsamer als so manches Drama und bedrückender als manche Kriegsfilme. Ich hätte seiner Art den Film zu erzählen ruhig noch eine Stunde weiter zuschauen können und es wäre einfach nicht langweilig geworden.
Durch die mitreißenden Schauspielleistungen und der schicken Inzenierung entsteht eine Gefühlsachterbahn, bei der man am Ende erstmal seine Emotionen ordnen muss. Ich hab geweint, gelacht und mitgefiebert, doch am Ende verlässt man den Kinosaal definitiv mit einem guten Gefühl. Schließlich ist Jojo Rabbit nicht nur eine Satire gegen den Hass, sondern gleichzeitig auch eine Ode an das Leben mit einem hoffnungsvollen Blick auf die Menschlichkeit. Waititi ist seiner eigenen Handschrift treu gelblieben, doch hat sie über die Jahre perfektioniert. Hinzu kommt, dass jeder mit absoluten Herzblut hinter dem Projekt stand, was Jojo Rabbit verdientermaßen zu Waitis bis dato besten Film macht. Ob ihr dies genauso seht, könnt ihr ab dem deutschlandweitem Kinostart am 23.01.2019 selber entscheiden.
Unsere Wertung:
© 2019 Twentieth Century Fox