Kraven the Hunter ist vorerst der letzte Sony-Film mit einer Figur aus dem Spider-Man-Universum – ohne Spidey selbst auftauchen zu lassen. Ein Abschiedsgeschenk oder setzt sich der traurige Trend nach Morbius und Madame Web fort?
Titel | Kraven: The Hunter |
Jahr | 2024 |
Land | United States of America |
Regie | J.C. Chandor |
Genres | Action, Abenteuer, Thriller |
Darsteller | Aaron Taylor-Johnson, Ariana DeBose, Fred Hechinger, Alessandro Nivola, Christopher Abbott, Russell Crowe, Юрий Колокольников, Levi Miller, Tom Reed, Billy Barratt, Diaana Babnicova, Murat Seven, Greg Kolpakchi, Mark Arden, Jack Brady, Alex Batareanu, Will Bowden, Damola Adelaja, Guillaume Delaunay, Duran Fulton Brown, Tanaka Mandimika, Robert Hladik, Thor Kjartansson, Christos Dante, Adam Bowman, Bradley Farmer, Paul Bailey, Dritan Kastrati, Anita-Joy Uwajeh, Alex Skarbek, Иван Игнатенко, Susan Aderin, Preslav Shipkaliev, Al Nedjari, Elizabeth Appleby, Marie Hogle, Jon Xue Zhang, Elander Moore, Bailey Patrick, Christopher Whitlow, Waleed Hammad, Toto Bruin, Maxine Whittaker, Jonny James, Rashid Phoenix, George Surry, Yusuf Chaudhri, Andrei Nazarenko, Doren John Farmer, Douglas Robson, Michael Shaeffer, Roderick Hill, Camilla Aiko, Neil Bishop, Rachel Handshaw, Odimegwu Okoye, Masha Vasyukova, Rene Costa, Stephane Fichet |
Länge | 127 Minuten |
Wer streamt? | Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, MagentaTV, Videoload Leihen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, MagentaTV, Videoload |
Kraven – Die offizielle Handlungsangabe
Kraven (Aaron Taylor-Johnson) führt die komplexe Beziehung zu seinem skrupellosen Gangster-Vater Nikolai Kravinoff (Russell Crowe) auf einen Rachefeldzug mit brutalen Konsequenzen. Diese motivieren ihn nicht nur dazu, einer der größten Jäger der Welt zu werden, sondern auch einer der gefürchtetsten.
Der holprige Part des Marvel-Universums
Ich will an dieser Stelle gar nicht erneut die Rechte-Situation in all ihrer Historie bei Marvel ausrollen. Die Kurzfassung des Status Quo lautet: Sony hat seit der Fox-Übernahme durch Disney als letzter “Konkurrent” noch Figurenrechte an Marvel-Charakteren, und zwar an den Figuren, die grob dem Spider-Verse zugeordnet werden können. Doch während man sich mit Disney über eine Vereinbarung auf die Teilung von Spider-Man zwischen Sony-Projekten und MCU verständigen konnte, zeigte der Maus-Konzern offenkundig nur minderes Interesse an den andere Figuren von “Rang und Namen”.
Da jedoch, um die Rechte zu behalten, immer wieder Inhalte entstehen müssen, gibt es nun eben seit einiger Zeit Sonys eigenes MCU-Pendant, dessen Filme im Vergleich zu den großen Marvel-Hits zwar mitunter Achtungserfolge an den Kinokassen waren (vor allem die Venom-Filme), doch insgesamt happy waren die Verantwortlichen selten mit dem, was am Ende auf der Leinwand landete. Nicht selten standen die Produktionen unter keinem guten Stern; mal machte Corona Starts einen Strich durch die Rechnung, mal gab es Knatsch hinter den Kulissen, fast immer sorgten aufwendige Nachdrehs für Kostenexplosionen. Und dann wurden die Ergebnisse fast unisono auch noch von der Kritik zerrissen und teils sogar “Opfer” der Meme-Kultur und Stolpersteine aufstrebender Karrieren.
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Jetzt hat sich Sony entschieden, die Spin-Offs zu Spider-Man-(Anti-)Helden/Schurken auslaufen zu lassen und Kraven the Hunter wird mutmaßlich der letzte Titel sein, der diese Schaffensphase beendet darf – und dem gleichzeitig die unglückliche Aufgabe zufällt, nach den Totalausfällen von Madame Web und Morbius, Schadenbegrenzung zu betreiben, zumindest aber nicht am Tiefpunkt ein Franchise zu Grabe zu tragen. Doch die Vorzeichen standen auch hier wieder schlecht. Denn ursprünglich sollte der Jäger, der Spidey seit etlichen Jahrzehnten in Comics das Leben schwer macht, sein Stell-dich-ein schon vor etwa zwei Jahren geben. Immer wieder wurde der Kinostart verschoben, über die wahren Gründe lässt sich nur spekulieren. Schafft es nun aber Kraven mit einem inzwischen als James-Bond-Nachfolger gehandelten Hauptdarsteller zumindest noch mit einem Paukenschlag die Skeptiker verstummen zu lassen?
Ein Totalschaden mit Ansage
Die Kurzfassung der Frage ist schlicht und einfach: Nein. Kraven the Hunter ist wohl das, was man unter “Besser ein Ende mit Schrecken, als Schrecken ohne Ende” verbuchen kann. Zum Glück ist nun das SSU Geschichte und Sony kann aufhören Millionen für Projekte zu verschwenden, bei denen weder eine Ausrichtung zu erkennen ist noch durch zufällige Fügung, beispielsweise durch Ausnahmeperformances von Beteiligten, etwas auf der Leinwand landet, was zumindest mit reichlich heruntergeschraubter Erwartungshaltung für 90 Minuten zu unterhalten weiß. Hier stimmt wirklich kaum noch was, wobei man zumindest dramaturgisch noch gewisse Ansätze erkennen kann, die diesen “Swang Song” des Comic-Universums von Sony zu einer Abschiedsvorstellung mit breiter Brust hätten machen können. Wahrscheinlich ist dieses Action-Reißer objektiv betrachtet sogar ein Qualitätssprung verglichen mit den vielgescholtenen Madame Web und Morbius und auch meiner Meinung nach stringenter in seinem Storytelling als der total strukturlose Venom: The Last Dance.
Doch die rudimentär vorhandenen Pluspunkte werden um ein Vielfaches torpediert, da man Fehler vorheriger Filme wiederholt. So ist nahezu die ganze erste Stunde eine weitere Origin-Story aus der Schablone, bei der keinerlei Kreativität zu spüren ist, hier irgendwie mit einer neuen Idee nochmal Mut zu beweisen, wenn man schon gewisse Freiheiten in Sachen Brutalität hat. Anstatt sich dann aber vollkommen auf den Vater-Sohn-Konflikt zu konzentrieren, ist die Russell Crowe-Figur dann fast komplett aus der Story raus, um mit Rhino und dem Foreigner zwei Schurken einzuführen, die uninteressanter kaum sein könnten, zudem zum Fremdschämen schlechte Dialogzeilen vortragen müssen und mit Gimmicks versucht werden, interessant zu machen, die an Peinlichkeit kaum noch zu überbieten sind – Stichwort: 3 – 2 – 1. Erneut hat man also in Kraven the Hunter ein altbekanntes Antagonisten-Problem, weil man a) sich nicht auf einen Gegner konzentriert und b) keiner der mehreren Gegenspieler in Motivation, Masterplan oder Konkurrenzverhältnis zum Titelhelden funktioniert.
Umsonst trainiert, Herr Johnson
Was schon im ersten Promomaterial überdeutlich wurde, ist, dass sich Aaron Taylor-Johnson für die Rolle einen absurd-definierten Körper antrainiert hat, was dementsprechend dann auch durch Bilder zur Schau gestellt werden soll. Klammern wir mal den Aspekt der Sexualisierung aus, bleibt immer noch der Kritikpunkt, dass er dem Comicvorbild damit nur noch geringfügig ähnelt. Nun gut, aber auch sonst hat der Film-Kraven ziemlich wenig mit dem gemein, der später einmal Jagd auf Spidey machen soll. Man fragt sich am Ende – neben anderen Logikloch-bedingten Dingen – warum soll diese Figur jetzt ein Schurke sein? Weil er nachdem er “richtige” Schurken ausgeschaltet hat, um seinen Bruder vermeintlich zu retten und sich dann endgültig von seinem Schurken-Papa emanzipiert, allein dadurch, dass er dessen Weste überstreift irgendwie doch sein Erbe antritt?! Kann man sich irgendwie so zusammenreimen, aber eigentlich ist Kraven the Hunter eine 08/15-Helden-Story wie jede andere auch. Vielleicht liegt es schlicht an seiner Phobie vor Spinnen…
Und dann ist da noch die Sache mit seinem Bruder. Eigentlich ein spannender Ansatz: hier der große Bruder mit Beschützer-Aufgabe, da der kleine Bruder, der nicht mehr beschützt werden will und sich von der bösen Seite verführen lässt – Stichwort: Chamäleon. Aber das wäre am Ende wohl der Stoff für einen weiteren Film, den wir nie zu sehen bekommen werden. In diesem Streifen hingegen bleiben von Fred Hechinger auch wieder nur eher peinliche Szenen im Gedächtnis, beispielsweise Gesangseinlagen mit Fremdscham-Playback.
Sind wir denn in 2004?
Das neben all den inhaltlichen Unzulänglichkeiten markanteste Problem ist aber schlicht, dass Kraven the Hunter für einen Film aus dem Jahr 2024 unsagbar schlecht aussieht. Die animierten Tiere sind so essentiell für die Geschichte, dass ihr billiger Look einen komplett aus der Immersion rausreißt. Wenn Kraven in den Action-Sequenzen, die allesamt schon im Trailer-Material verbraten wurden, seine Kräfte zur Schau stellen darf, sieht das ebenfalls richtig furchtbar aus und vor allem beim Design von Rhino kommt man aus dem Lachen fast nicht mehr raus. Sony, ist das euer verdammter Ernst? Dagegen sieht sogar Die Liga der außergewöhnlichen Gentleman heute noch okay aus…
Schauspielerisch macht Aaron Taylor-Johnson noch das beste draus. Er nimmt die Rolle zwar für den Quatsch, der um ihn herum passiert, etwas zu ernst, aber strahlt zumindest noch etwas Bedrohlichkeit und Power aus. Christopher Abbott hingegen ist ein Fremdkörper, der seinen Charakter viel zu ernst versteht, während dann Russell Crowe einmal mehr beweist, dass er inzwischen für entsprechende Bezahlung seinen Namen für alles hergibt und dabei im Automatikmodus sein Ding abspult, mitsamt Fake-Akzent und Lustlos-Aura. Ariane DeBose als Calypso ist darstellerisch genauso wie Alessandro Nivola unterfordert, doch das fällt wenig auf, stehen sie doch permanent im Schatten der Titelfigur.
Unser Fazit zu Kraven the Hunter
Ok-ische Action mit einem körperlich überzeugenden Protagonisten wird über eine zu lange Laufzeit von über zwei Stunden von schlechten Effekten, unsinnigen Dialogen, unlogischen Drehbuchentscheidungen und zu vielen parallelen Baustellen ausgebremst. Vielleicht nicht der schlechteste Beitrag im Sony-Spider-Man-Universum, aber ein zum Gruseln schlechter Comic-Film in Zeiten, in denen sich speziell gegenüber dieser Standard-Formel längst eine Müdigkeit beim geneigten Publikum eingestellt hat. Das größte Problem von Kraven the Hunter ist jedoch, dass er noch nicht schlecht genug ist, damit er vielleicht analog zu Morbius dann ein Kandidat ist, um zum Betriebsunfall-Kultfilm à la The Room und Co. zu werden. Bleibt nur zu hoffen, dass diese Katastrophe in den Filmografien der Beteiligten niemandem langfristig schadet. Aber wenn man sich das Einspielergebnis ansieht, dann haben zum Glück nur sehr wenige Menschen diesem Unfall überhaupt beigewohnt.
Kraven the Hunter ist am 12. Dezember 2024 in den deutschen Kinos gestartet und wird im Frühjahr bei Netflix zu sehen sein.
Unsere Wertung:
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