Lohn der Angst von Henri-Georges Clouzot gilt als einer der besten Thriller aller Zeiten. Lest hier, ob der Film aus den 50er Jahren diesem Ruf auch gerecht werden kann.
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Titel | Lohn der Angst |
Jahr | 1953 |
Land | France |
Regie | Henri-Georges Clouzot |
Genres | Drama, Thriller, Abenteuer |
Darsteller | Yves Montand, Charles Vanel, Peter van Eyck, Folco Lulli, Véra Clouzot, Antonio Centa, Jo Dest, Darío Moreno, William Tubbs, Darling Légitimus, Luis De Lima, Grégoire Gromoff, Joseph Palau-Fabre, François Valorbe, Pat Hurst |
Länge | 150 Minuten |
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Die Handlung von Lohn der Angst
Zwei gestrandete Existenzen, der junge Korse Mario (Yves Montand) und der alternde Franzose Jo (Charles Vanel), begegnen sich in dem abgelegenen venezolanischen Dorf Las Piedras. Beide sind mittellos und suchen nach einem Weg aus der Armut. Da kommt ihnen das Angebot der ortsansässigen amerikanischen Ölbohrgesellschaft gerade recht. Eine mehrere hundert Kilometer entfernte Ölquelle hat Feuer gefangen. Die einzige zuverlässige Möglichkeit, den Brand zu löschen, ist die Druckwelle einer gezielten Explosion. Das dafür benötigte Nitroglycerin muss auf einer gebirgigen Route zum Einsatzort gebracht werden.
Ein Himmelfahrtskommando, für das sich dennoch zahlreiche verzweifelte Männer bewerben. Die Wahl der Fahrer für die zwei Wagen fällt schließlich auf Mario, Jo, den Deutschen Bimba (Peter van Eyck) und den italienischen Bauarbeiter Luigi (Folco Lulli). Die vier Männer begeben sich auf eine waghalsige Tour, bei der die kleinste Unachtsamkeit den Tod bedeuten kann. Im Verlauf der Fahrt gelangen Mario und Jo nicht nur an ihre körperlichen und psychischen Grenzen. Auch ihre Freundschaft soll auf eine harte Probe gestellt werden.
Lohn der Angst – ein Meisterwerk des Spannungskinos
Lohn der Angst ist die erste Adaption des gleichnamigen Romans von Georges Arnaud. Er kann ohne Frage zu den bedeutendsten und spannendsten Filmen der 50er Jahre gezählt werden. Selten gelang es einem Regisseur, eine so dichte Atmosphäre der Bedrohung zu erzeugen und über den Großteil der Laufzeit eines Films aufrecht zu erhalten. Wenn die Wagen an einer engen Kurve über eine schlecht befestigte Holzrampe zurücksetzen oder auf einer unbefestigten Straße eine bestimmte Geschwindigkeit beibehalten müssen, ohne dabei aufeinander aufzufahren – dann sind das Szenen, bei denen auch den Zuschauern der Angstschweiß auf die Stirn tritt.
Der Suspense-Höhepunkt des Films ist eine Szene, in der ein Felsbrocken den Weg versperrt und mit einer Ladung Nitroglycerin weggesprengt werden soll. Ein verschütteter Tropfen genügt, um das Leben des Mannes, der die Ladung präpariert, zu beenden. Regisseur und Drehbuchautor Henri-Georges Clouzot gelingt es meisterhaft, die Bedrohlichkeit der jeweiligen Situationen zu vermitteln und dabei zum Mitfiebern zu animieren. Unterstützt durch seinen Kameramann Armand Thirard, der nah an den Protagonisten bleibt und die wichtigen Details im Szenenbild genau einfängt. Ebenso wie durch die Musik George Aurics, die vor allem von Percussion und lateinamerikanischen Einflüssen geprägt ist.
Eine herausragende Besetzung und sozialkritischer Subtext
Profitieren kann Lohn der Angst dazu von einem starken Cast aus Charakterdarstellern, die ihren Rollen Leben verleihen. Yves Montand gibt den extrovertierten Womanizer Mario mit viel Verve. Schauspielveteran Charles Vanel kann besonders glänzen als der sich unerschütterlich gebende Ex-Gangster Jo, der sich auf der Fahrt jedoch als Feigling erweist. Auch Peter van Eyck (der sich in der deutschen Fassung selbst synchronisierte) als schweigsamer Bimba und Folco Lulli als todkranker Luigi sorgen dafür, dass ihre Figuren Persönlichkeit erhalten. In einer Nebenrolle tritt außerdem Clouzots damalige Ehefrau Véra als Love-Interest Montands auf.
Lohn der Angst bietet neben eindringlichen Spannungsszenen und herausragenden Schauspielleistungen auch einen sozialkritischen Unterbau. Denn hier wird nicht gespart an Kritik am imperialistischen Gehabe der USA und den Geschäftspraktiken der Ölkonzerne. Mehrmals thematisiert Clouzot im Film, dass die Einwohner des Dorfes von der Ölbohrgesellschaft ausgebeutet werden, jedoch keinerlei alternative Möglichkeiten zum Broterwerb haben. Dies wurde Lohn der Angst damals als Antiamerikanismus ausgelegt, weswegen er in den USA stark gekürzt und erst 1991 in einer nahezu vollständigen Fassung veröffentlicht wurde. Auch in Deutschland schnitt man zur Kinoveröffentlichung ganze 20 Minuten aus Straffungsgründen heraus. Erst 2003 wurden diese für eine Fernsehausstrahlung wieder integriert, allerdings mit anderen Synchronsprechern vertont.
Fassungsgeschichte und Rezeption
2017 erschien über das britische Label BFI im Zuge der Restauration für die Blu-ray schließlich eine nochmals um etwa fünf Minuten längere Fassung, die als ursprünglicher Director’s Cut gelten kann. Die deutsche DVD bietet immerhin die bis dato längste Version in ansprechender Bildqualität. Weitaus früher diente Lohn der Angst außerdem als Vorlage für zwei amerikanische Remakes. 1958 erschien der eher unbekannte Violent Road und 1977 William Friedkins Atemlos vor Angst (im Original Sorcerer) mit Roy Scheider in der Hauptrolle. Letzterer teilte das Schicksal seiner Vorlage, denn die internationale Fassung des Films wurde ebenfalls stark gekürzt und umgeschnitten. Erst 2014 konnte Friedkin seine Wunschfassung veröffentlichen. Von selbigem Film erschien leider bis heute keine deutschsprachige Veröffentlichung, sieht man von einer VHS der internationalen Fassung ab.
Lohn der Angst – auch heute noch ein mehr als sehenswerter Film
Lohn der Angst und Atemlos vor Angst sind heute jedenfalls anerkannte Klassiker, die beide eine angemessene deutschsprachige Veröffentlichung verdienen. Insbesondere Clouzots Original ist dabei auch für ein heutiges Publikum noch sehr ansprechend. Wer sich an der Schwarz-Weiß-Ästhetik nicht stört, wird mit einem trotz enormer Laufzeit extrem spannenden und kurzweiligen Film belohnt. Henri-Georges Clouzot schuf hiermit sein Meisterstück. Lohn der Angst ist ein Thriller mit äußerst intensiven Actionszenen, der gleichzeitig auch als ein herausragendes Beispiel für das europäische Autorenkino gelten kann.
Unsere Wertung:
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