Nach dem stimmigen Exorzismus-Film Saint Maud liefert die britische Filmemacherin Rose Glass ihren zweiten Spielfilm nach. Kann Love Lies Bleeding ebenso als Genre-Film überzeugen?
Titel | Love Lies Bleeding |
Jahr | 2024 |
Land | United Kingdom |
Regie | Rose Glass |
Genres | Liebesfilm, Krimi, Thriller |
Darsteller | Kristen Stewart, Katy O'Brian, Ed Harris, Dave Franco, Jena Malone, Anna Baryshnikov, Orion Carrington, Matthew Blood-Smyth, David DeLao, Hilary Fleming, Eldon Jones, Catherine Haun, Keith Jardine, Jerry G. Angelo, Tait Fletcher, Jamie Javier Guerreo, Roger Ivens, Kim S. Monti, Mikandrew, Lontrell Anderson |
Länge | 104 Minuten |
Wer streamt? | Derzeit leider auf keinem Streamingdienst verfügbar. |
Die offizielle Inhaltsangabe von Love Lies Bleeding
Louise “Lou“ Langston (Kristen Stewart) fristet ein eintöniges Dasein in einer Kleinstadt in New Mexiko. Bis die aufstrebende Bodybuilderin Jackie (Katy O’Brian) auftaucht – selbstsicher, ambitioniert und verdammt sexy. Hals über Kopf verlieben sich die beiden ineinander und träumen vom gemeinsamen Ausbruch. Doch sie haben die Rechnung ohne Lous zwielichtigen Vater (Ed Harris) gemacht, der über Leichen geht, um seinen Willen zu bekommen.
Queer im Genre
Wenn die Welt sich gegen dich stellt, muss man ihr mit geballter Kraft entgegentreten. Der Crime-Film eignete sich schon immer als perfektes Vehikel für queere Geschichten. Dieser erotische Neo-Noir verwischt die Grenzen des Genres und taucht in den Untergrund der amerikanischen Südstaaten ab. Dass sich der Queerfeminismus in einem männerdominierenden Domizil widerfindet, leitet Love Lies Bleeding visuell ein: Mit einem Schwenk werden die schweißgebadeten Körper der Trainingswütenden im örtlichen Fitnessstudio fragmentiert. Die stählernen Muskeln blitzen an den Trainingsgeräten auf. Inmitten des testosterongeladenen Studios arbeitet Lou, die mit finsterer Mine und wildem Haarschnitt widerwillig ihre Zeit absitzt. Mit Männern kann sie ohnehin nichts anfangen. Doch die Atmosphäre wird schnell gebrochen, als die angehende Bodybuilderin Jackie die Manege betritt. Die Frau mit dem brachialem Bizepsumfang wird zum Objekt der Begierde. Die Neue in der Stadt kündigt bereits rein physisch die anstehende Transformation der hegemonialen Strukturen ein.
Last der Liebe
Jackie benutzt die Kleinstadt in New Mexico als Zwischenstopp für ihren großen Traum von einem Wettkampf in Las Vegas. Zunächst muss sie jedoch dieses Kaff passieren und es zeigt sich, dass sie zunächst mit den Umständen umzugehen weiß. Das Umfeld wird schnell zum düsteren Begleiter, als sie und Lou sich intensiv kennenlernen. Die Novizin gerät in den Dunstkreis von Lous krimineller Familie. Dass diese eine höchstproblematische Vergangenheit mit sich trägt, lässt sich nicht nur in Stewarts vereister Mine erkennen, sondern wird durch blutrote Zwischensequenzen auch audiovisuell angedeutet. Ihr prekäres Familienverhältnis wird geprägt von Macht, Gewalt und der Vormachtstellung ihres Vaters. Die aufkeimende Liebe zwischen den beiden Frauen lässt die vielseitigen Andeutungen kollidieren.
Von Außen und Innen
Das ungleiche Paar widersetzt sich jeglichen Stereotypen und wird in ‚Männersituationen‘ gesteckt: Lou arbeitet in der angeführten Muckibude und Jackie wird auf dem Schießstand am Stadtrand eingesetzt. Beide Standorte gehören dem gefürchteten Familienoberhaupt der Familie Langston. Dass sich die britische Regisseurin für den amerikanischen Südwesten als Standort entschieden hat, ist anhand dieser demografischen und thematischen Begebenheiten folgerichtig. Auch das Thema Bodybuilding habe Glass zu dieser Verortung geführt. Die Beziehung zwischen Lou und Jackie wird zwar durch die prägnanten äußeren Einflüsse gestört, doch auch von Innen heraus wird es toxisch: Die Einnahme von Steroiden wird zur zwanghaften Selbstoptimierung. Die Vereinnahmung dieses männlich gelesenen Schönheitsideals könnte für dessen gleichzeitige Umkehr stehen.
No Women’s Land
Die inhaltlichen Qu(e)erverweise tragen zu der visuellen Abwärtsspirale bei. Schweiß, Blut und Gestank der Unterwelt sind durchgehend zu spüren. Durch die bündige Figurenkonstellation gerät man in einen Sog des Unvermeidbaren. Für Aufrichtigkeit und Liebe scheint es in New Mexico des Jahres 1989 keinen Platz zu geben. Die fetischisierten Sexszenen werden zu dem einzig möglichen Ventil in der normativen Welt. Manchmal werden besagte White Trash Absurditäten überdrastisch zelebriert. Die Geschichte suhlt sich im eigens hergestellten Dreck, ohne den Schmutz in alle Poren zu bekommen.
Der anarchistische, radikale Ausbruch in einer schmierigen Landschaft erinnert an Terrence Malicks Badlands, wobei hier das Unheilvolle vermehrt im Inneren und nicht in den endlosen Landschaften gesucht wird. Zwar bleibt Glass‘ nicht so subtil wie in ihrem ebenso dicht erzählten Debüt Saint Maud, doch auch bei Love Lies Bleeding vermischt sie Realität und Fantasie.
Grafische und wenig zimperlich gestaltete Szenen und die Umkehr vom Inneren nach Außen weisen signifikante Elemente des Body-Horror-Genres auf. Insbesondere die Fragmentierung des Körpers, der Bruch mit Geschlechteridentität und die aufkeimende Transformation ähneln dem modernen Cannes-Klassiker Titane von Julia Ducournau. Beide Filmemacherinnen beherrschen es, ein lustvolles Gewaltspiel mit sensiblen Untertönen zu inszenieren. Bei Love Lies Bleeding ergänzt sich das Unterfangen zudem mit schwarzhumorigen Ausbrüchen.
Einfach, aber effektiv
Kristen Stewart ist als kühle, doch gleichzeitig sensible Außenseiterin die gewohnte Bank und harmoniert mit Katy O’Brian und ihrer brachialen Präsenz. Erwähnenswert seien zudem die weiblichen Figuren abseits des allgegenwärtigen Duos. Lous Schwester Beth (Jena Malone) wird von ihrem Mann verprügelt und leidet ebenso unter den bestehenden Verhältnissen. Auch das Schicksal von der naiven Daisy (Anna Baryshnikov), die besessen von Lous Aufmerksamkeit ist, scheint vorbestimmt zu sein.
In seiner Prämisse wird in dem Film nicht allzu viel Überraschendes erzählt. Dass ein Paar um die neu erlangte Liebe inmitten einer bedrohlichen Kulisse kämpfen muss, ist bekannt. Die männliche Dominanz als Feind in einem queerfeministischen Werk einzuführen – eine logische Konsequenz. Mit welchem pulpigen Wahn sich die bloße Existenz diesem schwitzenden Monstrum entziehen kann, wird zu der mit Anabolika versehrten Stärke des Films.
Unser Fazit zu Love Lies Bleeding
Trotz der narrativen Simplizität gelingt Rose Glass mit Love Lies Bleeding ein effektiver Genre-Film mit irrealen Auswüchsen. Die sperrigen Aufnahmen verbinden sich mit der undurchdringlichen Narration. Zwar werden die familiären Dynamiken und einhergehenden Intrigen zügig offenbart, die eigentliche Vehemenz spiegelt sich erst durch die schicksalhafte Bindung des Liebespaares wider. Der Filmtitel wird zur Prophezeiung der Katharsis: Retten kann man sich in der verkommenen Gesellschaft lediglich durch Blutvergießen.
Love Lies Bleeding läuft ab dem 18. Juli in den deutschen Kinos.
Unsere Wertung:
© Plaion Pictures/A24