In einer heterosexuell genormten Welt ist es schwer, sein Coming-out zu haben. Love, Simon zeigt uns, wie ein High-School-Schüler dies schafft.
Titel | Love, Simon |
Jahr | 2018 |
Land | United States of America |
Regie | Greg Berlanti |
Genres | Komödie, Drama, Liebesfilm |
Darsteller | Nick Robinson, Jennifer Garner, Josh Duhamel, Katherine Langford, Alexandra Shipp, Logan Miller, Keiynan Lonsdale, Jorge Lendeborg Jr., Talitha Eliana Bateman, Tony Hale, Natasha Rothwell, Miles Heizer, Joey Pollari, Clark Moore, Drew Starkey, Mackenzie Lintz, Cassady McClincy, Alex Sgambati, Jamila Thompson, Emily Jordan, Patrick Donohue, Terayle Hill, Tyler Chase, Haroon Khan, Joshua Mikel, Nicholas Stargel, Nancy De Mayo, Christian Ojore Mayfield, Chantell D. Christopher, Mandy Fason, Philip Covin, Campbell Godfrey, Robbie Rogers, Christopher L. Plunkett, Jessi Peralta, Carsen Rowe, Jonathan Fritschi, Matthew Laraway, Dylan Cheek, Jaidi Ventura, Danni Heverin, David Copeland Brown Jr., Bryson Pitts, Nye Reynolds, Skye Mowbray, Samantha Bulka, Baz Ma, Natalia Tureta, Briana Estevez, Jönah-Blainé Bowling, Sean O'Donnell, Collin McHugh, Abigail Houck, Jodi Houck, Josh Royston, Tyson Love |
Länge | 110 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Disney Plus, Cinema of Hearts Amazon Channel Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, MagentaTV, Microsoft Store, Videoload Leihen: Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, MagentaTV, Microsoft Store, Videoload, Freenet meinVOD |
Love, Simon – darum gehts!
Der High-School-Schüler Simon Spier hat eigentlich alles. Auf der einen Seite eine liebevolle, intakte Familie mit der kleinen Schwester Nora und den Eltern Jack und Emily. Auf der anderen Seite drei gute Freunde mit Leah, Abby und Nick. Zudem ist Simon voll integriert im gnadenlosen Mikrokosmos Schule. Hier werden Abweichungen von der Norm schnell belächelt oder mit derbem Spott überzogen.
Aber da gibt es dann noch ein nicht unerhebliches Problem. Seit etwa vier Jahren weiß Simon, dass er schwul ist. So stellt sich für ihn mittlerweile zunehmend die Frage, wann und wie er sich outen soll. Denn das Verschweigen seiner wahren sexuellen Orientierung wird nach und nach zu einer Belastung für ihn. Hoffnung schenkt ihm eine unerwartete, aber anonym gehaltene E-Mail-Brieffreundschaft mit dem unbekannten Blue. Dieser hat sich auf dem Tumblr-Blog creeksecrets, einem Portal der Schüler der Creekwood High School, als schwul geoutet. Gemeinsam besprechen sie immer offener ihre Gedanken über ein mögliches Coming-out vor Freunden und der Familie, ohne allerdings ihre Identität preiszugeben.
Ein Bestseller über eine Liebe auf dem Postweg
Love, Simon basiert auf dem Young-Adult-Roman Simon Vs. The Homo Sapiens Agenda (Im Deutschen: Nur drei Worte) von Becky Albertalli aus dem Jahr 2015. Im Großen und Ganzen hält sich Regisseur Greg Berlanti an die zugrunde liegende Geschichte, zumal die Autorin auch selbst Gelegenheit erhielt, am Drehbuch mitzuschreiben.
Dreh- und Angelpunkt der Handlung mit seiner Liebesgeschichte und der inhärenten Coming-out-Problematik ist der E-Mail-Verkehr zwischen Blue und Simon. Gerade hier zeigt sich, dass der Film doch arg kürzen muss, weil das Lesen von E-Mails cineastisch nur einen geringen Unterhaltungswert bietet. So wird die zarte Annäherung zwischen Blue und Simon sowie das feinfühlige Flirten der beiden miteinander leider in seiner wachsenden Intensität nicht wirklich spürbar dargestellt. Für den Zuschauer muss genügen, dass Simon jede freie Minute auf sein Handy schaut und sich regelrecht in die Gesprächswelt mit Blue flüchtet.
Love, Simon wirkt dadurch lange Zeit nicht wie eine Liebesgeschichte. Wir verfolgen eher eine Leidensgenossenschaft zweier Schüler, die sich unverstanden fühlen von der Welt um sie herum beziehungsweise nur im adressierten Brieffreund das offene Ohr finden, das ihnen Kraft und Akzeptanz spendet. So unterhalten sie sich beispielsweise darüber, wann sie sich endgültig klar wurden, dass sie schwul sind. Beide möchten sich zudem motivieren, das oftmals unangenehme Thema Coming-out anzugehen.
Wer ist der schwule Junge? Whodunit in Love, Simon
Damit die Brieffreundschaft im Film dennoch auch einen optischen Reiz gewinnt, entscheidet sich Berlanti zumindest für einen unterhaltsamen Inszenierungskniff. So funktioniert der Film bis zum Schluss quasi wie ein “Whodunit”-Film. Statt der Identität des Killers versucht Simon anhand der Indizien aus dem E-Mail-Verkehr die Identität des anderen schwulen Jungen an der Creekwood High School aufzudecken. Daher kommen mit der Zeit sozusagen immer neue Verdächtige ins Spiel, die sich bei wechselnder Faktenlage gegenseitig ersetzen.
Jedes Mal, wenn sich Simon sicher ist, die Identität Blues zu kennen, zeigt uns Berlanti diesen Schüler am PC sitzend, wie er Simon E-Mails schreibt. Auf diese Weise nimmt er auch den Zuschauer mit ins Boot, der ebenfalls miträtseln kann, ob der gezeigte Kandidat wirklich der richtige ist. Ohne zu viel vorwegzunehmen, lässt sich sagen, dass der Film hier durchaus gekonnt Haken schlägt. Als Zuschauer lechzt man schließlich nach der Auflösung im Finale, die durchaus gelungen ausfällt.
Liebe und Intrigen – neuer Held, alte Klischees
Obwohl Love, Simon nicht die übliche, das heißt am häufigsten dargestellte Liebe zwischen Mann und Frau erzählt und somit Potenzial für etwas frischen Wind, für eine andere Herangehensweise und Perspektive mitbringt, erscheint diese Queer-Romanze in der ersten Hälfte fast so abgenutzt und langweilig wie seine heterosexuellen Vorreiter.
Dabei soll hier gar keine spöttisch-abschätzige Haltung bezogen werden, dass die Sorgen und Nöte von High-School-Schülern letztlich doch nur durch Hormone aufgekochte Marginalien sind. Zweifellos gibt es viele Coming-of-Age-Dramen beziehungsweise -Komödien wie zum Beispiel American Pie. Diese trafen den Nerv einer ganzen Generation und avancierten damit zu Kultfilmen.
Doch Love, Simon verwendet einen großen Teil seiner Laufzeit darauf, die immer gleichen Intrigen und das “Wer liebt wen”-Spiel an einer stereotypen amerikanischen High School zu praktizieren. Natürlich entbehrt der Plot nicht einer gewissen Brisanz, die erfrischend neu und spannend ist. Denn mit einem Mal steht es auf der Kippe, ob Simon sein Coming-out wirklich selber nach seinen eigenen Vorstellungen vollziehen kann. Doch was Berlanti und die Drehbuchschreiber zumindest in der ersten Filmhälfte daraus machen, ist müdes Belügen und Vortäuschen falscher Tatsachen unter den eigentlich dick verbandelten Freunden aus Simons Clique.
Love, Simon findet erst relativ spät den nötigen Drive. Da der Film zunächst belanglose Ereignisse wie eine Hausparty zeigt, währenddessen abgesehen von einem wirklich bedeutsamen Detail überhaupt nichts Interessantes, sei es dramatisch, lustig oder skurril, passiert. Leider läuft auch die Chemie der vierköpfigen Clique, die durch verschiedene Nebenfiguren ergänzt wird, ziemlich auf Sparflamme. Um den stark aufspielenden Hauptdarsteller Nick Robinson und dessen Figur scharen sich einfach völlig austauschbare Charaktere, deren Nebengeschichten die meiste Zeit nur wie Lückenfüller wirken. Auch die dargestellten Lehrer, die am Rande auftauchen, wirken ziemlich unnatürlich und überzeichnet.
Die rosarote Welt von Hollywood-Filmen
Dafür, dass Love, Simon eigentlich ein ernsthaftes Problem behandelt und mit seinen jugendlichen Figuren auch eine ähnlich minderjährige Zielgruppe anspricht, fällt die Erzählung zu glatt gebügelt und letztlich realitätsfern aus. So lebt Simon in einer Bilderbuchfamilie mit jung gebliebenen, total verständnisvollen Eltern, bekommt zum 17. natürlich ein eigenes Auto und verabschiedet sich nach einem Pfannkuchen-Frühstück erstmal auf eine Abholtour zu seinen Freunde inklusive Kaffee-Stop am Drive-In. Dass Anderssein und hier Schwulsein im Schulkontext zu massivem Mobbing führen kann, wird entweder komödiantisch überdreht am schon geouteten, sehr weiblichen Ethan thematisiert oder durch eine engagierte Lehrerin gezeigt, die sofort zur Stelle ist, um eine Hasstirade zweier Schüler sofort in einem furiosen Monolog zu verurteilen. Besonders gegen Ende verhält sich Love, Simon wie ein herzerwärmendes Märchen, dem man emotional natürlich nur beipflichten kann.
Dass unsere Welt an allen Ecken und Enden, gerade in der Werbung, sozusagen heterosexuell genormt ist, wenn zum Beispiel ein neues Männer-Deo dem Träger des Duftes einen durchschlagenden Erfolg bei Frauen in Aussicht stellt – darauf geht der Film nur wenig und ziemlich plump ein. Da unterstellt der bemüht lässige Vater Jack seinem Sohn Simon, er würde auf seinen Laptop bestimmt gerade Unterwäsche-Bilder von Model Gigi Hadid anschauen. Love, Simon möchte uns möglichst nur mit dem Problem ‘Schwulsein’ konfrontieren. Ansonsten soll die heile bürgerliche Mittelklasse und vor allem der Protagonist vollkommen normal sein. So normal, dass der Film es nicht verpasst, dies mehrfach zu erwähnen.
Das Fazit zu Love, Simon
Eine wichtige Botschaft ummantelt in rosarotem Zuckerguss – Love, Simon erzählt das Coming-out seiner Hauptfigur leider mit angestaubten Versatzstücken des Coming-of-Age-/Teenie-Genres und auf letztlich seichte Popcorn-Weise. Insgesamt betrachtet ist dieser Film zwar ein weiterer wichtiger, weil reichweitenstarker Beitrag zur öffentlichen Anerkennung und Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Liebe. Dennoch behandelt er sein Thema im Vergleich zu kleineren und intimeren Genrefilmen zu unreflektiert. Hollywood schafft sich sozusagen sein eigenes Schwulen-Märchen.
Unsere Wertung:
© 2017 Twentieth Century Fox