Independent-Wrestling ist ein hartes Pflaster, vor allem für Frauen. In Luchadoras stellen sich vier Wrestlerinnen der Herausforderung. Ob ihnen das gelingt, erfahrt ihr in unserer Kritik!
Titel | Luchadoras - Kämpferinnen aus Mexiko |
Jahr | 2021 |
Land | Germany |
Regie | Patrick Jasim |
Genres | Dokumentarfilm |
Darsteller | Lady Candy, Miss Kath, Mini Sirenita, Baby Star, Little Star |
Länge | 93 Minuten |
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Die Handlung von Luchadoras
In Ciudad Juárez herrscht eine der höchsten Kriminalitätsraten überhaupt. Die Nähe zur US-Grenze lässt die Stadt zum Mittelpunkt der Auseinandersetzung verschiedener Drogenkartelle werden. Insbesondere für Frauen ist sie die gefährlichste Stadt auf der Welt. Kaum ein anderer Ort auf dem Planeten verzeichnet eine so große Anzahl an Frauenmorden. Missbrauch, Folter und Mord sind Bestandteil des hiesigen Alltags. Kaum Fälle werden aufgeklärt, nur wenige Täter verurteilt. Die Frauen von Ciudad Juárez suchen trotz der vorherrschenden Angst und dem “Machismo”, dem Gefühl übersteigerter Männlichkeit, einen Platz in dieser Welt. Luchadoras verfolgt den Alltag der mutigen Wrestlerinnen Lady Candy, Baby Star, Mini Sirenita und Mini Star in der Welt des Lucha Libre. Dabei steht nicht nur der Kampf mit den Männern im Vordergrund, sondern auch die Alltäglichkeit des Lebens in der Rolle als Mutter, Tochter und Ehefrau…
Ein Leben in ständiger Angst
Morde, die speziell an Frauen wegen ihres Geschlechts verübt werden, nennt man “Femizide”. Seit Beginn der 1990er Jahre wird von einer andauernden Mordserie an Frauen gesprochen, seit 1993 spricht man von Ciudad Juárez als “Stadt der Frauenmorde” in den Medien. Die Opfer werden entführt, gefoltert, gefesselt und aus der Stadt gebracht. Die Justiz hat kaum Fälle gelöst und viele Täter befinden sich noch auf freiem Fuß. Allein im Jahr 2019 suchten über 1300 Frauen Hilfe beim örtlichen Fraueninstitut. Hier werden sie durch Sozialarbeiter:innen, Anwält:innen und Psycholog:innen betreut, was einigen zumindest etwas Halt gibt.
Für die vier Protagonistinnen von Luchadoras ist diese Angst allgegenwärtig. Sie zu ignorieren, scheint dabei unmöglich. Lady Candy arbeitet in einem Bestattungsunternehmen und wird tagtäglich mit der Realität konfrontiert. Nicht nur durch ihre Arbeit, sondern auch durch die Erfahrung von häuslicher Gewalt, die sie von ihrem Ex-Mann und Vater ihrer Töchter miterleben musste. Diese Erfahrungen sind es dennoch, die sie zum Wrestling gebracht haben. Sie ist eine der vielen mutigen Kämpferinnen, die sich zumindest im Ring ihre Deutungshoheit erobern und sich dem “Machismo” stellen wollen. Sie dienen als neue Vorbilder für andere Frauen, wagen es, den Kampf mit der Stadt aufzunehmen.
Lucha Libre – eine große Tradition
Wrestling ist in Mexiko eine der bedeutsamsten Sportarten. Die Tradition des maskierten Wrestlers reicht bis in die 1930er Jahre zurück. In Luchadoras verfolgen die Zuschauer:innen auch den Weg von Baby Star und ihrer kleinen Schwester Little Star. Die Maske im Lucha Libre aufzusetzen, birgt eine große Verantwortung, denn die Maske wird auch in der Öffentlichkeit getragen, um ihren Wrestling-Charakter zu wahren. Erst zum Karriereende oder wenn in einem Match die Maske auf dem Spiel steht, kann sie abgenommen werden. Baby Star ist die Tochter des berühmten Wrestlers Estrella Roja, wodurch sie schon früh in dessen Fußstapfen treten möchte.
Sie hat es schnell nach oben geschafft, konnte in großen Arenen auftreten und avancierte zum Vorbild junger Mädchen. Ihr gelang es, den Traum zu verwirklichen, in einer Sportart erfolgreich zu sein, in der Frauen einen schweren Stand haben. Allerdings musste Baby Star nach der Geburt ihrer Tochter die Karriere hinten anstellen und kehrte wieder nach Ciudad Juárez zurück, um sowohl den Alltag als Mutter und als Sportlerin unter einen Hut zu bekommen. Innerhalb der Dokumentation erhält man Einblick in die komplexe Dualität der arbeitenden Mutter. Es sind einfühlsame Szenen mit ihr in der Arena als Performerin gegen die Männer und auf dem Spielplatz mit ihrer Tochter, um auch dieser Rolle gerecht zu werden. In Momenten wie diesen gelingt dem Regie-Duo Paola Calvo und Patrick Jasim mit Luchadoras ein intimer Blick in eine Szene, die vielen von uns sonst nie zugänglich würde.
Der Kampf um die Sichtbarkeit
Neben dem Fokus auf das Privatleben der Akteurinnen, konzentrieren sich Calvo und Jasim ebenfalls auf ihre Arbeit als Kämpferinnen innerhalb des Ringes. Von Trainingseinheiten, Wettkämpfen zwischen Frauen und “Intergender Matches” gegen Männer – alles ist dabei. Die größten Spannungsmomente erzeugen dabei die Arenakämpfe gegen die Männer. Eine spürbare Intensität, ein entfachendes Feuer an Leidenschaft, sowohl von Wrestlerinnen, als auch von der weiblichen Sektion des Publikums, ist dort spürbar.
Dadurch verstärkt Luchadoras die Bedeutung des Berufs der Wrestlerin für die Frauen, weil sie einen bestimmten Teil der Zuschauer:innen auf ihre Seite ziehen können. Ihnen gelingt es so, zu Vorbildern zu avancieren und aufzuzeigen, dass sie sich dieser Stadt nicht so einfach geschlagen geben. In einer von Männern dominierten Welt sind es solche Kämpfe, die viele junge Frauen inspirieren, auf die Straße zu gehen, um für ihr Recht auf Sichtbarkeit zu kämpfen.
Jedoch bleiben die Wrestlingkämpfe auf inszenatorischer Ebene auf der Strecke. Die Kamera ist sehr distanziert gehalten, keine wuchtigen Schnitte, es kommt kein Dynamik rein und spiegelt nicht die Ästhetik von Wrestlingsshows aus dem Fernsehen wider. Weder Fans des Sports kommen auf ihre Kosten, noch gibt man sich Mühe, neue zu gewinnen. Die Macher sind eher auf einen realistischen, unverfälschten Blick auf das Geschehen bedacht.
Unser Fazit zu Luchadoras
Letztendlich gelingt dem Duo Calvo und Jasim, ein intimes, einfühlsames Bild über Frauen in einer Nische zu zeichnen, die nicht nur im Sport gehört werden wollen. Die düstere Realität im Kampf gegen eine Welt von Machos, die Frauen für entbehrlich halten, wird nahegehend inszeniert. Es fällt leicht, mit den Frauen mitzufühlen. Ihre Motive sind nachvollziehbar, es geht ihnen, bei allen Widrigkeiten und der komplexen Handhabung ihres Alltags, vor allem um eins – wahrgenommen zu werden. In Luchadoras werden Frauen gesehen, gehört und verstanden. Die Welt des Wrestlings hat schon viele Menschen eingesaugt und ausgespuckt, es war nie einfach. Aber in der gefährlichsten Stadt der Welt wirkt es umso beeindruckender, den Kampf dieser Frauen um Erfolg und Geltung zu verfolgen. Hätten Calvo und Jasim noch mehr in die Intensität der Wrestlingkämpfe gelegt, hätten nicht nur die äußeren Umstände des Sport, sondern auch der Sport selbst von dieser Dokumentation profitiert.
Unsere Wertung:
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