Bisher tingelte Tilman Singers Luz erfolgreich über die Festivallandschaft und bekommt am 21. März 2019 nun auch einen regulären Kinostart. Freunde des Genre-Kinos dürfen sich auf einen außergewöhnlichen Beitrag aus Deutschland freuen.
Titel | Luz |
Jahr | 2019 |
Land | Germany |
Regie | Tilman Singer |
Genres | Horror, Mystery |
Darsteller | Luana Velis, Jan Bluthardt, Julia Riedler, Nadja Stübiger, Johannes Benecke, Lilli Lorenz |
Länge | 73 Minuten |
Wer streamt? | Derzeit leider auf keinem Streamingdienst verfügbar. |
Mysteriöses Wiedersehen
Mysteriöse Ereignisse in einer chilenischen Klosterschule rund um Teufelsbeschwörungen, eingeredete Krankheiten und Schwangerschaften. Die beiden ehemaligen Klosterschülerinnen und Freundinnen Luz (Luana Velis) und Nora (Julia Riedler) verbindet eine intensive und bewegende Vergangenheit. Viele Jahre später sitzt Nora in einer Bar und unterhält sich mit dem Polizeipsychologen Dr. Rossini (Jan Bluthardt) über Luz und die Geschehnisse. Zeitgleich betritt Luz blutüberströmt eine Polizeiwache, in welcher sie kurze Zeit später auf Dr. Rossini trifft. Dieser versucht nun unter Einsatz von Hypnose Licht ins Dunkel bringen.
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Ungehemmte Abschlussarbeit
Häufig stehen den Visionen der Filmemacher finanzielle Interessen der Studios im Weg. Auf Luz trifft das absolut nicht zu. Als Abschlussfilm für sein Studium an der Kunsthochschule für Medien in Köln konzipiert, hat sich Tilman Singer genretechnisch regelrecht ausgetobt und bietet unkonventionelles und referenzielles Genre-Kino. Man bekommt hier keinen Erzählfilm mit klaren vorgegebenen Pfaden serviert, viel mehr liefert uns Singer ein schwer greifbares Sammelsurium an Ideen und Story-Fragmenten. Durchschnittliche Kinogänger stellt das durchaus vor eine Herausforderung und dürfte nicht jedermann gefallen, Genre-Fans hingegen begegnen dem experimentellen Werk durchaus mit mehr Begeisterung.
Doch was macht diesen Film so anders und besonders? Das beginnt schon mit herrlich langen, auf grobkörnigem 16mm Film gebannten Aufnahmen, mit welchen die Figuren zu Beginn eingeführt werden. Trotz seiner knackigen Laufzeit von 70 Minuten hantiert Luz nicht mit hektischen Schnitten und hohem Pacing, sondern nimmt sich Zeit, die Momente entsprechend in Szene zu setzen. Die Sets wurden aus Budgetgründen einfach gehalten und versprühen mit 90er-Jahre-Deko und Requisiten stimmungsvollen Charme. In der ersten Hälfte werden die Figuren und Story-Fragmente positioniert, um mit Beginn des Hypnose-Verhörs ein herrlich verwirrendes und packendes Spiel aus Vergangenheit, Einbildung und Wahrheit auf den Zuschauer loszulassen. Mit einfachen, aber raffinierten Mitteln schafft Luz es dann, eine dichte und gialloeske Stimmung zu erzeugen, welche einen bis zum Schluss nicht mehr loslässt.
Wirrer Lichtblick des deutschen Genre-Kinos
Man tut gut daran, den Film auf sich wirken zu lassen, ohne verbissen sämtliche Story-Windungen nachvollziehen zu wollen. Nicht auf alle aufgeworfenen Fragen gibt es eine Antwort und mit dem Einsetzen des Abspanns, wird man reichlich verwirrt aus der von Singer geschaffenen Welt entlassen. Willkürlich ist das alles aber nicht und lädt zu mehreren Sichtungen und Entdeckungen ein. Schon der Name der titelgebenden Figur Luz ist nicht zufällig gewählt und bedeutet aus dem spanischen übersetzt „Licht“. Eine entsprechende Wirkung hat Luz auch auf das deutsche Genre-Kino und liefert nach Nachtmahr einen weiteren Lichtblick
Ein gutes Händchen beweist Tilman Singer auch bei der Auswahl der Darsteller. Dabei setzt er auf Theaterschauspieler, die glaubhaft und mit vollem Einsatz ihren Rollen nachgehen. Besonders überzeugend ist die Darstellung des Dr. Rossini, in welcher sich Jan Bluthardt in eine skurrile Situation nach der anderen wirft. Generell profitiert die kammerspielartige Inszenierung von den Theatererfahrungen des Ensembles.
Nebeliges und holpriges Stühlerücken
Der Projekthintergrund und das gewählte 16mm-Format zeigen es ja schon deutlich, Luz ist ein Low-Budget-Film, welcher sich mit gängigen Kinoproduktionen nicht vergleichen lässt. Mit seinem grobkörnigen Bild und eingeschränkten Setting erfordert er viel Kreativität von den Machern. Interessant zu beobachten, was man mit ein paar Stühlen und etwas Nebel alles anstellen kann. Während so in der Polizeistation eine dichte Atmosphäre erzeugt werden kann, gelingt das in der sterilen und großräumigen Bar nicht so gut. Auch der Übergang zum Hypnoseverhör verläuft etwas holprig und ergänzt den stetig wachsenden Fragenkatalog während des Films. Komplett rund ist der Film nicht, was er aber nicht sein will und auch nicht soll. Denn so bekommt man ein experimentelles und leidenschaftliches Werk, auf das man sich einlassen muss.
Mein Fazit zu Luz
Was ein 70-minütiger Trip. Luz ist nicht für jedermann und will es auch nicht sein. Eine simple Prämisse entwickelt sich durch geschicktes Spiel mit den zeitlichen Ebenen und Dimensionen zu einer wirren Hypnosesitzung der Extraklasse. Mit einfachen Mitteln täuscht und verblüfft Tilman Singer die Zuschauer. Genre-Freunde entdecken freudig Reminiszenzen an das Horror-Kino der 70er- und 80er-Jahre. Ein hochinteressanter, gialloesker Lichtblick des deutschen Genre-Kinos.
© KHM|MÉNDEZ|SINGER © Bildstörung & Drop Out Cinema