Woody Allen, eher für clevere US-Komödien bekannt, wagt sich mit Match Point das erste mal an düsteren Thriller-Stoff aus Großbritannien. Ob der Regisseur auch dafür ein Händchen besitzt, erfahrt ihr hier.
Titel | Match Point |
Jahr | 2005 |
Land | Luxembourg |
Regie | Woody Allen |
Genres | Drama, Thriller, Krimi, Liebesfilm |
Darsteller | Jonathan Rhys Meyers, Scarlett Johansson, Emily Mortimer, Brian Cox, Penelope Wilton, James Nesbitt, Ewen Bremner, Miranda Raison, Margaret Tyzack, Rupert Penry-Jones, Toby Kebbell, Alexander Armstrong, Matthew Goode, Paul Kaye, Mark Gatiss, Simon Kunz, Geoffrey Streatfeild, John Fortune, Anthony O'Donnell, Rose Keegan, Zoe Telford, Scott Handy, Selina Cadell, Georgina Chapman, Colin Salmon, Steve Pemberton, Janis Kelly, Alan Oke, Emily Gilchrist, Philip Mansfield, Mary Hegarty, Patricia Whymark, Eddie Marsan, Tina Simmons |
Länge | 124 Minuten |
Wer streamt? | Derzeit leider auf keinem Streamingdienst verfügbar. |
Worum geht es in Match Point?
Chris (Jonathan Rhys Meyers) arbeitet in der Londoner-Upper-Class als Tennis-Lehrer. Dadurch lernt er den wohlhabenden Tom (Matthew Goode) kennen, der ihn direkt zu einer Oper mit seiner Familie einlädt. So lernt Chris Toms Schwester Chloe (Emily Mortimer) kennen und die beiden werden ein Paar. Chris integriert sich gut bei der reichen Familie und heiratet Chloe nicht nur, sondern ergattert auch noch einen gutbezahlten Job bei der Firma des Vaters Alec (Brian Cox).
Es könnte kaum besser laufen. Wäre da nicht die verführerische Nola (Scarlett Johansson), erfolglose Schauspielerin und Freundin von Tom, mit der Chris schon bald eine heimliche Affäre beginnt. Auch als Tom sich von Nola trennt, besteht das Begehren zwischen Nola und Chris weiterhin. Doch beide wissen, dass sie so nicht ewig weitermachen können. Nola, welche zudem ein Kind von Chris erwartet, drängt irgendwann darauf, dass Chris alles seiner Frau Chloe beichtet und diese verlässt. Chris gerät daraufhin in ein Dilemma, dessen Druck zunehmend Einfluss auf seine Psyche hat…
Das Spiel mit dem Glück
Gleich zu Beginn wird das Thema des Films deutlich: das Glück. Ein Tennisnetz wird gezeigt, in Zeitlupe fliegt darüber ein Ball hin und her. Bis er das Netz trifft und gerade nach oben fliegt. Das Bild friert ein. Ob man Glück hat und der Ball im gegnerischen Feld landet oder ob man Pech hat und er im eigenen Feld landet, bleibt unklar. Eine ähnliche Szene spielt sich später im Film ab, die letztendlich über das Schicksal von Chris entscheiden soll. Manchmal sind es die kleinen Dinge, die Großes bewirken, so die Aussage des Films.
Harte Arbeit, Ehrgeiz, Talent – klar, das alles spielt eine Rolle, jedoch wollen wir uns oft nicht eingestehen, wie viel in unserem Leben vom Glück beeinflusst wird, über wie viele Dinge wir in Wahrheit gar keine Kontrolle haben. Hätte Chris bei der Tennisstunde Tom nie kennengelernt, wäre er nie zur Oper eingeladen worden, hätte nie Chloe kennengelernt und wäre nie Teil dieser sozialen Oberschicht geworden. Und er hätte Nola nie kennengelernt. Ob man nun bei einem Tennismatch einen titelgebenden Match Point erzielt oder ob die gesamte Zukunft von einem einzigem Zufall abhängt – Schicksal und Glück gehen bei Woody Allens Film Hand in Hand.
Auch andere Themen wie Leidenschaft, Wohlstand und Betrug werden behandelt. Letztendlich steht Chris vor der Wahl, ob er sich der feurigen Leidenschaft hingibt, eine Beziehung mit Nola eingeht und ohne Geld und Perspektive ein Kind mit ihr großzieht. Oder ob er bei der bedeutungslosen Ehe mit Chloe bleibt, einem gut bezahlten Job nachgeht und einen sozial angesehenen Status aufrechterhält. Match Point handelt von einer harten Probe und nicht nur das Glück kann darüber entscheiden, wie diese enden soll.
Die Oper als Leitmotiv
Im Kern ist die Geschichte also wie eine Oper aufgebaut. Auch Elemente einer griechischen Tragödie sind enthalten. Der Protagonist wird einer Probe unterzogen, die harmlos beginnende Handlung steigert sich und am Ende soll alles in einem Desaster eskalieren. Die Themen sind Liebe, Verzweiflung, Verrat und Zorn. Auch die Musikuntermalung dieses ansonsten eher stillen Films besteht oftmals aus bekannten Opern-Stücken. In einer Szene findet sich der Protagonist sogar in einem Dialog mit seinen Opfern wieder, welche ihn im Traum mit seinen Taten konfrontieren. Das erinnert dann schon sehr an Macbeth und ähnliche Theaterstücke. Das Beeindruckende dabei ist, wie Allen es schafft, diese Opern-Elemente geschickt in eine vollkommen realistische Handlung einfließen zu lassen. Nie wird etwas überspitzt oder dramatisiert, wie es bei Opern oft der Fall ist. Die Geschichte könnte sich genauso im echten Leben abspielen wie auf der Bühne.
In der Ruhe liegt die Kraft
Gerade die eher unauffällige Machart lässt Match Point auch als klassischen Thriller mit melodramatischen Elementen funktionieren. Es gibt keine grellen Farben, Kamerafahrten, Zooms oder sonstige inszenatorische Spielereien. Der Zuschauer beobachtet schlicht die chronologisch gezeigten Ereignisse. Lediglich die genannte Traumsequenz fällt etwas aus dem Rahmen. Dennoch beweist sich Allen hier als Filmemacher der alten Schule, der das Drehbuch vor die Inszenierung stellt. Manch einem könnte das gemächliche Erzähltempo und der unspektakuläre Look sogar etwas anöden. Vor einer gewissen Langatmigkeit sei also in den ersten zwei Dritteln, die ohnehin mehr Drama als Thriller sind, gewarnt. So richtig spannend wird Match Point erst gegen Ende, wenn ein unerwarteter Knall die Ruhe des Films durchbricht. Doch selbst dann bleibt es ein fokussierter und stiller Thriller, der die Spannung eher subtil als tosend befördert und auf Oberflächenreize keinen Wert legt.
Sinnlich oder verzweifelt: Figuren und Cast
Auch darstellerisch kann Match Point punkten. Jonathan Rhys Meyers in der Hauptrolle (in fast jeder Szene vertreten) verkörpert Chris zuerst etwas emotionslos, doch gegen Ende wird sichtbar, dass das zur Fassade seiner Rolle gehört. Die emotionale Kälte weicht dann der puren Verzweiflung, welche der Darsteller hervorragend zur Schau gestellt wird. Besonders hervorheben muss man Scarlett Johansson, welche lange vor den Avengers noch eher unbekannt war und bis dato nur mit Lost in Translation (2003) zwei Jahre zuvor an der Seite von Bill Murray auf sich aufmerksam machte.
Hier gibt sie mit ihrer verführerischen Art und und den sinnlichen Momenten zwischen ihr und Meyers dem Film einen starken erotischen Touch, weshalb es nicht verwundert, wieso sie der Hauptfigur so den Kopf verdreht. Ihr Auftreten hat außerdem etwas Geheimnisvolles an sich, so richtig durchdringen kann man zu ihrer Figur nie. Somit hat nicht nur ihr Aussehen etwas von einer Femme Fatale, also einer verführerischen, aber auch gefährlichen Frauenfigur, wie sie im Noir-Kino der 40er und 50er oft Verwendung fand. Die Nebendarsteller von Matthew Goode (Watchmen), Emily Mortimer (Shutter Island) und Brian Cox (Braveheart) fügen sich ebenfalls wunderbar in ihre Rollen als wohlhabende und etwas versnobte Menschen ein und sorgen so für ein stimmiges Gesamtbild.
Fazit zu Match Point
So gar nicht typisch für ihn verwebt Woody Allen in Match Point eine klassische Thriller-Handlung in der Jetztzeit mit den tragischen Elementen einer Oper. Und ja, auch für ernsten Stoff scheint der Regisseur ein Händchen zu haben. Das oscarnominierte, von Allen selbst geschriebene Drehbuch steht hier im Mittelpunkt, während sich die Inszenierung angenehm zurückhält, selbst dann, wenn die Ereignisse zum Ende hin erschreckend eskalieren. Auf konzentrierte, spannende Weise werden Themen wie Glück, Verrat, Verzweiflung und Leidenschaft behandelt, wobei sich das Werk stets auf einen überzeugenden Cast verlassen kann. Ein echtes Glanzstück und jedem zu empfehlen, der für Thriller und Dramen der ruhigeren Art etwas übrig hat.
Prokino veröffentlichte am 06.09.2019 den Film als Re-Release auf DVD, als VoD und auf Blu-ray. Dem Bild fehlt für Blu-ray-Verhältnisse etwas die Schärfe, ist aber, wie der Ton, noch in Ordnung. Auch die Extras fallen leider etwas mager aus. Es gibt fünf kurze Interviews mit den Darstellern und dem Regisseur. Die Featurettes sind leider nichts anderes als Ausschnitte aus diesen Interviews mit Filmszenen kombiniert, also eher eine Mogelpackung. Abschließend gibt es noch eine Galerie mit gerade einmal 10 Set-Fotos und die Trailer zum Film.
Unsere Wertung:
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