Über sechzig Jahre nach Release erscheint die Verfilmung des Literaturklassikers Moby Dick mit Gregory Peck und Orson Welles noch einmal mühevoll restauriert im deutschen Heimkino. Ob sich der Blick in die filmische Vergangenheit weiterhin lohnt oder man lieber klassisch zum Buch greift, erläutern wir in dieser Review!
Titel | Moby Dick |
Jahr | 1956 |
Land | United States of America |
Regie | John Huston |
Genres | Abenteuer, Drama |
Darsteller | Gregory Peck, Richard Basehart, Leo Genn, James Robertson Justice, Harry Andrews, Bernard Miles, Noel Purcell, Edric Connor, Mervyn Johns, Joseph Tomelty, Francis de Wolff, Philip Stainton, Royal Dano, Seamus Kelly, Friedrich von Ledebur, Orson Welles, John Huston, Carol White |
Länge | 119 Minuten |
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Die Handlung von Moby Dick
New Bedford, 1841. Nachdem der junge Matrose Ismael (Richard Basehart) in einer Herberge den polynesischen Eingeborenen Queequeg (Friedrich von Ledebur) kennenlernt und beide Freundschaft schließen, heuert das Duo auf einem Walfangschiff an.
Dessen Kapitän Ahab (Gregory Peck) scheint allerdings geradezu fanatisch von einem einzelnen sagenumwobenen weißen Wal besessen zu sein, der ihm einst sein linkes Bein kostete. Allerdings lautet die grundsätzliche Mission des Schiffes Tran zur Herstellung von Petroleum zu gewinnen, egal aus welchem Wal.
Im Laufe der Reise schafft es der knorrige Kapitän Ahab jedoch, entgegen aller Rationalität seitens des Steuermanns Starbuck (Leo Genn), auch seine Crew mehr und mehr auf seine Vergeltungsfantasie einzuschwören, womit für Männer der Pequod eine gefährliche Mission beginnt.
Nachdem Ahab den Wal namens Moby Dick zur Verkörperung des Bösen hochstilisiert, legt die Pequod nämlich – zumindest vorerst – die Waffen nieder und setzt Kurs auf das Tier. Jedoch ergibt sich der meterhohe, kampfgezeichnete Pottwal selbstverständlich nicht wehrlos und so beginnt für die Besatzung des Schiffes ein Kampf um Leben und Tod auf stürmischer See…
Verfilmung des Literaturklassikers
Die eben angerissene Handlung basiert auf dem gleichnamigen Roman des Autoren Herman Melville aus dem 19. Jahrhundert. Womöglich ist den meisten von uns der titelgebende Wal bekannt, obwohl wir den Klassiker der Weltliteratur nicht gelesen haben.
Denn Moby Dick ist im metaphorischen Sinne und als popkultureller Einfluss allgegenwärtig und erlangte seinen Ruhm vor allem durch zahlreiche Adaptionen – zum Beispiel in Hörspielen, Theaterstücken oder in der Jugendliteratur.
Als das Buch veröffentlicht wurde, waren die Kritiken zum Ursprungswerk allerdings eher verhalten. Auch wegen seines religionsspöttischen Grundtons und dem eher ungewöhnlichen Stil aus Tatsachenbericht und Abenteuerroman stieß der Roman auf ein ablehnendes Publikum.
Daraus resultierend verkaufte sich Moby Dick während der Lebenszeit Melvilles nur etwa 3000-mal. Erst nach seinem Tod erschlossen sich der Leserschaft die Dimensionen seines Werkes und so zählt Moby Dick noch heute zu den wichtigsten Klassikern der US-Literatur.
Auf den Spuren von Herman Melville
Ebenso vergleichbar verhält sich insgesamt auch die hier besprochenen Film-Adaption Moby Dick. Denn bei der damaligen Oscar-Verleihung ging man leer aus und auch das Einspielergebnis des Streifens lag weltweit nur knapp über seinem Budget.
Wer sich den Klassiker heute ansieht, darf allerdings über wunderbare praktische Effekte staunen, die den Zahn der Zeit mehr als gut überstanden haben. Zusammen mit der schönen Restaurierung in HD, die die entsättigten Farben, grobkörnigen Bildern und das an Gemälde erinnernde Framing unterstreicht, ist der fast siebzig Jahre alte Streifen optisch auch heute noch ansprechend. Insgesamt ermöglichen die gestochen scharfen Aufnahmen mit zahlreichen Blautönen ein audiovisuell sehr authentisches Gefühl der hohen See.
Überdies ist Kameramann Oswald Morris oft ganz nah dran an seinen Figuren und deren Gesichtern, so dass man deren Mimik problemlos zu dechiffrieren vermag. Dieser Umstand wirkt teilweise fast schon dokumentarisch. Insbesondere, wenn man in die kleine Subkultur und das karge Leben an Bord des Schiffes eingeführt wird. Detailreich erfolgt außerdem die Darstellung des Walfangs und dessen Verwertung. An diesen Stellen sollten Vegetarier besser kurz vorspulen! Dazu gesellen sich die schnelleren Actionszenen während der eigentlichen Jagd. Auch heute können die Wal-Attrappen in diesen optisch noch überzeugen.
Die Krux des Schauspiels und der Adaption
Nicht ganz so überzeugend ist leider vor allem das Schauspiel des Hauptdarstellers. Gregory Peck selbst spielt die Rolle des Kapitän Ahabs zwar durchaus stark, intensiv und kraftvoll. Manchmal übertreibt er allerdings in seiner Darstellung und so wirkt der gebrochene Ahab stellenweise eindimensional. Wobei das nicht unbedingt am Schauspieler selbst liegt, der sein Möglichstes tut, um die Rolle auszufüllen. Vielmehr sah Gregory Peck seine Rolle selbst als Fehlbesetzung. Als zu groß, zu attraktiv und vor allem zu jung für die Rolle des knorrigen Raubeins Ahab.
Weil das Studio dem schwierigen Stoff allerdings eher kritisch beäugte, sah sich Regisseur John Huston gezwungen mit einem großen Namen zusammenzuarbeiten. Dabei entschied er sich für Gegory Peck, der zustimmte ohne das Drehbuch gelesen zu haben – im falschen Glauben, dass er den Steuermann Starbuck spielen würde.
Womit direkt der zweite große Kritikpunkt Moby Dicks angesprochen werden kann. Natürlich gestalten sich filmische Buchadaptionen immer ein wenig diffiziler, vor allem wenn – wie bei Moby Dick – 900 Seiten geschriebenes Wort auf ihren Kern reduziert werden müssen. Ferner dann auch noch unterhalten und finanziell erfolgreich sein sollen. Dass dabei viel Substanz verloren geht, ist selbstverständlich.
Die hier besprochene Umsetzung konzentriert sich dabei insbesondere auf die inneren Konflikte, die die Figuren austragen und die Atmosphäre auf dem Schiff. Viel erzählt wird dabei nicht, weswegen sich die Erzählung vor dem Finale auch ein wenig in die Länge zieht. Die Darstellung der Figuren ist durchaus ambivalent und erzeugt Spannung, allerdings wirkt diese insbesondere aufgrund des fehlbesetzten Kapitän Ahabs oft nicht ganz glaubwürdig.
Mobilisierende Tyrannen – Unser Fazit zu Moby Dick
„Ich werde ihn von Kap Horn bis hinauf in das Polarmeer verfolgen und wenn es sein muss bis in die tiefsten Abgründe der Hölle hinab. Das hab ich mir geschworen und geb es nie auf. – Dafür seid ihr auf meinem Schiff, Männer. Um diesen weißen Wal über alle Meere zu jagen. Ja, sogar um die ganze Welt, bis er schwarzes Blut speit und tot in der See treibt.“
Und das ist schade, denn das Kernthema des Filmes ist ein überaus wichtiges. Wie schafft es ein solcher Mann nur mit der Kraft seiner Verführung seine Mannschaft auf eine persönliche Rachemission einzuschwören, eine potentielle lebensgefährliche noch dazu? Gegen einen unsichtbaren Feind, den fast niemand auf Deck je zu Gesicht bekommen hat? Woher kommt der blinde Hass gegen eine nicht unmittelbare Gefahr? Fragen, die der Film zwar aufwirft, aber leider nie wirklich intensiv ergründet.
Hierbei sind Parallelen zu faschistischen und autoritären Regierungen natürlich durchaus gewollt – und mit einem pointierteren Drehbuch und einer anderen Besetzung hätte man hier ein wirklich großes Stück Filmgeschichte, auch in einem bildenden Kontext, schaffen können. So bleibt „nur“ gutes Abenteuer-Action-Kino in einer schönen Hülle.
Unsere Wertung:
Moby Dick ist seit dem 27. August 2021 als Mediabook und DVD erhältlich.