Monsieur Pierre geht Online – Was tut man, ist man erstmal 79 Jahre alt, vegetiert seit 2 Jahren in der Wohnung vor sich hin und sucht nach Nähe und einem Ausweg aus dieser schier nie endenden Farce des Lebens…?
Titel | Monsieur Pierre geht online |
Jahr | 2017 |
Land | Belgium |
Regie | Stéphane Robelin |
Genres | Liebesfilm, Drama, Komödie |
Darsteller | Pierre Richard, Yaniss Lespert, Fanny Valette, Stéphane Bissot, Stéphanie Crayencour, Gustave Kervern, Macha Méril, Anna Bederke, Philippe Chaine, Arthur Defays, Pierre Kiwitt, Laurence Gercke, Aliocha Arbogast, Charlotte Krenz, Aurore Cordellier, Lyudmila Nesterova, Agnés Claude, Delphine Selinger, Thiebaut Zaffarana, Camille Grosjean, Clémentine Perrin, Séphora Haymann, Céline Karter, Marie Suran, Alain Pointier, Brigitte Lucas, Mathieu Barbos, Lili Robelin, Marie Bruncher, Alexandre Robelin, Tom Robelin, Gérard Colasuonno, Victoria Cyr, Xavier Richefort, Salvatore Caltabiano, Virginie Gritten, Aurélia Hascoat, Philippe Patois, Tan Win |
Länge | 99 Minuten |
Wer streamt? | Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, MagentaTV, Videoload Leihen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, MagentaTV, Videoload |
Handlung
Pierre ist ein alter Hund. Er lebt allein, abgschottet und trauert seiner verstorbenen Frau nach. Was Leben ist, dass weiß er nicht mehr. Denn es wurde ihm genommen. Was tut man, hat sich all das Glück unseres Lebens erstmal von uns verabschiedet? Weiter machen oder aufhören?…
Dass Folgende nimmt Teile der Handlung vorweg, da für die Bewertung unerlässlich!
Zusammenhang und Kritik
Pierres Familie wird uns auch unsympathisch gemacht und die einzige Sorge ist, ob Pierre noch genug Essen hat, ob er selbst einkaufen gehen kann und ob er noch lebt. Menschlichkeit wird hier schwerstens vermisst. Ins Altersheim soll er, so seine Tochter, die nicht mehr sehen möchte, wie ihr Vater in seiner chaotischen Wohnung vor die Hunde geht. Pierre ist launisch, physisch aber noch fit wie ein Turnschuh und sucht bloß nach Beachtung, etwas Aufmerksamkeit und einem Weg, aus seinem Leben, dass ihm jetzt noch geblieben ist, zu fliehen. Man bedenke an dieser Stelle den Konflikt mit der Kommunikation und den Wert des Dankes in der Familie. Wenn uns unsere Eltern aufgezogen, gepflegt und vor Schmerzen bewahrt haben, welche Verpflichtung haben wir unseren Eltern gegenüber, wenn sie alt werden? Dieser Konflikt wird zwar in Monieur Pierre geht Online nur angeschnitten, aber das reicht auch vollkommen, denn das tun gute Dramen. Sie regen zum nachdenken an.
Als seine Tochter eine vermeidliche Eingebung bekommt, ihren Vater an einer Internet-Schulung teilhaben zu lassen, eröffnen sich Pierre ganz neue Wege.
Da sind wir also. Die sozialen Medien. Ich selbst würde sie als höcht bequem und unproduktiv beschreiben, nutze sie aber auch gern, weil ich so manchmal nicht mehr vor die Türe gehen muss. Dann muss ich mir, und da stimme ich mit Pierre überein, diese ganzen Gesichter und ihre Sorgen und Ängste, nicht mehr sehen. Das ist sehr oft verführend und das Internet bietet außerdem noch so viele weitere Möglichkeiten. Bald schon werden die Menschen nicht mehr im Netto um die Ecke einkaufen gehen, sondern ihre ganze Nahrung und was sie zum Leben brauchen, im Internet bestellen und keinen Fuß mehr vor die Tür setzen. Evolutionstechnisch ein Zusammenbruch gleichermaßen und das Worst-Case-Szenario „Mensch“. Auch dazu braucht es in einem guten Drama nicht mehr, als einen Satz, der das gesprochene in den Himmel hebt. Und aus Pierre Richards Mund klingt es natürlich wie Gold. Meine Güte, was hat dieser Mann heute noch für ein Charisma. Unglaublich.
Gewisse gute Eigenschaften lassen sich aber nicht abstreiten und das Internet bietet ferner die Möglichkeit Aufmerksamkeit zu erhaschen, so wie ich es gerade tue, in dem ich euch diesen Text zumute. Ehrlichkeit währt am längsten und jeder möchte ein Stück vom Kuchen abhaben. Ich, Pierre, du und jeder andere. Nicht verstecken, sondern für sich einstehen. Nicht verleugnen, sondern gerade stehen und selbstbewusst für sich selbst sprechen. Eine weitere Botschaft, die mir in Monsieur Pierre geht Online aufgefallen ist.
Man kann Leute kennenlernen, Online bezahlen und mitunter auch tolle Frauen kennenlernen. Da Pierre nun vollkommen alleine ist und seine Tochter, wie auch seine Enkel und Enkelinnen, ihm mehr ode weniger auf den Senkel gehen, lässt er sich auf die Schulung ein und entdeckt etwas vollkommen neues an sich selbst. Eine Empathie, ein Gefühl, dass schon ewig erloschen schien. Er gibt sich dieser Zufriedenheit hin und geht eine Online-Freundschaft zu einer Frau ein, die ihm aber noch eine Menge Ärger einbringen wird…. Aber dennoch ist es ein Schritt voraus, nicht zurück und ich denke, dass das Internet in älteren Jahren auch mehr von seiner Wirkung entfacht, als bei uns, die einer jüngeren Generatioin anghören. Wenn alles selbstverständlich ist, was soll man dann mit diesem ganzen Unsinn, hä?
Soweit, so gut! Leider absolviert er den Kurs bei dem begriffsstutzigen, unbeholfenen und dümmlichen Alex, der der Freund seiner Enkelin ist. Und Pierres Tochter stiftete ihn dazu an. Insgesamt können wir also schon schwere bis gestörte familiäre Verhältnisse beobachten. Pierre Richard als Pierre (ja, echt jetzt) sorgt in Monsieur Pierre geht Online dennoch für eine Menge Spaß und Lacher, die die Handlung auflockern und insgesamt eine Menge Spaß machen. Seine Art, diese Ruhe und Stille in seinem Wesen, grandios!
Hier steckt, wie ich es von den Franzosen nicht anders kenne, Herzblut und Message drin. Das ist ganz bestimmt etwas, dass ich in der modernen Filmindustrie schmerzlich vermisse. Hier gibt es keine Effekte aus dem Computer, sondern Effekte echter Schauspielereri. Zumindest was Pierre Richard angeht.
Yannis Lespert als Alex, der in Pierres Rolle schlüpfen muss, da Pierre sich nicht im Stande fühlt, mit einer jüngeren Frau auszugehen, ist eine echte Enttäuschung, so uncharismatisch und unausgeglichen spielt er seine Rolle. Er wirkt zu keinem Zeitpunkt schauspielerisch so begabt, dass er uns emotional abholen und überzeugen kann. Sein Charakter is zwar sehr unsicher gezeichnet, aber selbst die Worte des Drehbuches müssen hier mehr Ecken und Kanten in dieser Rolle festgehalten haben. Immer derselbe Gesichtsausdruck, keine Emotionen und Fremdschämen in Perfektion bei uns Zuschauern. Das nagt sehr an Monsieur Pierre geht Online, wie ich an einem billigen Steak der Marke Netto nage, dass sich kauen lässt, wie die Sohle eines versenkten Stiefels.
Den Gesamteindruck lässt Pierre Richard dennoch hochleben und heimst alle starken Szenen, Emotionen und Dialoge ein, die hier mehr von Wert sind, als die Schauplätze und Ja, leider auch Yannis Lespert. Er hat einfach nichts zu bieten und kann in Monsieur Pierre geht Online keinerlei Akzente setzen. Schade!
Der alles entscheidene Konflikt ist natürlich, ob Pierre sich irgendwann dieser wunderschönen Frau selbst stellt oder Alex bis zum Schluss als Medium nutzt. Das Ende ist dahingehend nicht nur bitter, sondern auch herrlich enttäuschend. Die emotionalste Szene ist diese am Ende, in der sich Pierre zu erkennen gibt. Man hofft als Zuschauer natürlich, dass sie sich für ihn entscheidet und muss tatsächlich mit ansehen, wie sie den jungen und verwirrt stolzierenden, emotionslosen Alex bevorzugt.
Man muss kein Happy End finden und es muss auch nicht immer ein klischeebehaftetes schönes Ende geben, aber dieser Twist ist nahezu unverzeilich und beraubt Monsier Pierre geht Online sämtlicher Authentizität. Die Message bis dahin lautete wie folgt: Alter Mann lernt Internet kennen, lernt Dating Portale kennen, findet eine Seelenverwandte, nutzt den jungen Alex als Medium bei allen Treffen, gibt sich spät zu erkennen, eine emotionale Szene, so stark, dass mir die Tränen kamen, kommt auf uns zu und sie entscheidet sich tatsächlich noch für den jungen Alex, bis die ersten Tränen auch nur ansatzweise getrocknet sind.
Die musikalische Untermalung in jener Szene ist monumental, so einfach und das Klavier mürbend in unseren Gefühlen. Aber das rettet das leider zum Ende hin doch verhunzte Drehbuch nicht. Es beraubt die herzergreifende Geschichte um eine alten Mann, der nochmal jung sein, reden, lesen, schreiben und lieben möchte, an Emotion und Konsequenz.
Hier hat man sich entschieden, dem echten Konflikt aus dem Weg zu gehen und ein mittelmäßiges Werk, in Intention und Handlung, abzuliefern.
Das Ende ist unkonsequent geraten und hinterlässt einen sehr faden Beigeschmack, was ich sehr bedauern muss, denn hier war einiges mehr drin. Es hätte ein wunderschönes und herzergfeifendes Ende geben müssen, dass das Gute und die Liebe hätte bestätigt, die auch ein alter Mann noch verdient hat.
Dass das Drehbuch diese Tatsache so ungeschickt kaschiert, indem Alex und Pierres Geliebte ihm dann noch eine weitere und ältere Dating-Frau vorsetzen und es doch noch ein Happy-End gibt, wirkt leider wenig gefühlvoll und raubt die restlichen guten Eindrücke… Eine Tragödie. Das Drama ist das Drehbuch, nicht der Film, aus dem hätte mehr werden können… aber der Film leidet schwer darunter…
Was bleibt?
Ein unterhaltsames, gefühlvolles Drama um Pierre, einem alten Mann, der das Internet nochmal für sich entdeckt und eine neue Liebschaft kennenlernt. Ein Drama, dass mich sehr zum nachdenken anregte, aber mit seinem Ende und einem höchst unmotivierten Darsteller in seinen Reihen, leider viele gute Eindrücke ad absurdum führt.
Naja, weiter zum nächsten Film. Es gibt noch so viel zu entdecken. *PENG*
Unsere Wertung:
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