Lange Zeit mussten die Fans auf Mute warten. Regisseur Duncan Jones (Moon, Source Code) hatte Schwierigkeiten, sein Herzensprojekt finanziert zu bekommen, bis Netflix einsprang und ihm die Produktion ermöglichte. Die ersten Reaktionen sind leider geradezu vernichtend – aber ist der Film wirklich so schlecht, wie alle sagen?
Titel | Mute |
Jahr | 2018 |
Land | Germany |
Regie | Duncan Jones |
Genres | Science Fiction, Mystery, Thriller |
Darsteller | Alexander Skarsgård, Paul Rudd, Justin Theroux, Seyneb Saleh, Robert Sheehan, Jannis Niewöhner, Noel Clarke, Dominic Monaghan, Sam Rockwell, Florence Kasumba, Daniel Fathers, Kirsten Block, Eugen Bauder, Alexander Yassin, Andrzej Blumenfeld, Enya Maria Tames, Gilbert Owuor, Robert Kazinsky, Nikki Lamborn, Ulf Nadrowski, Anja Karmanski, Jarah Maria Anders, Barbara Ewing, Grégoire Gros, Robert Nickisch, Ekaterina Chapandze, Livia Matthes, Jameela Shafaq, Samir Fuchs, Asad Schwarz, Stefko Hanushevsky, Karl-Luis Vossbeck, Jenny-Francis Kussatz, Youssef Habbaoui, Rosie Shaw, Caroline Peters, Laura de Boer, Levi Eisenblätter |
Länge | 126 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix |
Schwierige Produktionsgeschichte
Als Sohn von David Bowie hat Duncan Jones eine besondere Beziehung zu Berlin. In den 1970er Jahren lebte der unvergessliche Popstar mit den extrovertierten Auftritten in West-Berlin und wurde dabei von Deutschlands schillernder Hauptstadt musikalisch stark beeinflusst. Jones selbst wuchs infolgedessen hier bei seinem Vater auf.
Es war daher schon länger ein Wunsch des Regisseurs, diese Verbundenheit filmisch umzusetzen. Bereits kurz nach seinem Erfolgsdebüt Moon kündigte er an, an einem losen Sequel zu arbeiten, das in einem futuristischen Berlin spielen sollte. Doch lange Zeit war es ihm nicht vergönnt, sein Herzensprojekt zu verwirklichen. Zwischenzeitlich sollte die Geschichte nur als Comic veröffentlicht werden, doch bis auf einige auf Twitter veröffentliche Concept-Arts kam auch dieser Plan nicht raus. Schließlich sprang Netflix ein. Außerdem wurde Mute vom German Motion Picture Fund und dem Medienboard Berlin-Brandenburg gefördert. Im Oktober 2016 begannen die Dreharbeiten dann in Berlin um im Studio Babelsberg in Potsdam.
Darum geht’s in Mute
Berlin in den 2050er Jahren. Die Stadt ist ein Moloch voller verrückter und zwielichtiger Gestalten. Hier versucht sich der stumme Barkeeper Leo (Alexander Skarsgård) soweit es geht durchzuschlagen – kein einfaches Unterfangen angesichts seiner Herkunft: Leo ist Amish und lehnt aus religiösen Überzeugungen den technologischen Fortschritt ab. Auch die offene und wilde Sexualität der Stadt stellt ihn vor moralische Hindernisse. Doch genau in dieses finstere Dickicht muss er hinabsteigen, als seine Freundin, die Kellnerin Naadirah (Seyneb Saleh), spurlos verschwindet. Dabei kreuzen seine Wege wiederholt die des amerikanischen Deserteurs Cactus (Paul Rudd) und des pädophilen Kinderarztes Duck (Justin Theroux), die als Chirurgen/Folterer für die Berliner Unterwelt arbeiten.
Die Crux mit dem Storytelling
Die Handlung an sich klingt interessant und versprüht bewusst einen gewissen Film-Noir-Vibe. Das Problem an Mute ist dabei jedoch das Storytelling, das einfach nicht zusammenpassen möchte. Der komplette Plotstrang um Cactus und Duck wirkt wie ein Fremdkörper im gesamten Film. Wiederholt fragt sich der Zuschauer somit, was das Ganze soll, weil er seltsam losgelöst vom Rest der Handlung wirkt. Am Ende wird er dann fast schon gezwungen mit der Hauptstory verknüpft – nur ist der Schaden dann leider bereits angerichtet. Aufgrund dessen plätschert der Film irgendwie dahin. Ich persönlich fand ihn zwar nicht langweilig (ein Kritikpunkt, der häufig genannt wird), doch es fehlt dem Film zweifelsohne an einem flüssigen Pacing.
Trash statt Atmosphäre
Das Setting ist dabei durchaus überzeugend. Mute macht keinen Hehl daraus, dass Blade Runner eines der Vorbilder war, und es ist schon interessant und erfrischend, dessen futuristischen Stil in Berlin eingewoben zu sehen. Geradezu als leise Zeitkritik können wir hierbei Leos Schwierigkeiten sehen, als stummer Mensch in einer Welt zurechtzukommen, die von Sprachsteuerungen abhängig ist (Alexa und Co. lassen grüßen).
Allerdings übertreibt es Duncan Jones teilweise einfach, sodass der Film mitunter viel zu überdreht daherkommt. Ich hatte zuvor erwähnt, dass es zwischendurch die Pläne gab, den Film als Comic zu veröffentlichen. Bei einigen Szenen und Figuren komme ich nicht umhin festzustellen, dass dies vielleicht in der Tat das bessere Medium gewesen wäre. So ist Mute leider nicht der erhoffte, atmosphärisch dichte Neo-Noir-Thriller geworden, sondern vielmehr ein allzu überdrehter Cyberpunk-Trash, der sich nicht so ganz entscheiden kann, ob er sich ernst nehmen möchte oder lustig gemeint sein soll.
Das ist insofern besonders schade, als dass er als ‚spirituelle Fortsetzung‘ zu Moon gedacht ist und im selben Universum wie Jones‘ Debütfilm spielt. Die Verknüpfung wird im Film durch nette kleine Anspielungen in Form von Newsschnipseln hergestellt, doch ansonsten passen die beiden Filme überhaupt nicht zusammen. Da Jones einst von einer geplanten Trilogie sprach, die zumindest lose miteinander in Verbindung stehen sollte, ist es mir ein Rätsel, warum er nicht auch in der Herangehensweise und Inszenierung klarere Parallelen gezogen hat. Das ist wirklich schade.
Mute und seine Wirkung
Ich habe keine Informationen zu den Produktionskosten finden können, doch in Moon hat Jones mit gerade mal 5 Millionen Dollar arbeiten müssen und hervorragende Arbeit geleistet. Mute hingegen hat mitunter einen seltsam ‚billig‘ wirkenden Look. Dazu kommen teilweise unterirdische Schauspieler, sodass der Streifen manchmal wie ein YouTube-Amateur-Fanfiction-Film wirkt. Die Darsteller spielen, als ob sie in einem Wettbewerb im Overacting konkurrieren. Herausnehmen möchte ich davon jedoch vor allem Justin Theroux (Mullholland Drive, The Leftovers), der den pädophilen Kinderarzt mit furchtbarer Frisur wirklich ekelerregend gut spielt. Auch war Dominic Monaghans (Der Herr der Ringe, LOST) Gastauftritt als transsexuelle Geisha irgendwie witzig und cool. Aber insbesondere in den Nebenrollen weist Mute schon einige auffallend schlechte Leistungen auf, die dem Gesamterlebnis des Films freilich nicht allzu zuträglich sind.
Der Soundtrack von Clint Mansell (Black Swan, Requiem for a Dream) gehört allerdings auf jeden Fall auf die Pro-Seite unserer Liste. Auch in Moon war Mansell für die Musik zuständig und hatte damals ein kleines Meisterwerk abgeliefert. Sein Soundtrack zu Mute ist einmalmehr gelungen und wertet den Film definitiv ein Stück weit auf.
Fazit
Mute ist in meinen Augen nicht das absolute Desaster, zu dem es einige Kritiker machen wollen. Gemessen an den Erwartungen ist der Film jedoch eine Enttäuschung. Setting und Story hatten Potenzial, doch statt dichter Noir-Atmosphäre gibt es überdrehten Trash, der an vielen Stellen einfach übers sprichwörtliche Ziel hinausschießt. Look und schauspielerische ‚Leistungen‘ tragen ihr Übriges dazu bei, dass Mute mitunter eher wie ein YouTube-Fanfilm wirkt. Das ist insofern besonders schade, als dass der Film somit trotz Referenzen nur unzureichend als ‚spirituelles Sequel‘ zu Moon funktioniert. Doch das größte Manko ist sicherlich das Storytelling. Die Handlungsstränge laufen viel zu lange zusammenhangslos nebeneinander her, um dann viel zu spät und recht gezwungen zusammengeführt zu werden.
Nichtsdestotrotz hat er in meinen die vielen völlig vernichtenden Kritiken in diesem Maße nicht verdient. Da gibt es weitaus schlechtere Filme, die einen weniger dramatischen Absturz erleben mussten. Doch dies ist vermutlich der Fluch, den die Ambitionen des Films und die daraus resultierenden Erwartungshaltungen der Zuschauer mit sich bringen.
© Netflix