Von Disney gestrichen, nun dank Netflix doch zu sehen: Der Animationsfilm Nimona schafft es zwar nicht auf die große Leinwand, ist aber seit dem 30. Juni per Streaming verfügbar. Ob sich der Kampf gelohnt hat und wir einen innovativen Animationsfilm zu Gesicht bekommen, erfahrt ihr in unserer Kritik!
Titel | Nimona |
Jahr | 2023 |
Land | United Kingdom |
Regie | Nick Bruno |
Genres | Animation, Familie, Action, Science Fiction, Abenteuer, Fantasy, Drama |
Darsteller | Chloë Grace Moretz, Riz Ahmed, Eugene Lee Yang, Frances Conroy, Lorraine Toussaint, Beck Bennett, RuPaul, Indya Moore, Julio Torres, Sarah Sherman, ND Stevenson, Mia Collins, Zayaan Kunwar, Charlotte Aldrich, Karen Ryan, Nick Bruno, Troy Quane, Julie Zackary, Randy Trager, Christopher Campbell, Cindy Slattery, Matthew J. Munn, Sommersill Tarabek, Sebastian Trager, Sadie Trager, Taryn Bruno, Lincoln Davis, Lylianna Eugene, Tim Nordquist, Maurissa Horwitz, Jake Bruno, Jarrett Bruno, Wesley Turner |
Länge | 101 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads |
Nimona – Die offizielle Handlung
Basierend auf den Graphic Novels von ND Stevenson spielt Nimona in einem namenlosen, technofuturistischen mittelalterlichen Reich, in dem ein junger Ritter namens Ballister Boldheart (Riz Ahmed) eines abscheulichen Verbrechens angeklagt wird. Er wird zum Ausgestoßenen erklärt und auf ihn wird ein Kopfgeld ausgesetzt – bis eine junge Gestaltwandlerin namens Nimona (Chloe Grace Moretz) auftaucht, die Ballister mit ihren radikalen, chaotischen Charakterzügen helfen will, seinen Namen reinzuwaschen und seine Ehre wiederherzustellen.
Disney verpasst Chance, Netflix darf jubeln
Als Disney im Jahr 2020 Fox übernahm, strich man alle Projekte von Blue Sky, löste das Studio auf und strich daraufhin die geplante Verfilmung Nimona. Später sprachen ehemalige Mitarbeiter:innen über den Film und enthüllten, dass dieser schon im Jahr 2021 ein Dorn im Auge von Disney war, da er inhaltlich nicht als rentabel für das Maus-Unternehmen galt – insbesondere mit Blick auf den chinesischen Markt. Solche Entscheidungen sind für den Giganten keine Neuheit, da in der Vergangenheit bereits einige Filme mit Themen über Queerness oder Geschlechteridentitäten der Schere zum Opfer fielen. Mit Blick auf Nimona können wir Annapurna und Netflix nur dankbar sein, denn sonst hätten wir als Zuschauer:innen einen der unkonventionellsten Animationsfilme des Jahres verpasst.
Formelhafter Aufbau mit einigen Überraschungen
Auf den ersten Blick erinnert der Animationsfilm eher an klassische Disney-Pixar-Werke (Beispiel: Onward): Ein Held und sein mutiger, lautstarker Sidekick gehen gemeinsam gegen ein großes Problem vor, entdecken dabei lang gehütete Geheimnisse und versuchen das Reich und ihre eigene Haut zu retten. Das ist natürlich ein Handlungsmuster, das wir schon sehr häufig gesehen haben. Die Ungleichheit der beiden Hauptcharaktere, ihre ständigen Meinungsverschiedenheiten und traurigen Hintergründe gehören zum Standardrepertoire des Animations-Storytellings.
Doch das Drehbuch von Nimona entpuppt sich als viel cleverer als erwartet. Der Film spielt nicht nur mit diesen Tropen und schafft es, sie geschickt zu umgehen, sondern präsentiert sich auch in seiner Darstellung und den Dialogen als äußerst humorvoll und treffsicher. Zudem passt er sich klug dem heutigen Zeitgeist an und behandelt Themen wie Toleranz, Identität und Einsamkeit, ohne dabei gekünstelt oder unaufrichtig zu wirken. Durch seine unkonventionelle Herangehensweise erweist sich die Geschichte von Ballister und der titelgebenden Gestaltwandlerin als ein unterhaltsamer Trip, der sowohl stilistisch über jeden Zweifel erhaben ist als auch langfristig nachwirkt.
Ein Film, der sowohl Kinder und Erwachsene fordert
Vor allem in seiner Charakterzeichnung überzeugt Nimona auf ganzer Linie. In seiner über 100-minütigen Laufzeit übt er sich in Geduld, seine Figuren zwischen humorvollen, dramatischen und ruhigen Momenten glänzen zu lassen. Die Konflikte wirken dabei äußerst glaubhaft. Da haben wir zum Beispiel Ballister, der unbedingt die Wahrheit ans Licht bringen möchte, aber gleichzeitig seiner Loyalität gegenüber dem Reich treu bleibt und bei jeder Gelegenheit an dessen Institution glaubt. Oder Nimonas hinterlistige und chaotische Art, die für viel Unruhe sorgt, aber im Verlauf der Geschichte ein klareres Bild von ihrem Inneren vermittelt und uns verstehen lässt, warum sie sich so verhält.
Eine der faszinierendsten Figuren im Film ist jedoch eine Nebenfigur, nämlich Ambrosius Goldenloin (Eugene Lee Yang), der innerlich zerrissen ist zwischen seiner Loyalität und seiner Liebe zu Ballister. Seine Zweifel wachsen immer weiter, je schneller die Handlung vorangetrieben wird: Ist die Person, in die er unsterblich verliebt ist, tatsächlich der größte Verbrecher des Landes ist? Komplexe Charakterentwicklungen und mutige Darstellungen zeichnen das Werk aus. Der Film traut den jüngsten Zuschauer:innen einiges zu und respektiert ihre Intelligenz. Aber auch die Eltern kommen mit cleveren Dialogen, temporeichen Actionszenen und einer einfühlsamen Behandlung von Themen wie Homosexualität oder nicht-binärer Geschlechtsidentität nicht zu kurz und erhalten Raum zur Reflexion.
Unser Fazit zu Nimona
Insgesamt gelingt es den Regisseuren Nick Bruno und Troy Quane einen der besten Animationsfilme des laufenden Jahres zu erschaffen. Mit etwas mehr Feinschliff und weniger Witzen, die sich zwischenzeitlich im Minutentakt aneinanderreihten, wäre sogar ein Sprung an die Spitze des Animations-Olymps drin gewesen. Dennoch bietet dieser “Kinderfilm” eine unterhaltsame Zeit voller Emotionen für die ganze Familie. Mit interessanten Charakteren, herausragender Animation (Erinnerungen an Arcane werden wach) und einer Handvoll bewegender Momente möchten wir Netflix und Annapurna Productions unsere tiefste Dankbarkeit aussprechen, dass wir Nimona in seiner vollen Pracht bewundern durften.
Unsere Wertung: