Kirill Sokolovs überzeugt mit seinem neuesten Werk No Looking Back erneut mit bissigem Humor, absurden Gewaltausbrüchen und gut aufgelegten Darstellern.
Titel | No Looking Back - Ohne Rücksicht auf Verluste |
Jahr | 2022 |
Land | Russia |
Regie | Kirill Sokolov |
Genres | Thriller, Action, Komödie, Drama |
Darsteller | Viktoriya Korotkova, Sofya Krugova, Анна Михалкова, Александр Яценко, Ольга Лапшина, Данил Стеклов, Виталий Хаев, Игорь Грабузов, Николай Шрайбер, Василиса Савкина, Pavel Sidorov, Ксения Макарова, Anna Egorova, Элеонора Ильченко |
Länge | 98 Minuten |
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Die Handlung von No Looking Back
Olga (Viktoriya Korotkova) kommt nach 4 Jahren endlich aus dem Gefängnis frei. Zeit genug, ihr bisheriges Leben zu überdenken. Also schnappt sie sich direkt nach Haftentlassung ihre zehnjährige Tochter Masha (Sofya Krugova) und möchte mit ihr fernab von ländlicher Umgebung neu durchstarten. Blöd nur, dass Olgas Mutter (Anna Mikhalkova), die sich während Töchterchens Knastaufenthalt um die Enkelin kümmerte, ihr Sorgerecht nicht so einfach hergeben mag…
Überraschende Herzenswärme
Nachrichten aus und über Russland werden dieser Tage eher mit Verdruss aufgenommen. Auch der neue Film von Kirill Sokolov musste teilweise den Preis für die aktuelle russische Politik zahlen. Diverse Festivals nahmen das Werk wohl aus ihrem Programm, weil No Looking Back unter anderem mittels russischer Filmförderung finanziell unterstützt wurde. Sokolov selbst äußerte sich bislang wenig pro-russisch, was auch ein Grund dafür sein könnte, dass der Streifen seine Vorführungen während der Fantasy Filmfest Nights 2022 behalten durfte.
In diesem widmet er sich, wie auch schon in seinem ersten Spielfilm Why Don’t You Just Die!, gesellschaftlichen Problemen Russlands. Das holde Patriarchat bekommt hier in einigen Nebensätzen ordentlich den Marsch geblasen. So verzeiht Oleg (Aleksandr Yatsenko) beispielsweise eine ihm durch eine Frau angetane Gewalttat. Dass diese Tat aber nur als Resultat seines toxischen Verhaltens gipfelt, ist ihm gar nicht bewusst. Sein „gönnerhaftes“ Verhalten wird nur von seiner eigenen Unfähigkeit der Selbstreflexion überschattet.
Spannend auch, dass zwei sich anfangs gar nicht kompatible Handlungsstränge sogar als ziemlich kongruent erweisen. Mehrere Frauenfiguren wünschen sich völlig unabhängig voneinander für ihren Nachwuchs ein besseres Leben als jenes trostlose Dasein, das sie selbst führen.
In No Looking Back steckt bei näherer Betrachtung sehr viel mehr Herz, Liebe und Menschlichkeit als es seine grelle Optik und grober Umgang der Menschen untereinander auf dem ersten Blick vermuten ließe.
Gut aufgelegte Mimen
Neben den slapstickhaften Humoreinlagen und der überzeichneten Gewaltdarstellung (wer übrigens ein ähnlich blutiges Spektakel wie in Why Don’t You Just Die! erwartet, wird sicherlich enttäuscht), sind es vor allem die Darsteller, die auf ganzer Linie überzeugen und ganz wunderbar über den eigentlich flachen Plot hinwegtrösten.
Besonderes Augenmerk verdient die gerade einmal 12 Jahre alte Sofya Krugova, die nicht nur Fluchen darf/kann wie ein Rohrspatz, sondern ihrer Figur verschiedene Facetten verleiht. Von vorlaut über tough bis hin zu zerbrechlich spielt sie sich durch alle Gefühlslagen einer heranwachsenden Teenagerin.
Viktoriya Korotkova und Anna Mikhalkova als Mutterfiguren, schenken sich beide in ihrer Mutterliebe jeweils nichts. Gebrochene Nasen gehören bei ihren Auseinandersetzungen noch zum kleinsten Übel. Beiden Frauen nimmt man ihre verbitterten und zu allem entschlossenen Rollen definitiv ab. Die männlichen Charaktere sind interessanterweise eher dazu verdammt, großmäulige Nichtsnutze abzubilden, deren Sinn nach Ordnung sich allein auf ihre Männlichkeit stützt.
Winning Team
Sokolov setzt auf Bewährtes: neben der Regieführung zeigt er sich erneut für Schnitt und Drehbuch verantwortlich. Auch die Kamera bedient erneut Dmitriy Ulyukaev, dessen Bilder hier nicht mehr ganz so ausgefallen daherkommen wie noch im Film von 2018. Im Vergleich zu Why Don’t You Just Die! präsentiert sich No Looking Back als weniger hektisch, ohne deshalb an Tempo zu verlieren. Hier überschlagen sich die Ereignisse nicht am laufenden Band, sondern verlaufen relativ handelsüblich. In der Filmmitte bekommt man kurzzeitig das Gefühl, es würde auf der Stelle getreten. Bevor sich diese Annahme bestätigen kann, wird jedoch alsbald die nächste Überraschung aus dem Hut gezaubert.
Langeweile kommt dennoch keine auf, da es Sokolov prächtig versteht, die Handlung mittels Rückblenden spannend zu halten und neue Perspektiven einzustreuen. Sein Faible für Western inklusive Mexican Standoff macht er auch hier mehr als deutlich.
Unser Fazit zu No Looking Back
Sokolov bleibt sich treu: No Looking Back überzeugt wie bereits Why Don’t You Just Die! mit knalligen Farben, comichafter Gewalt und – Überraschung! – viel Herz. Zwar ist Sokolovs zweiter Spielfilm nicht ganz so flott inszeniert, tritt zeitweilig sogar etwas auf der Stelle, aber noch immer ausreichend kurzweilig, um keine Langeweile aufkommen zu lassen. Highlight sind ganz klar, die superb aufgelegten Darsteller, deren Spaß am Spiel sich problemlos auf den Zuschauer überträgt.
Wie auch schon Sokolovs Erstling erscheint No Looking Back bei Pierrot le Fou. Mit entsprechend einheitlichem Design ist der Film ab dem 13.05.2022 im Mediabook (DVD und Blu-ray, Booklet und Poster) zu erwerben.
Unsere Wertung:
© Pierrot le Fou