Nach Teufelsgestalten und Meerjungfrauen beschwört Horror-Experte Robert Eggers nun den Vampir herauf. Hält sein Neuling Nosferatu – Der Untote, was die Verpackung verspricht?
Titel | Nosferatu |
Jahr | 2024 |
Land | United States of America |
Regie | Robert Eggers |
Genres | Drama, Fantasy, Horror |
Darsteller | Lily-Rose Depp, Nicholas Hoult, Bill Skarsgård, Aaron Taylor-Johnson, Willem Dafoe, Emma Corrin, Ralph Ineson, Simon McBurney, Adéla Hesová, Milena Konstantinova, Stacy Thunes, Gregory Gudgeon, Robert Russell, Curtis Matthew, Claudiu Trandafir, Georgina Bereghianu, Jordan Haj, Kateřina Bílá, Maria Ion, Tereza Dušková, Liana Navrot, Mihai Verbintschi, Karel Dobrý, Andrei Sergeev, Matěj Beneš, Marek Pospíchal, Jan Filipenský, Alex East, Christian Dunckley Clark, Andrea Miltner, Robin Finesilver, Paul Maynard, Charles Horne, Ella Bernstein, Meredith Digings |
Länge | 133 Minuten |
Wer streamt? | Derzeit leider auf keinem Streamingdienst verfügbar. |
Die Handlung von Nosferatu – Der Untote
Der junge Thomas Hutter (Nicholas Hoult) wird von seinem Arbeitgeber in die entlegende Gegend von Transsylvanien entsendet, um den geheimnisvollen Grafen Orlok (Bill Skarsgard) aufzusuchen. Dieser soll den Verkauf einer Immobilie abschließen. Doch bereits bei Thomas’ Ankunft geschehen merkwürdige Dinge. Auch der Graf scheint ein äußerst sonderbarer Mensch zu sein, während in seinem Schloss übernatürliche Ereignisse stattfinden zu scheinen. Naivling Thomas dämmert allmählich, dass Graf Orlok kein normaler Mensch, sondern eine Kreatur der Nacht ist, die zudem auf dem Weg zu Thomas’ Ehefrau Ellen (Lily-Rose Depp) ist. Diese ist daheim in der Obhut von Thomas’ Freund Friedrich Harding (Aaron Taylor-Johnson) und dessen Ehefrau Anna (Emma Corrin), doch sie plagen diabolische Visionen und Träume, die Professor Albin Eberhart von Franz (Willem Dafoe) auf der Plan rufen. Doch die todbringende Ankunft des Grafen in Wisborg ist nicht aufzuhalten…
Ein Ausreißer in der Filmografie?
Nosferatu ist in vielerlei Hinsicht ein ungewöhnlicher Film in Robert Eggers‘ noch überschaubarem Katalog. Schon sein Titel bricht mit der Konvention, die der Regisseur im Original mit The VVitch, The Lighthouse und The Northman etabliert hat. Auch stilistisch bewegt sich das Werk nicht in denselben Gefilden wie seine Vorgänger. Die simpel scheinenden, aber bis ins Detail ausgefeilten Einstellungen mit herausfordernden Kompositionen weichen größtenteils einer endlosen Flut an Eindrücken, die durch einen schnellen Schnitt aneinandergereiht werden. Vermutlich beinhaltet bereits die erste Szene im Schloss des Grafen mehr verschiedene Perspektiven als das gesamte Stummfilm-Original von 1922.
Weniger ist jedoch auch in diesem Fall mehr, und so zahlt sich dieser Stilbruch nicht aus. Zu gewöhnlich und beliebig wirkt die Präsentation. Die sprunghafte Kamera verkompliziert eine eigentlich simple Handlung bis ins Endlose. Wo Eggers‘ Identität als Filmemacher zuletzt in The Northman auch durch Action-Handlung stark durchschien, blitzt sie hier nur selten hervor. Traurig, aber wahr: Nosferatu könnte jede:r gemacht haben. Die Ecken und Kanten wurden glattgeschliffen, übrig ist eine Jumpscare-lastige Fingerübung, die kompetent das Allernötigste erledigt. Natürlich ist der Film nicht frei von atemberaubenden Bildern. Aber dafür, dass es sich um das Leidenschaftsprojekt eines derartig stilsicheren Regisseurs handelt, ist das Resultat erschreckend blutleer.
Der gesichtslose Graf
Über ein Jahrzehnt arbeitete Robert Eggers am Drehbuch seines neuesten Werks. Sicherlich kann man es also nicht als hingeklatscht oder lieblos bezeichnen. Allerdings ist es ihm nur bedingt gelungen, die Titelfigur gekonnt ins Jahr 2024 zu übersetzen. Dass sein Graf Orlok schon in seinem Design beinahe lächerlich anmutet und weder an Max Schreck noch Klaus Kinski in den vorherigen Versionen heranreicht, sei dabei außer Acht gelassen. Entscheidender ist jedoch, dass Bill Skarsgård trotz beeindruckender Stimmperformance im Grunde einen leeren Charakter mit Leben füllen muss.
Die Entscheidung, Orlok explizit zu einer Metapher für einen Triebtäter zu machen, schwächt die Figur. Sicherlich drang der bissige Adlige schon unter Friedrich Wilhelm Murnau und Werner Herzog in die Intimsphäre von Ellen Hutter beziehungsweise Lucy Harker ein, führte mit ihr eine toxische Beziehung, machte sich ihres Leibes sinnbildlich und buchstäblich habhaft. Doch in Eggers‘ Version geht jede Subtilität verloren. Murnau und Herzog fanden auch im Bösen noch die Sehnsucht, im Monster den Menschen. Orloks Suche hatte niederträchtige Motive, aber auch eine tragische Seite.
Höhen und Tiefen
Unter Skarsgård fehlt dieser Aspekt nun gänzlich. Seine Schuld ist es gewiss nicht – wenn überhaupt sind sein Aufwand und Engagement beachtlich und positiv herauszuheben -, aber sein Graf ist mit Müh und Not überhaupt ein Charakter. Nicht nur optisch ist er blass, auch in seiner Ausarbeitung bleibt er weniger Dracula und mehr der Antagonist aus der schwachen 2024er Adaption von Brennen muss Salem – eine Herausforderung für unsere Hauptfiguren, nicht aber eine Hauptfigur seiner eigenen Geschichte.
Zumindest bleibt als angenehmer Nebeneffekt, dass Lily Rose-Depps Ellen, in dieser Version explizite Missbrauchsüberlebende, auf einen etwas saftigeren Part hochgepeppelt wurde. Eggers‘ Empathie ihr gegenüber darf nicht unerwähnt bleiben. Ellens Entscheidungen und Beweggründe sind zweifelsohne substanzieller und glaubwürdiger als in vergangenen Adaptionen. Auch insgesamt gibt es natürlich lobenswerte Aspekte an Nosferatu. Alle Performances überzeugen mehr oder weniger (ein Highlight: Aaron Taylor-Johnsons affektierter Harding) und trotz Konventionalität ist die Präsentation nach wie vor kompetent. So handelt es sich hier zwar um einen herkömmlichen, aber eben einen guten herkömmlichen Horrorfilm. Vor allem scheitert das Werk an den Erwartungen, die mit der bisherigen Filmografie des Machers einhergehen.
Unser Fazit zu Nosferatu – Der Untote
Kein “Schwach”, eher ein “Schade”; Nosferatu bietet soliden Blockbuster-Grusel im Gewand eines Kunstfilms. Wirklich schaurig ist er dabei nicht und kratzt immer haarscharf an der unfreiwilligen Komik, fängt sich aber zumeist wieder. Hübsch anzusehen ist er allemal, auch der gut aufgelegte Cast ist stets bemüht und Eggers‘ Gespür für Sprache erweckt so manchen in der Theorie staubigen Dialog zum Leben. Nach einem Jahr, in dem Horrorfilme aussahen wie Speak No Evil oder Abigail, kann dieser Film somit ohne Weiteres als Positivbeispiel gewertet werden. Enttäuscht wird wohl nur, wer sich anhand der Vorschusslorbeeren und der Historie des Regisseurs auf etwas Exorbitantes freute.
Nosferatu – Der Untote ist ab dem 2. Januar 2025 in den deutschen Kinos zu sehen.
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