In der Hölle wird Dir nicht vergeben, und drin schmoren müssen wir alle – fast. In Pandemonium – Die Hölle kennt keine Vergebung entwirft Multimediakünstler Quarxx einen so düsteren wie artifiziellen Blick ins Fegefeuer. Ob man bei dem Film ins Schwitzen kommt?
Titel | Pandemonium |
Jahr | 2023 |
Land | France |
Regie | Quarxx |
Genres | Horror, Drama |
Darsteller | Arben Bajraktaraj, Ophélia Kolb, Manon Maindivide, Hugo Dillon, Sidwell Weber, Jérôme Paquatte, Carl Laforêt |
Länge | 95 Minuten |
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Die Handlung von Pandemonium – Die Hölle kennt keine Vergebung
Nach einem schrecklichen Unfall stehen sich Nathan (Hugo Dillon) und Daniel (Arben Bajraktaraj) in Pandemonium – Die Hölle kennt keine Vergebung auf einer einsamen Bergstraße gegenüber. Es dauert ein bisschen, aber schließlich begreift auch Nathan, dass sie beide tot sind. Spätestens, als sich zwei Pforten öffnen, eine weiße, aus der himmlische Harfen- und Trompetenklänge ertönen, die aber nur Daniel hören kann. Und eine rote, aus der Klänge schallen, die zunächst nur Nathan hört, und die ihn eher an Schreie erinnern. Während Daniel sich des Zugangs zum Paradies sicher wähnt, empfindet Nathan Ungerechtigkeit, da ihm nur die Hölle offen steht. Doch auch Daniel täuscht sich, denn die Himmelspforte ist nur für ein unschuldiges kleines Mädchen gedacht.
Als Nathan schließlich nicht ganz freiwillig die Höllenpforte durchschreitet, gelangt er auf eine neblige Ebene, auf der zahlreiche leblose Körper liegen. Er berührt den Körper eines Kindes. So erfährt er die Geschichte der kleinen Nina (Manon Maindivide) – und den Grund, warum sie in der Hölle schmort. Sie hat offensichtlich ihre Eltern und ihre kleine Schwester ermordet. Bei zwei anderen Körpern erlebt er das grausame Mobbing-Schicksal eines Teenagers und die Verzweiflung der überforderten Mutter. Nach diesen Visionen führt ihn ein höllischer Begleiter seinen eigenen Qualen zu. Doch am Ende besteht für Nathan wieder etwas Hoffnung – und für Autor und Regisseur Quarxx die Chance auf eine Fortsetzung.
„Was für ein schrecklicher Unfall“
Nebelverhangene Berge, dazwischen schlängeln sich die Serpentinen einer einsamen Bergstraße. Mitten auf ihr liegt Nathan, als würde er schlafen. Verwirrt steht er auf, schaut sich um. Dann hebt sich die Kamera und schwenkt auf das Wrack eines Autos. Eine Stimme: „Was für ein schrecklicher Unfall“, sagt Daniel. „Ich kann nicht glauben, dass ich so viel Glück hatte“, erwidert Nathan. Hatte er auch nicht. In Pandemonium – Die Hölle kennt keine Vergebung befinden wir uns unter Toten. Daniel ist der Motorradfahrer, den Nathan mit seinem Pkw gerammt hat, und dessen Leiche nun unter dem Wagen begraben liegt. Nathan will nicht wahrhaben, das Zeitliche gesegnet zu haben, verleugnet die Tatsache seines Todes. Erst als Daniel seinen Leichnam aus dem Wrack zieht, begreift er. Stimmungsvoll musikalisch von dröhnenden Tönen begleitet, wie Donnerschläge aus dem tiefsten Innern der Erde. Das ist atmosphärisch dicht inszeniert.
Als dann die Pforten erscheinen, entspinnt sich ein so scharfsinnig wie witziger Dialog über Schuld und Sühne. Keiner weiß zunächst, wie es weitergehen soll. „Du bist mein erster Toter“, sagt Daniel. Doch als er die himmlische Musik hören kann, wird er zusehends selbstgerechter. „Du verhältst Dich nicht wie ein guter Toter“, wirft er Nathan vor. Gut aber sind weder die Toten noch die Menschen. Als ein Auto vorbeikommt, kurz anhält, hat dessen Fahrer nur gestoppt, um Nathans Leiche zu fleddern. Und auch Daniel ist alles andere als frei von Sünde. Während das Schneegestöber sich sinniger Weise verdichtet, taucht das kleine Mädchen auf, das unschuldige Opfer des Unfalls. Sie ist die einzige, die durch die Himmelspforte kommt.
In Pandemonium lauert die Hölle überall
Ob dahinter wirklich das Paradies liegt? Wer weiß. Doch in der Vorhölle, die in Pandemonium hinter der roten Tür wartet, wird schnell klar, dass Kindheit nicht mit Unschuld gleich zu setzen ist. Man sieht Nina in ihrem Bett liegen, aus dem Off erklingen die Stimmen ihrer sich zankenden Eltern. Ein Streit, der um die Gefährlichkeit der Tochter kreist. Man sieht die Eltern lebend nur als Schattenumrisse. Während sich Nina aus dem Bett erhebt, kriechen Schattententakel über die Wände. Es folgen semidokumentarische Bilder eines Gesprächs, dass Nina offenbar mit einer Therapeutin führt. Dann ist sie wieder in ihrem Zuhause zu sehen, allein am großen Esstisch. Mit Vergnügen greift sie mit der Hand in das Marmeladenglas, bevor sie den Inhalt auf ihren Toast knallt. Endlich kann sie tun, was sie will.
Die große Freiheit des kleinen Mädchens wird zu einem surrealistischen Traum, in dem sie Tony, das Monster aus seiner Zauberhöhle holt. Denn schließlich muss es Tony gewesen sein, der ihre Eltern umgebracht hat. In einem verrückten Theaterspiel hängt sie Tony dafür an den Galgen, begleitet vom Applaus eines imaginierten Publikums. Am Ende erlangt dann auch der Backofen, der schon zuvor ins Bild gerückt war, seine Bedeutung. Und wenn Nina mit kleinen Engelsflügeln auf dem Rücken anstimmt zu singen: „Oh liebe Feuerwehr, das Haus steht in Flammen“, ist endgültig klar: Das Böse wuchert überall.
Unzusammenhängende Episodenstruktur
Von dem geistreichen Witz und der Ironie, mit der Quarxx trefflich zu unterhalten weiß, ist dann in der dritten Episode nicht mehr viel zu spüren. Doch auch hier geht es letztlich um die Verweigerung, die Realität anzuerkennen. Und vielleicht ist es gerade dieses Element, dass die drei Episoden von Pandemonium ein wenig zusammenhält. Denn das größte Problem des Films ist die fehlende Stringenz, die Unausgewogenheit, die einen auf der Suche nach einem Sinn alleine lässt. Am Ende fragt man sich: Was soll das Ganze eigentlich? Vieles ist lustig, anderes geistreich. Vor allem aber ist alles fantastisch bebildert.
Etliche filmische Zitate geben dem Film zusätzliche Würze. Wenn sich Nathan schließlich von einer Monstererscheinung in das Tor drängen lässt, erinnert dieses Monster aus schwarzem Rauch deutlich an Stranger Things. Und die Vorhölle, in der er landet, wirkt wie eins zu eins aus Lucio Fulcis Über dem Jenseits aka Die Geisterstadt der Zombies entnommen. Es dürfte mehr zu finden sein. Überhaupt lohnt es sich, Pandemonium wenigstens ein zweites Mal anzuschauen. Manches offenbart sich in der Bilderfülle erst später. Und vielleicht erschließt sich dann auch der Sinngehalt des Films.
Alles nur ein Spiel?
Vielleicht aber findet der sich auch im letzten Akt, wenn sich Nathan der ersten Stufe seiner ewigen Verdammnis ausgeliefert sieht. „Das gefällt mir gerade gar nicht“, sagt er zu seinem Führer. Doch dem ist das ziemlich egal. „Nach dem Tod ist nur noch die Hölle. Die Menschheit ist von Natur aus böse.“ Und er stößt Nathan in einen düsterrot beleuchteten Raum, in dem Monster Billy schon auf ihn wartet. Billy könnte direkt einem EC-Horror-Comic entsprungen sein. „Willst Du mit mir spielen?“, fragt er Nathan. Dessen eingeschüchtertes „lieber nicht“ nutzt ihm wenig. Billys Spiel mit Nathan ist ähnlich brutal wie Quarxx‘ Spiel mit dem Publikum. Alles nur ein Spaß?
Unser Fazit zu Pandemonium – Die Hölle kennt keine Vergebung
Der reinste Horror oder doch nur ein ironisches Spiel mit den Erwartungen? Pandemonium – Die Hölle kennt kein Erbarmen lässt sich nicht so einfach einordnen. Zu mehrdeutig sind die Anspielungen und Verweise. Davon abgesehen ist der Film von Quarxx eine fantastisch bebilderte und stimmungsvoll inszenierte Vision der Hölle. Das Problem ist der zumindest auf den ersten Blick fehlende Zusammenhalt der einzelnen Episoden. Man vermisst einen roten Faden, was aber durchaus beabsichtigt sein könnte. Das Beste aber ist der erste Akt mit seinen geistreich-ironischen Dialogen, das Changieren zwischen Schuld und Unschuld, Reflektion, Akzeptanz oder Verweigerung. Ein Film, der einen zweiten Blick verdient hat.
Pandemonium – Die Hölle kennt keine Vergebung ist ab dem 13. Juni 2024 als Download erhältlich, ab 20. Juni auch als Leihfassung. Am 4. Juli erscheint der Film auf Blu-ray und DVD.
Unsere Wertung:
© Tiberius Film