Pieces of Woman erzählt die Geschichte von Martha, die nach einer herzzerreißenden Hausgeburt nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit ihrem Partner und ihrer Familie kämpfen muss, um eine Kluft der Trauer zu überwinden.
Titel | Pieces of a Woman |
Jahr | 2020 |
Land | Canada |
Regie | Kornél Mundruczó |
Genres | Drama |
Darsteller | Vanessa Kirby, Shia LaBeouf, Ellen Burstyn, Sarah Snook, Iliza Shlesinger, Benny Safdie, Molly Parker, Steven McCarthy, Tyrone Benskin, Frank Schorpion, Harry Strandjofski, Domenic Di Rosa, Jimmie Fails, Juliette Casagrande, Gayle Garfinkle, Vanessa Smythe, Nick Walker, Sean Tucker, Alain Dahan, Joelle Jérémie, Leisa Reid |
Länge | 126 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads |
Die Handlung von Pieces of a Woman
Martha (Vanessa Kirby) und Sean (Shia Labeouf) erwarten ihr erstes gemeinsames Kind. Es soll eine Hausgeburt werden, auf die sie sich zusammen mit einer Hebamme vorbereitet haben. Leider ist diese, als die Wehen immer stärker werden, noch bei einer anderen Geburt. Also muss Ersatz her. Eine Hebamme, die Martha und Sean nicht kennen. Erste Komplikationen treten auf. Martha beharrt darauf zu Hause zu bleiben und dann ein kurzer Schrei. Freude. Glück. Sekunden später jedoch Trauer und Entsetzen, denn Marthas Baby stirbt in ihren Armen.
Wir sitzen vor einem Haufen Scherben. Nicht den Scherben eines Spiegels, sondern dem eines Menschen. Pieces of Woman möchte uns diesen Scherbenhaufen zeigen. Jeden einzelnen Bruch und jedes einzelne Stück, das diesen Menschen ausgemacht hat. Im Zentrum befindet sich jedoch eine Frage: Was macht eine Frau, nachdem ihre Schwangerschaft mit Tod und nicht mit Leben endet? So entfaltet sich ein Film über Trauer und dessen Bewältigung
Ein Auftakt, der es in sich hat
Pieces of a Woman ist ein Drama, welches durch Kornél Mundruzcó realisiert wurde. Einigen mag er durch den ungarischen Genrefilm White God bekannt sein in dem eine Armee von Straßenhunden auf den Hass der Menschen und die Zuneigung eines Mädchens trifft. Ein spannender Genremix, der gesellschaftskritisch ist, inszenatorisch mitreißt und international für Aufsehen sorgte. Das Drehbuch rund um Martha und Sean schrieb Mundruzcós Frau Kata Wéber. Sie schöpft dabei aus eigenen, aber auch den Erfahrungen einer Vielzahl an Frauen, die ihr Kind verloren haben. Durch diese Mischung entsteht in Pieces of a Woman ein ganz merkwürdiges Konstrukt aus absoluter Nähe und unpersönlicher Dramatik. Eine Welt, die Mundruzcó und Wéber im Verlauf des Films zum Verhängnis wird.
Die ersten 30 Minuten von Pieces of a Woman stellen wohl einen der anstrengendsten und zermürbendsten Einstiege eines Films dar. Nach einer kurzen Einführung der Protagonisten, erleben wir in einem einzigen Shot die Geburt von Martha und Seans Kind. Vom Platzen der Fruchtblase, über immer stärker werdende Wehen bis hin zur Geburt des Babys und darüber hinaus. Mundruzco kommt dabei ohne spürbare Schnitte aus und zieht uns mithilfe einer sehr nahen und durch die Szenerie schwebende Kamera immer weiter ins Geschehen. Eine sowohl überaus persönliche als auch eindringliche Atmosphäre entsteht, die uns langsam die Luft zum Atmen nimmt, ohne dass wir es merken. Ein quälender, aber auch stilsicherer und vor allem souveräner Einstieg in die Scherbenwelt von Martha. Es stellt sich die Frage: Wird der Rest des Films diesem grandiosen Auftakt gerecht?
Nach dem Aufstieg folgt der Fall
Leider nein und das obwohl Pieces of a Woman im Kern durch starke Performances überzeugt und mit Vanessa Kirby eine Hauptdarstellerin gefunden hat, die mit unvergleichlicher Anmut und Präzision durch ein mehr als überladenes Drehbuch manövriert. Neben einigen kleineren Rollen in Romantic Comedies und dem Mission Impossible Franchise, stellt dies Kirbys erste Hauptrolle dar. Wer jedoch die ersten beiden Staffeln The Crown mit ihr als Prinzessin Margaret gesehen hat, kann ihr eine gewisse Gewitztheit und natürliche Leidenschaft nicht absprechen.
Im Falle von Pieces of a Woman wandelt sich diese positive Ausstrahlung, denn ihr wird eine deutlich düstere und emotional kältere Farbpalette an die Hand gegeben. Es hilft dabei nicht, dass wir innerhalb der ersten Minuten des Films kaum etwas über Martha erfahren. Sie befindet sich auf einer Baby – Party in ihrem Büro und steht kurz vor ihrem Mutterschaftsurlaub. Um sie herum Kollegen, von denen wir meist nicht mehr sehen, als eine Hand oder den Hinterkopf. Martha erhält eine ähnlich tiefe Charakterisierung, denn neben Floskeln und bedeutungslosen Gesten, bleibt sie eine leere Hülle. Im Nachhinein entfaltet sich diese Leere als großer Fehler, denn anstatt sie mit Unsicherheit, Angst und Vorfreude zu füllen, wird uns ihr Charakter lediglich durch ihre Außenwelt und Nebenrollen nähergebracht.
Es geht in die falsche Richtung
Symptomatisch dafür Ehemann Sean, der auf seine ganz eigene Art mit Martha und dem Tod seines Kind versucht umzugehen, scheitert und alten selbstzerstörerischen Mustern verfällt. Das klassische Bild des trinkenden Ehemanns, der zugleich sexuell frustriert ist und sich anderweitig befriedigen lässt, wird nach und nach ausgerollt. Ein vielschichtiges Feindbild soll erzeugt werden, ohne dass im Vorhinein eine wirklich Grundlage dafür geschaffen wird. Einzig Shia LaBeouf lässt uns hoffen, wenngleich das Skript ihm nicht allzu viel Raum zur Entfaltung gibt. Einerseits müssen Rollenbilder erfüllt werden, anderseits hat man einen starken Schauspieler, von dem wir spätestens seit The Peanutbutter Falcon wissen, dass er wesentlich mehr zu bieten hat. In Pieces of a Woman verkommt er zum Bösewicht, während er schon fast kopflos auf den Abgrund zuläuft und wir nichtssagenden zusehen.
Neben Seans Schicksal gehen auch subtile Entwicklungen von Martha gekonnt in einer Flut aus Emotionslosigkeit unter. Wer nach dem grandiosen und vor allem quälenden Auftakt auf eine Belohnung hofft, wird enttäuscht. Statt einer emotionalen Reise bewegen wir uns nach der Geburt auf festgetretenen Pfaden , die lustlos abgelaufen werden. Anstelle eines emotionalen Höhepunkts á la Marriage Story verlieren wir Minute um Minute die Verbindung zu Martha, während sie abgewandt von den Augen des Zuschauer versucht mit ihrer Trauer umzugehen.
Unser Fazit zu Pieces of a Woman
Seitdem die ersten Kritiken veröffentlich wurden, drehte sich alles um Vanessa Kirby und ihre starke Performance im phänomenalen Auftakt. Punkte denen ich anstandslos beipflichte und dennoch findet sich hier ein Zitat von Sean:
„Martha’s fine. She’s always fine.“
Normalerweise stehen solche zu Beginn des Films hinausposaunten Sätze für das Motiv des Films. Im Falle von Pieces of a Woman steht Seans Aussage jedoch für wesentlich mehr. Die Kinematographie ist in Ordnung, ebenso der Schnitt, der sich in keinster Weise aufdrängt und im Zwischenspiel der Charaktere förmlich verschwindet. Darüber hinaus geht es Pieces of a Woman jedoch keines Wegs gut, denn nichts ist so, wie es war und doch ist alles gleich. Die berühmte Achterbahn der Gefühle verkommt nach der ersten Kurve zu einer lahmen Runde auf dem Karussell. Abschließend greife ich nochmals die eingangs erwähnte leere Hülle auf, denn so ganz richtig ist das nicht. Mundruzco und Weber brachten spürbar so viele Einflüsse und Erfahrungen von außerhalb mit in ihren Film, dass er verwässert und wenn man alles erzählen will, erzählt man eigentlich gar nichts.
Pieces of a Woman ist seit 07. Januar auf Netflix verfügbar.
Unsere Wertung:
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