Céline Sciamma liefert uns mit Porträt einer jungen Frau in Flammen einen feministischen Blick auf das 18. Jahrhundert. Weswegen der Film trotzdem hochaktuell ist und auch abseits seiner Botschaft als einer der besten des Jahres brillieren kann, erfahrt ihr in dieser Kritik.
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Titel | Porträt einer jungen Frau in Flammen |
Jahr | 2019 |
Land | France |
Regie | Céline Sciamma |
Genres | Drama, Liebesfilm, Historie |
Darsteller | Noémie Merlant, Adèle Haenel, Luàna Bajrami, Valeria Golino, Christel Baras, Armande Boulanger, Guy Delamarche, Clément Bouyssou, Michèle Clément, Cécile Morel |
Länge | 122 Minuten |
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Worum geht es in Porträt einer jungen Frau in Flammen?
Wir befinden uns im 18. Jahrhundert. Die junge und weltoffene Malerin Marianne (Noémie Merlant) reist zu einer abgelegenen Insel, um dort ein Hochzeitsporträt der jungen Frau Héloïse (Adèle Haenel) zu malen. Dieses Vorhaben ist leichter gesagt als getan, denn Héloïse weigert sich, gemalt zu werden. Der Grund dafür ist simpel: Sie möchte eigentlich gar nicht heiraten, doch ihre Mutter hat die Ehe engagiert. Deshalb entschließt sich Marianne dazu, das Gemälde heimlich anzufertigen. Mit der Zeit kommen sich die beiden Frauen näher und entwickeln Gefühle füreinander. Diese Prämisse nutzt der Film, um eine intensive Liebesgeschichte zu erzählen, die auch das Thema Kunst und die Emanzipation der Frau behandelt.
Die Flamme der Liebe
Der Titel stellt das Motiv der Liebe überaus passend dar, denn die Liebe der beiden Figuren verhält sich ebenso wie eine Flamme. Sie knistert zunächst vor sich hin, bis sie sich endlich entfachen kann. Doch einmal entfacht, entsteht ein wunderschönes Feuer. Ein Feuer, das seinen Zuschauer auf hypnotische Weise in seinen Bann zieht. Ein Feuer, das darauf wartet, sich auszubreiten, doch es ist eben auch die am stärksten leuchtende Flamme, an der man sich am schmerzhaftesten verbrennt. Die Liebe der beiden Frauen ist nämlich alles andere als einfach. Zum einen wär da natürlich die engagierte Heirat, zum anderen aber auch das Thema der Homosexualität. Besonders faszinierend ist, dass dies kaum groß thematisiert wird, stattdessen setzt der Film auf Subtilität. Der Zuschauer weiß schließlich, dass Homosexualität im 18. Jahrhundert einen Tabu-Bruch darstellt. Zudem wird es zum Symbol der Emanzipation, da Héloïse aus ihrem vorbestimmten Schicksal ausbrechen möchte.
Die Emanzipation der Frau
Abgesehen von der außergewöhnlichen Liebesgeschichte gibt es noch einige weitere Indizien für den Feminismus, der hier eine zentrale Rolle einnimmt. Es sind typische Probleme, die der Film mal mehr, mal weniger subtil behandelt. Beispielsweise ist es Marianne nicht erlaubt, Aktbilder von Männern zu malen. Héloïse ist in ihrer Rolle ebenso gefangen wie auch auf ihrer Insel. Somit verpasst sie wesentliche Bestandteile des Lebens, welche ihr nun ihre Geliebte beizubringen versucht. Zu diesen Bestandteilen gehören beispielsweise die Musik, Liebe und Freiheit. Die weiten Naturaufnahmen sind zwar wunderschön mit anzusehen, doch sie täuschen auch, da sie die Einsamkeit der jungen Frau aufzeigen.
Selbst das Thema der Abtreibungen wird behandelt, hierzu möchte ich aber nicht zu viel vorwegnehmen. Untermalt wird die feministische Ader aber vor allem durch den Cast, denn es finden sich ausschließlich Frauen in den Rollen wieder. Jeder Mann, der sich nun in seiner Männlichkeit angegriffen fühlt, kann aufatmen. Es wird kein Geschlecht auf ein Podest gehoben und so schafft es der Film, seine Botschaft nicht zu dick aufzutragen und Männer ebenso wie Frauen in seinen Bann zu ziehen. Zudem bleibt die Grundgeschichte so greifbar, dass sich wohl jeder in einigen Szenen wiederfinden kann.
Hypnotisch wie ein Feuer in der Nacht
Obwohl die (verbotene) Liebesgeschichte im Grunde recht simpel ist, ist sie unheimlich intensiv. Selten ist mein Herzschlag so mit dem der Protagonistin mitgegangen wie in diesem Film. Das ist zu einem ganz großen Teil dem authentischen und subtilen Schauspiel der beiden Hauptfiguren zu verdanken, aber auch der hypnotischen Inszenierung, da sie sich an geheimnisvollen und teilweise surrealen Momenten bedient, dass es mir schwer fiel, meine Augen vom Geschehen abzuwenden. Daher fiebert man auch ohne viel Melodram oder künstlich erzeugten Emotionen mit den Charakteren mit und obwohl es eine sehr ruhige Geschichte ist, fühlt sie sich zu keiner Sekunde zu lang an.
Der Grund dafür ist, dass sich alles in dem Film auf das Wichtigste reduziert: Schauspiel, Kamera, Gestik, Dialog und Musik sind bedächtig gewählt, dass es ausnahmslos einen Mehrwert für die Handlung bietet. Es wird z.B. nur in drei Szenen Musik verwendet, was von Sciammas großem Vertrauen in ihre Geschichte zeugt. Zudem wird die Musik jedes Mal im Film erzeugt und trägt einen wichtigen Teil zur Handlung bei, wodurch der Einsatz der Musik authentisch und umso intensiver auf den Zuschauer einwirkt. Es gibt in einer Schlüsselszene beispielsweise einen 2001: Odyssee im Weltraum–ähnlichen Chorgesang, von dem mir die Arm-Härchen gefühlt heute noch hochstehen. Selbst die detailgetreuen Kostüme wirken unbewusst auf das Seherlebnis ein, da sie je nach dem Wohlbefinden der Figuren in ihrem Umfang und in ihrer Enge variieren. Der hypnotische Effekt wird dann abschließend mit der Kamera hinzugefügt, die ruhig und ebenso wie ein Gemälde durchkomponiert ist.
Mein Fazit zu Porträt einer jungen Frau in Flammen
Porträt einer jungen Frau in Flammen gelingt etwas ganz Besonderes, denn der Film fesselt den Zuschauer so stark an sich, dass sich die Gefühle der Figuren auf den Zuschauer projizieren. Dies gelingt aber nur, wenn sich das Publikum auf ihn einlässt, denn die Atmosphäre ist sehr ruhig und das Schauspiel eher subtil. Es wird auf großes Melodrama verzichtet, bis die Handlung zu einem konsequenten Ende gelangt. Die Inszenierung ist bis ins kleinste Detail bedacht, wodurch Céline Sciamma eine packende Liebesgeschichte über Emanzipation, Kunst und Freiheit auf der Leinwand präsentiert. Das Geschehen ist genauso schön wie ein Gemälde: Szenenbilder, Kostüme, Kamera, Schauspiel, Musik, alles entführt den Zuschauer auf poetische Weise in das 18. Jahrhundert, während dieser im Grunde eine zutiefst moderne Romanze sieht. Somit ergibt sich nicht nur eine der hypnotisierenden Romanzen des Jahres, sondern auch allgemein einer der besten Filme, die in letzter Zeit über die Leinwand flimmerten.
Porträt einer jungen Frau in Flammen startet am 31. Oktober 2019 in den deutschen Kinos.
Unsere Wertung:
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