Andreas Dresens Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush war einer der gefeierten Filme auf der Berlinale. Hauptdarstellerin Meltem Kaptan bekam für ihre Performance den Silbernen Bären. Ob die Lobeshymnen gerechtfertigt sind, erfahrt ihr in dieser Kritik!
Titel | Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush |
Jahr | 2022 |
Land | France |
Regie | Andreas Dresen |
Genres | Drama, Historie |
Darsteller | Meltem Kaptan, Alexander Scheer, Charly Hübner, Abdullah Emre Öztürk, Nazmi Kırık, Sevda Polat, Jeanette Spassova, Abak Safaei-Rad, Alexander Hörbe, Devrim Deniz Aslan, Teglat Kas Hana, Ronny Miersch, Martin Stange, Julia Titze, Simone Désirée Ullbrich, Sabine Urban, Claudiu Mark Draghici, Hüseyin Ekici, Mehmet Yilmaz, Mert Dincer, Christa Rockstroh, Jonathan Failla, Tom Zahner, Yasar Cetin, Christoph Jacobi, Stacy Thunes, Tim Williams, Safak Sengül |
Länge | 119 Minuten |
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Die Handlung von Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush
Es ist Oktober 2001. Hausfrau und Mutter Rabiye Kurnaz (Meltem Kaptan) lebt ein einfaches Leben in Bremen gemeinsam mit ihrem arbeitenden Ehemann und ihren drei Söhnen. Als eines Nachts ihr ältester Sohn Murat wegbleibt, ruft das die besorgte Mutter sofort auf den Plan ruft. Durch ein Telefonat erfährt sie, dass Murat sich am Flughafen Frankfurt befindet, um eine Glaubensreise zu unternehmen. Der Kontakt reißt anschließend ab, und Rabiye hat fünf Jahre keinen Kontakt mehr zu Murat. Der Grund dafür ist, dass ihr Sohn verhaftet und auf den amerikanische Marinestützpunkt Guantanamo, in dem die Amerikaner ein Gefangenenlager für Terrorverdächtige unterhalten, verschleppt wurde.
Aufgrund einer fehlenden deutschen Staatsbürgerschaft, ist für Rabiye keine Hilfe der deutschen Behörden zu erwarten. Als Menschenrechtsanwalt Bernhard Docke (Alexander Scheer) den Kontakt sucht, schöpfen Rabiye und ihre Familie neue Hoffnung. Er übernimmt den Fall und reist zusammen mit Rabiye nach Washington, um eine Freilassung Murats durchzusetzen. Es heißt nun Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush und ein zermürbender Kampf gegen die Mühlen der Bürokratie beginnt…
Rabiye Kurnaz – eine Heldin aus der Mittelschicht
Geschichten stehen und fallen oftmals mit ihren Held:innen. Meltem Kaptans Performance als sorgenvolle Mutter Rabiye Kurnaz gehört wohl zu einen der wärmsten und lebensbejahenden Auftritten, die wir bisher in diesem Kinojahr erleben durften. Andreas Dresen und Drehbuchautorin Laila Stieler gelingt die Kür, aus Rabiye nicht nur als eine sorgenvolle und liebende Mutter zu skizzieren, sondern ebenfalls als politische Kämpferin. Sie steigt auf, zu einem Symbol für den Kampf der ausländischen Mittelschicht der Bevölkerung gegen eine Politik, die Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft als Menschen zweiter Klasse ansehen.
Sie erweist sich als eine politische Akteurin, die ohne großes Verständnis dieser komplexen Thematik in en Kampf zieht. Diese Naivität und die emotionale Hingabe für ihren Sohn schaffen eine emotionale Verbindung zum Publikum. Ebenso zu erwähnen ist ihr sehr spezieller Humor und ihre sehr lebensbejahende Sicht auf die Dinge. Ihr Wille, immer an das Gute in den Menschen zu appellieren, ist genauso bemerkenswert. Sie stellt, wenn man ihren Charakter analysiert, schon eine sehr komplexe Persönlichkeit dar, was man nicht auf dem ersten Blick vermuten würde. Meltem Kaptans hervorragendes Schauspiel trägt den Film und rechtfertigt jegliche Lobpreisungen und Auszeichnungen, wie den Silbernen Bären der 2022er Edition der Berlinale.
Ebenso loben muss man die Performance von Alexander Scheer, dessen stoischer und rational agierender Anwalt Bernhard Docke ein wunderbares Gegenstück zu Rabiye bildet. Sein Engagement und seine harte Arbeit, mit der er sich gegen die sich auftürmenden Hürden stemmt, sind ein Hoffnungsschimmer im politischen Kampf gegen die Bürokratie.
Episodisch und trocken inszenierte Handlung
Bei aller Emotionalität und Mitgefühl für die Hauptfiguren, hat Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush eine sehr episodische Erählstruktur, die langatmig und trocken inszeniert wirkt. Zum einen scheint es natürlich sehr passend, um den bürokratischen Prozess und diesen Alptraum aus Papierstapeln und Dokumenten in dieser Weise zu präsentieren. In der Realität könnte es ähnlich aussehen – nämlich ermüdend und emotional auslaugend. Diese Gefühlsebenen werden auch zwischenzeitlich erweckt, sie helfen der Handlung jedoch nicht immer weiter, weil auch die einzelnen Szenen sehr episodisch wirken. Das Publikum verfolgt schließlich einen mehrjährigen Prozess. Auf der anderen Seite entstehen dadurch in der zweiten Hälfte deswegen einige Längen. Denn in der Geschichte werden emotionale Höhepunkte an Stellen gesetzt, an denen man eigentlich den Eintritt der Dramaturgie in den Endspurt erwarten würde, während die Handlung jedoch im normalen Tempo weiter voranschreitet.
Dresen und Stieler verfehlen dadurch das Ziel, dieser doch sehr trockenen Thematik mehr Dynamik und Tempo zu verleihen. Schließlich ist die emotionale Verbindung mit den Figuren da, man sollte sie nicht für eine bestimmte Form der Inszenierung opfern.
Das politische Kino in Deutschland – eine Bestandsaufnahme
Es scheint so, als würde das sogenannte „neue politische Kino“ in Deutschland sich wieder auf die Beine erheben. Nach den über weite Strecken durchwachsenen Kritiken auf Filmfestivals und eine Nicht-Beachtung bei den Oscars, musste das politische Drama Und morgen die ganze Welt von Julia von Heinz sehr viel einstecken und hinterließ nicht genutztes Potenzial für politische Dramen im deutschen Kino. Ein persönlicher, observierender Film, der Emotionen auslösen soll, aber durch seine schwache Handlung nicht vollkommen den Sprung schaffte. Eine weitreichende Konversation um das politische Geschehen innerhalb Deutschlands, konnte somit nicht nach Vorne gebracht werden.
Aber es scheint sich was zu tun. Mit Curveball – Wir machen die Wahrheit gelang Johannes Naber eine spitzzüngige Satire über die politischen Fehler der Vergangenheit, Fehlinformationen und der Langsamkeit Deutschlands in Sachen Digitalisierung. Mit Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush kehrt Regisseur Andreas Dresen wieder in ein bekanntes Terrain zurück. Bereits mit Gundermann bewies er die Fähigkeit, ein emotionales Drama mit politischen Botschaften zu kombinieren.
In seinem neuestem Drama möchte er die bürokratischen Probleme Deutschlands vorführen, aber auch gleichzeitig einen Zorn beim Publikum erzeugen, mit welcher Ungerechtigkeit die USA die Gefangenen von Guantanamo behandelt hatte. Ein Thema, welches zunehmend mehr Aufmerksamkeit im Kino bekam – allen voran im letztem Jahr mit dem Oscar-nominierten Werk Der Mauretanier.
Unser Fazit zu Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush
Andreas Dresens politisches Drama Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush ist ein sehenswerter Beitrag zum politischen und historischen Bewusstsein der jüngeren deutschen Geschichte. Er besitzt ein herausragendes Darsteller:innen-Duo, das ein emotionales Band zum Publikum aufzubauen vermag. Eine berührende und wütend-machende Geschichte sind Grund genug, diesem Film im Kino eine Chance zu geben. Mit Meltem Kaptan erleben wir eine der bisher besten Performances des Jahres, sowohl national als auch international. Leider sind die Erzählstruktur und eine gewisse Langatmigkeit nicht zu leugnen, die das Gesamtbild dieses doch sehr kompetenten Films leicht trüben.
Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush startet am 28. April 2022 in den deutschen Kinos!
Unsere Wertung:
© Pandora Films