Nur ein Jahr nachdem der französisch-polnische Regisseur Roman Polanski die Vampire tanzen gelassen hatte, orchestrierte er mit Rosemaries Baby ein Meisterstück des subtilen Horrors und Schreckens.
Titel | Rosemaries Baby |
Jahr | 1968 |
Land | United States of America |
Regie | Roman Polanski |
Genres | Drama, Horror, Thriller |
Darsteller | Mia Farrow, John Cassavetes, Ruth Gordon, Sidney Blackmer, Maurice Evans, Ralph Bellamy, Victoria Vetri, Patsy Kelly, Elisha Cook Jr., Emmaline Henry, Charles Grodin, Hanna Landy, Phil Leeds, D'Urville Martin, Hope Summers, Marianne Gordon, Wende Wagner, William Castle, Tony Curtis, Clay Tanner, Almira Sessions, Jean Inness, Max Wagner, Walter Baldwin, Mona Knox, Craig Littler, Patricia O'Neal, Carol Brewster, Robert Osterloh, George R. Robertson, Elmer Modlin |
Länge | 138 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Paramount Plus, Paramount+ Amazon Channel, Paramount Plus Apple TV Channel Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, MagentaTV, Microsoft Store, Videoload Leihen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, MagentaTV, Microsoft Store, Videoload, Freenet meinVOD |
Die Handlung von Rosemaries Baby
Rosemarie (Mia Farrow) zieht mit ihrem Ehemann, dem mäßig erfolgreichen Schauspieler Guy Woodhouse (John Cassavetes), in die neue New Yorker Wohnung im Apartmentkomplex Bramford House. Dort lernen sie alsbald das ältere Ehepaar Minnie (Ruth Gordon) und Roman Castevet (Sidney Blackmer) kennen, das sich schnell als neuer, etwas schräger Dauergast in den heimischen vier Wänden entpuppt.
Das Eheleben scheint perfekt, als Rosemarie schwanger wird. Doch die Umstände ihrer Empfängnis sind für die treusorgende Hausfrau mehr als rätselhaft und verstörend. Denn während sie davon träumte, vom Teufel höchstpersönlich unter den Augen der Castevets vergewaltigt zu werden, schlief Guy mit ihr. Ein Rücken voller Kratzer und fortan zunehmende Belastungen während der Schwangerschaft lassen die junge Rosemarie bald daran zweifeln, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Hat die mysteriöse Vergangenheit von Bramford etwas damit zu tun oder verliert sie unter den Umständen schlichtweg den Verstand?
Die ganz schön okkulten 1970er-Jahre
Während die 80er Jahre im Horrorbereich vor allem DAS Jahrzehnt des Slashers waren, hatten sich die 70er in erster Linie dem Okkultismus verschrieben. In einer Zeit der wachsenden gesellschaftlichen Emanzipation von der Kirche waren religiöse Themen im Horrorbereich zwar immer noch ein Tabu – aber ein Tabu, das schon öffentlich angezweifelt und gezielt gebrochen wurde. So wird das abstrakte Böse in den Horrorfilmen der 70er vor allem als Gegensatz zur Kirche und Gott gedacht und dargestellt. Religiöse Symbole und Riten werden missbraucht, besudelt und entweiht. Der Antichrist, dessen Ankunft auf der Erde von Sekten im Verborgenen vorbereit wird, wird zum personifizierten Bösen, zum prototypischen Schreckgespenst, das die alten ausgedienten Machtstrukturen des Klerus auslöscht. Mit ihm und durch ihn soll eine neue Herrschaft auf der Erde mit neuer Zeitrechnung entstehen. Das Jahr 1 ist nah…
„Is God dead?“ fragte das Time Magazine auf der Titelseite einer Ausgabe von 1966. Während der dazugehörige Artikel allerdings keineswegs eine Absage an den allmächtigen Schöpfer erteilte (was das Fragezeichen im Grunde bereits andeutet), so scheint Roman Polanski diese Frage zwei Jahre später mit Rosemaries Baby zu bejahen. Die Kirche ist doch eine einzige Heuchelei, heißt es dort, wenn man sich schließlich nur mal den Papst ansieht, wie er in Schmuck und Juwelen gehüllt ist. Damit steht dieser Film also thematisch trotz seiner zeitlichen Zugehörigkeit zu den 60ern schon ganz im Zeichen des 70er-Horrorfilms.
Subtiler Horror im Gewand eines Psychodramas
Doch zum Anfang: Polanski adaptiert hier eigenständig die gleichnamige Romanvorlage von Ira Levin. Von Beginn heftet er sich mit seiner Kamera regelrecht an die Fersen von Rosemarie, die mit ihrem Mann Guy eine neue Wohnung im Bramford Haus in New York bezieht – und das den Unkenrufen eines Freundes über mysteriöse Ereignisse in diesem Haus zum Trotz.
Was folgt, ist ein zutiefst subtiles Psychodrama, das Polanski bis zum Schluss so detailliert und ohne Hektik, ohne knallige Showeffekte und ohne blökende Posaunen und Trompeten inszeniert. Zwar ist aus heutiger Sicht und mit der Erfahrung vieler Horrorfilme schnell zu erkennen, was für ein Theater hier aufgetischt wird und in welche Richtung es erzählt wird, aber welche Akteure mit welchen Motiven auf die Bretter geschickt worden sind – das lässt uns Polanski nur häppchenweise erfahren, da er uns in die subjektive Wahrnehmung von „Rose“ hineinzwingt, mit der wir fortan als verschworene Einheit operieren müssen. Nie wird dabei ein fertiges Bild serviert. Polanskis Szenen bleiben wie Puzzlestücke zum Zusammenbauen ausgelegt.
„Sie feiern Hexensabbat und wollen mein Baby“
„Ja, zumindest scheint es so.“
Ein Wahnsinn fern von jeder Rationalität
Die Spannung von Rosemaries Baby liegt daher nur scheinbar im effektvoll-lautstarken Horrorbereich (und das kriegt der Film gelegentlich in beleidigten Kritiken auch zu spüren), sondern in all dem, was nicht oder erst sehr spät gesagt, was nur angedeutet wird. Je früher der Zuschauer einsteigt, das sprichwörtliche „im Busch sein“ zu bemerken und die Zeichen zu deuten, desto eher wächst in ihm und zusammen mit Rosemarie die Bedrohung – desto eher beginnt der Wahnsinn jenseits von Rationalität und Erklärbarkeit zu wachsen. Während Polanski an der sichtbaren Oberfläche, am sprichwörtlichen „schönen Schein“ keine Veränderungen vornimmt, uns gleichsam normale Alltagsszenen eines Ehepaars und freundliche, lachende Menschen zeigt, kriecht der Grusel durch die zunehmend spürbare Janusköpfigkeit der Charaktere in die Glieder und rüttelt am heilen Welt- und Menschenverständnis des Zusehenden. Das Abfallen von Sicherheit, von Kontrolle und Verständnis für die Vorgänge und mithin von einer Art von Urvertrauen schockt tief und nachhaltig.
Als Rosemarie dann gegen Ende selbst jene Ausgabe des Time Magazines im Wartezimmer von Dr. Hill in den Händen hält, ist die dort gestellte Frage für sie bereits klar und deutlich beantwortet. „Von guten Mächten wunderbar geborgen“, wie es in einem bekannten Kirchenlied heißt, ist sie ganz sicher nicht mehr.
Unser Fazit zu Rosemaries Baby
Über 50 Jahre alt und doch so herausragend: Rosemaries Baby von Roman Polanski ist ein Klassiker des Genres, der die okkulten Horrorfilme der 1970er-Jahre meisterhaft antizipiert. Gefesselt an die eingeschränkte Wahrnehmung von Rosemarie durchleben die Zuschauer:innen gemeinsam mit der Hauptfigur ein langes, kräftezehrendes Psychodrama, das sich äußerst subtil bis zum Gewissheit bringenden Finale entfaltet.
Unsere Wertung: