Jack Londons Roman-Klassiker “Ruf der Wildnis” wurde bereits acht Mal verfilmt. Ab dem 20. Februar erwartet uns nun die nächste Neuinterpretation, die besonders durch Harrison Ford hellhörig macht. Ob der Film von Chris Sanders auch darüber hinaus sehenswert ist, erfahrt ihr hier.
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Titel | Ruf der Wildnis |
Jahr | 2000 |
Land | |
Genres | Familie, Abenteuer |
Darsteller | Nick Mancuso, Shane Meier, Rachel Hayward, Kathleen Duborg, Crystal Bublé, Ben Cardinal, William MacDonald |
Länge | 120 Minuten |
Wer streamt? | Derzeit leider auf keinem Streamingdienst verfügbar. |
Darum geht es in Ruf der Wildnis
Die Handlung ist in den 1890er Jahren angesiedelt. Alaska ist im Goldrausch. Der Hund Buck wird aus seinem Zuhause entführt und muss sich als Schlittenhund beweisen. Er ist der Neuling in dem Rudel, das dafür zuständig ist, Briefe zwischen verschiedenen Städten zu übermitteln. Dabei stößt er für einen kurzen Moment auf John Thornton (Harrison Ford). Thornton lebt als Einsiedler und ist dem Alkohol verfallen. Beide verstehen sich auf Anhieb, und nachdem Buck lebensgefährlich verletzt wird, hilft Thornton ihm wieder auf seine vier Beine. Nachdem sie sich besser kennengelernt haben, beschließen sie, gemeinsam auf ein goldenes Abenteuer zu gehen.
Ruf der Wildnis oder “Ein Fisch aus dem Wasser”
Unser tierischer Protagonist Buck wird seinem gewöhnlichen Umfeld entrissen und muss sich in seinem neuen Leben mit neuen Aufgaben zurechtfinden. Damit ist Ruf der Wildnis nach dem klassischen “Fisch aus dem Wasser”- Prinzip gestrickt. Das lässt sich ganz klassisch in drei Akte aufteilen. Im ersten Akt geht es um Bucks neues Leben. Als Schlittenhund ist er noch gänzlich unerfahren, doch wird er Kopf über Pfote in das kalte Wasser geworfen. Da verwundert es nicht, dass Buck große Probleme hat, mit den anderen Hunden mitzukommen. Deshalb ist er anfangs eher ein Hindernis für das Rudel. Mit starkem Einsatz gelingt es dem Vierbeiner allerdings, sich zu bessern. Dieser Part wird dann noch mit einem klassischen Konkurrenzkampf geschmückt, denn das Sagen in dem Rudel hat ein anderer Hund. Dieser steht mit seiner Kaltherzigkeit im Kontrast zu Buck.
So weit, so klassisch, und leider wird es nicht sonderlich origineller. Im Gegenteil. Dieser Akt wirkt extrem gehetzt, und so wird keiner Entwicklungen Zeit zu Entfaltung gegeben. Stattdessen gibt es die obligatorische Montage á la Rocky. Sobald dann der zweite Akt beginnt, erkennt man, weswegen die Handlung bis dahin so durchgepeitscht wurde. Schließlich wird es erst ab da wirklich interessant, denn der Film handelt schließlich von der Beziehung zwischen Buck und Thornton. Obwohl das auch nicht ganz stimmt, denn wie der Titel schon verrät, geht es ebenfalls um die Wildnis. Buck trägt eine Sehnsucht zur Wildnis und zu seinen Ahnen, den Wölfen in sich. Dargestellt wird dies durch die Vision eines Wolfes. Welcher aber eher ein nettes Plot-Device ist, da er Buck immer die Lösung verschiedenster Probleme wie auf dem Silbernapf serviert. Auch wenn es Titel und Marketing so suggerieren, ist Ruf der Wildnis aber auch kein Abenteuerfilm!
Die Chemie zwischen Buck und Thornton
Wie bereits angedeutet, steht und fällt der Film mit der Chemie zwischen Thornton und dem liebenswürdigen Schlittenhund. Es ist überraschend, wie gut die Beziehung zwischen den beiden funktioniert. Besonders in Anbetracht der Tatsache, dass Harrison Ford mit einem vollkommen computeranimierten Hund interagieren muss. Genaueres zu den Effekten gibt es später. Wichtig ist erst mal, dass man Harrison Ford sein Schauspiel abkauft. Sicher, er ist ein unheimlich talentierter Schauspieler, aber eben auch jemand, dem man ansieht, wenn er eigentlich keine Lust auf die Rolle hat. Diesmal hat man ihm seine Lust aber tatsächlich angesehen, und ohne ihn wäre der Film wohl nicht ansatzweise so sympathisch. Allerdings hat sein Charakter auch sehr wenige Ecken und Kanten … Zumindest, wenn man seine Backstory im Hinterkopf hat. Für einen Alkoholiker fällt ihm der Verzicht auf Alkohol überraschend einfach, und zwischen ihm und Buck scheint es keinerlei Probleme zu geben.
Es stellt sich jedoch die Frage, was der Anspruch des Films ist, und dieser ist lediglich eine sympathische Beziehung zwischen seinen beiden Protagonisten zu erzählen. Aber das gelingt ihm eben auch ziemlich gut. Mehr sollte man also nicht erwarten. Man hat es schon oft genug besser, oft genug aber auch schlechter gesehen. Wenn man keine herzzerreißende Story wie in Hachiko erwartet, dann geht man mit einem zufriedenen Gefühl aus dem Film heraus. Das Drehbuch hat da allerdings ganz andere Schwächen.
Ruf der Plotholes
Bezüglich einiger Logiklücken fordert Ruf der Wildnis ein dickes Fell vom Zuschauer. Die gesamte Handlung weist wahnsinnig viele “Plotholes” auf. Die sind mal mehr, mal weniger schwerwiegend, doch benötigen sie definitiv viel “Suspension of Disbelief”. Einige Charaktere reagieren manchmal gegen ihre eigentliche Figurenzeichnung. Buck kann z.B nicht einmal einen Hasen etwas zuleide tun und entwickelt kurz später einen überaus starken Jagdtrieb. Die Entwicklung per se ist eigentlich recht nachvollziehbar, doch es passiert dank des gehetzten Drehbuchs viel zu sprunghaft und nicht immer nachvollziehbar. Andere kleine Logiklöcher sind z.B, dass Harrison Ford Dinge über Bucks Leben erzählt, obwohl er gar nicht dabei war.
Zusätzlich gibt es aber auch gravierendere Situationen, bei denen sich der gesamte Saal fragt: “Was? Wie war das jetzt möglich?” Da hilft es auch nicht weiter, dass das Drehbuch trotz Buchvorlage ziemlich konstruiert ist. Wenn etwas passiert, dann nur, weil es das Drehbuch so will. Kombiniert mit klassischen Klischees, ist er die gesamte Lauflänge über unheimlich vorhersehbar. Nichtsdestotrotz fällt all das nicht ganz so störend auf, wie es bei anderen Filmen der Fall wär. Ruf der Wildnis vermittelt zumindest den Eindruck, dass er das Herz am rechten Fleck hat, und so möchte man ihm automatisch auch eher verzeihen. Die Handlung ist zwar typisches Drehbuch-ABC, das auf eindimensionale Charaktere und Klischees zurückgreift, doch es ist auch nicht so schlimm, dass es einen Aufreger wert ist. Es ist lediglich sehr mittelmäßig und vergessenswert.
Ruf der Wildnis – Die Abenteuer des CGI-Hundes
Wenn es einen Grund gibt, skeptisch gegenüber des Films zu sein, dann ist es Buck. Oder besser gesagt, dann ist es der komplett per Computer animierte Buck. Hier stellen sich hauptsächlich zwei Fragen: 1. Braucht man wirklich ein CGI-Tier? 2. Sind die Computer-Effekte gelungen? Die erste Frage lässt sich gewissermaßen mit “Jein” beantworten. Einen 100 Prozent animierten Hund hätte es für einige Szenen wirklich nicht gebraucht. In anderen wiederum ist es unvermeidbar gewesen. Man hätte also durchaus zwischen Real und CGI mischen können, hat jedoch darauf verzichtet, da es so einfacher ist. Gleichzeitig muss man das CGI auch weniger kaschieren und im Zweifel ist es immer besser, einen Hund zu animieren, als einem realen Tier Leid zuzufügen, um die entsprechende Szene möglichst authentisch umzusetzen. Glücklicherweise macht der Film aus der Not eine Tugend und nutzt die Chance, um Buck noch stärkere emotionale Ausdrücke zu verleihen.
Also stellt sich noch die zweite Frage: Wie sieht es aus? Schlicht gesagt: Gewöhnungsbedürftig. Qualitativ erinnert es etwas an Paddington. Also relativ schön animiertes Fell und gelungene Expressionen und vor allem weit genug von der Realität weg, um nicht in das sogenannte “uncanny valley” zu fallen. Im Gegensatz zu Paddington funktioniert das aber nur bedingt, denn Buck ist eben deutlich näher an der Realität dran. Er kann schließlich nicht reden oder auf zwei Beinen laufen. Daher reißt das CGI anfangs recht stark heraus. Es ist aber möglich, sich daran zu gewöhnen. Hat man das geschafft, stört es nicht mehr so stark und fügt sich mal mehr, mal weniger gut in den Film ein. Bei Interaktionen mit Menschen fällt es doch recht stark auf. Sind nur CGI-Tiere zu sehen, könnte es auch eine Zwischensequenz aus “Red Dog Redemption” sein.
Ein Animationsfilm im Gewand eines Realfilms?
Durch die schön dargestellten Emotionen von Buck, fühlt man trotz CGI mit ihm mit, und manche Szenen sind auch teilweise ein Stück over the top, sodass es sich sowieso von der Realität absetzt. Dass in Kombination mit einigen Szenen und der generellen Story, hat mich überlegen lassen, ob der Film nicht besser als Animationsfilm gewesen wäre. Stellt man sich den Film im altmodischen Zeichentrick-Stil vor, passt das erschreckend gut und würde vermutlich sogar noch besser funktionieren. Ich hätte das wirklich gerne gesehen, aber man kann es dem Film natürlich auch nicht vorwerfen. So hätte man aber vielleicht auch ein anderes Problem lösen können, und zwar das Problem mit den Kulissen. Es fällt schwer, dem Film sein Setting 100-prozentig abzukaufen. Die Kulissen sind alle sehr glattgebügelt, und so stellt sich ein Studio-Gefühl ein. Es fehlt der Verschleiß und der Dreck, um authentisch zu sein.
Mein Fazit zu Ruf der Wildnis
Für wen lohnt sich der Film? Ruf der Wildnis scheint perfekt, um ihn am Sonntag-Nachmittag mit seiner Familie laufen zu lassen. Es ist eine typische Drehbuch-Blaupause, die das Herz aber trotzdem am rechten Fleck hat. Man sollte seine Erwartungen definitiv niedrig halten und muss bereit sein, um über einige Schwächen hinwegzusehen. Dann kann man durchaus seinen Spaß mit dem Film von Chris Sanders haben.
Bis sich die Beziehung zwischen Thornton und Buck entfaltet, dauert es leider ein wenig zu lange, doch ab dann ist er relativ liebenswert. Durch die 100 Minuten Laufzeit wird die Geschichte zwar sehr durchgepeitscht, allerdings ist er dadurch auch kurzweilig. Es ist definitiv kein Film, der unbedingt für die große Leinwand gemacht wird. Eigentlich ist es schwer, den Film als schlecht oder gut zu bezeichnen, da er genau in der Mitte steht. Er tut niemandem weh, doch ist schon während des Abspanns wieder aus dem Kopf.
Ruf der Wildnis startet am 20. Februar in den deutschen Kinos!
Unsere Wertung:
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