Mit einem tieftraurigen Film gehen die Regisseurinnen Stephanie Chuhat und Veronique Reymond bei der Berlinale 2020 in den Wettbewerb. In Schwesterlein spielen die deutschen Schauspielgrößen Nina Hoss (Homeland, Das Vorspiel) und Lars Eidinger (25km/h, Dumbo) ein Zwillingspärchen, das sich damit außeinandersetzen muss, dass in absehbarer Zeit einer von beiden dem Tod nicht mehr entrinnen kann. Ob der Film trotz des Themas wert ist, gesehen zu werden, erfahrt ihr im Folgenden.
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Titel | Schwesterlein |
Jahr | 2020 |
Land | Switzerland |
Regie | Véronique Reymond |
Genres | Drama |
Darsteller | Nina Hoss, Lars Eidinger, Marthe Keller, Jens Albinus, Thomas Ostermeier, Linne-Lu Lungershausen, Noah Tscharland, Isabelle Caillat, Moritz Gottwald, Jenny König, Urs Jucker, Nicolas Hislaire, Leili Yahr, Jenna Hasse, León David Salazar, Valerio Scamuffa, Dominique Gubser, Paulo dos Santos, Pierre-Isaie Duc, Stefanie Günther Pizarro |
Länge | 99 Minuten |
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Wovon handelt Schwesterlein?
Sven (Lars Eidinger) und Lisa (Nina Hoss) verbindet mehr als die meisten anderen Geschwisterpaare. Nicht nur, dass die beiden Zwillinge sind und auch beide in der Theaterbranche arbeiten, sondern speziell die Tatsache, dass sie um ihren Bruder zu retten sogar Knochenmark gespendet hat, sorgt für eine Geschwisterbeziehung, die über allem steht. Als sich abzeichnet, dass allen Widerständen zum trotz bald die Zeit für Sven gekommen sein wird, versucht Lisa dennoch weiterhin alles, um das Unumgängliche zu verhindern oder eher zu ignorieren. Nicht nur ihre Mutter, sondern vor allem ihr Mann und ihre Kinder kommen dadurch ins Hintertreffen. Setzt Lisa für ein paar letzte Wochen mit Sven und einem gebührenden Abschied ihre ganze persönliche Zukunftsperspektive aufs Spiel?
Unsere Kritik zu Schweisterlein:
Der Beitrag im Wettbewerb der Berlinale 2020 aus der Schweiz ist diesmal wahrlich schwere Kost. Die Themen Verlust und Tod schwingen nicht nur wie ein Damoklesschwert im Hintergrund mit. Nein, in Schwesterlein ist eigentlich ab der ersten Einstellung klar, wohin dieser Film am Ende steuern wird. Ob dies eine niederschmetternde Begleitung eines Todgeweihten ist oder ob man aus diesem Film auch etwas lebensbejahendes mitnimmt, ist wohl eine tief subjektive Sache. In dieser Kritik soll so neutral als möglich kurz die Stärken und Schwächen der gewählten Mittel zu bewertet werden.
Schwesterlein erzählt von einer engen Geschwisterbeziehung
Die Geschichte von Schwesterlein ist sehr bodenständig gehalten und zeichnet sich nicht durch die Exzesse aus, die manch einer nach einer Todesdiagnose wagt, wie es bei Das Beste kommt zum Schluss der Fall ist. Vielmehr schwingt hier manchmal noch ein Rest Hoffnung mit, besonders weil man sieht, wie stark die Verlustangst von Lisa tatsächlich ist. Was den Regisseurinnen hier in hohem Maß gelingt, ist darzustellen, wie viel die beiden miteinander verbindet. Sehr schön sind hier vor allem die Momente, wenn sich wirklich nur Lisa und Sven den Moment vor der Kamera teilen und scheinbar gegenseitig die Gedanken lesen oder Sätze vervollständigen können. Die Leidenschaft für das Theater von Sven und die Tatsache, dass allein die Aussicht wieder spielen zu können Sven noch am Leben erhält, sorgt dafür, dass Lisa blindwütig versucht ihren Bruder mit einem Engagement vom Theater den Lebensmut zu erhalten.
Nina Hoss glaubt sich zwischen Familie und Bruder entscheiden zu müssen
Nina Hoss brilliert in der Rolle der Schwester mit der manischen Angst vor dem Verlust ihres Bruders einmal mehr. In jeder Szene kauft man ihr ab, dass sie sich selbst und ihre Familie bereit wäre aufzugeben, um Sven noch länger am Leben zu erhalten. Die Verzweiflung und Wut als sie nach und nach einsehen muss, dass es nicht in ihrer Hand liegt, sorgen beim Zuschauer für Gänsehaut. Mit dieser Leistung untermauert Hoss ihre Favoritenrolle im Wettbewerb.
Lars Eidinger spielt den Krebskranken mit Feingefühl
Eidinger ist in den letzten Jahren immer wieder durch exzentrische Rollen aufgefallen. Dabei lotet er regelmäßig die Grenzen des Overactings aus und ist nicht wirklich für die leisen Töne bekannt. In der Rolle des Todkranken ist diesmal jedoch mehr Sensibilität gefordert. Und über weite Strecken gelingt ihm auch dies mit Bravour. Die Besessenheit nochmals in seine alte Rolle als Hamlet zurückkehren zu müssen und der tiefe Absturz werden herzergreifend dargestellt. Sein Schicksal geht dem Publikum unter die Haut, auch und insbesondere weil die sonst immer so lebensfrohe Natur des Lars Eidinger in Teilen noch durchscheinen darf. Nur ein paar Entscheidungen des Drehbuchs wirken der sonst so nachvollziehbaren Charakterzeichnung etwas entgegen. Dies soll an dieser Stelle jedoch nicht gespoilert werden.
Ein sorgender Ehemann wird zum Buhmann
Zwei Entscheidungen bezüglicher wichtiger Nebenfiguren sind in meinen Augen etwas weniger gelungen. Zum einen verkommt die Mutter von Lisa (Marthe Keller) durch ihre Charakterisierung als überforderte alte Dame mit der angedeuteten Alkoholsucht, fast schon zum Comic Relief. Und des Weiteren werden leider auch die Motive und Entscheidungen von Lisas Ehemann (Jens Albinus) etwas eindimensional dargestellt.
Leider hat man durch diese beiden Dinge etwas den Eindruck, dass man bewusst die beiden größten Stars im Cast noch mehr in den Vordergrund stellen wollte. Etwas mehr Ausgewogenheit hätte dem ansonsten sehr realistischen Skript noch mehr Authentizität verliehen.
Unser Fazit zu Schwesterlein:
Alles in allem ist Schwesterlein aber ein sehr sehenswerter Beitrag auf der diesjährigen Berlinale, der jedoch nichts für Leute ist, die nicht bereit sind sich mit dem Thema Tod in seiner ganzen Härte auseinander zu setzen.
Wer dies kann wird ein herausragendes Schauspielkino erleben. Ein Film mit Nina Hoss in Bestform und Lars Eidinger in einer ungewohnten Rolle. Am Ende ist man ob der melancholischen Stimmung auch als Zuschauer erst einmal platt. Dieser Film wirkt nach, aber die letzte Szene sorgt dafür, dass man auch etwas Hoffnung mit aus dem Kino nehmen wird.
Schwesterlein läuft im Wettbewerbsprogramm der Berlinale 2020. Ein Kinostart ist noch nicht bekannt.
Unsere Wertung: