Für Sergio, die Verfilmung eines außergewöhnlichen Lebens, hat sich Regisseur Greg Barker den Darsteller von Pablo Escobar aus Narcos, Wagner Moura ausgesucht. Ob Moura in der titelgebenden Rolle von Sergio Vieira de Mello, einem brasilianischen UN-Diplomaten genauso überzeugen kann wie als Drogenboss, erfahrt ihr in dieser Filmkritik.
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Titel | Sergio |
Jahr | 2020 |
Land | Albania |
Regie | Greg Barker |
Genres | Drama |
Darsteller | Wagner Moura, Ana de Armas, Garret Dillahunt, Will Dalton, Bradley Whitford, Brían F. O'Byrne, Clemens Schick, Clarisse Abujamra, Pedro Hossi, สหจักร บุญธนกิจ, Vithaya Pansringarm, Eduardo Melo, João Barreto, Osama Bin Laden, Sameera Asir |
Länge | 118 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads |
Die biografischen Hintergründe von Sergio
Der charismatische und hochgebildete Sergio Vieira de Mello (Wagner Moura) hat die meiste Zeit seines Berufslebens als UN-Diplomat in den unruhigsten Regionen der Welt verbracht, um dort mit Präsidenten, Revolutionären und Kriegsverbrechern um den Schutz der einfachen Bevölkerung zu verhandeln. Bevor er sich endlich in ein ruhigeres Leben mit seiner Geliebten Carolina Larriera (Ana de Armas) zurückziehen kann, übernimmt er noch einen letzten Auftrag in Bagdad, das nach der US-Invasion gerade im Chaos versinkt. Es war als kurzer Einsatz gedacht, bis eine Bombe das UN-Hauptquartier in Schutt und Asche legt und ihn buchstäblich unter sich begräbt. Plötzlich geht es für ihn um Leben und Tod. Sergio ist inspiriert von einer wahren Geschichte und entwickelt sich zu einem Drama, in dem ein Mann an seine physischen und psychischen Grenzen gerät, als er sich seinen zwischen Ehrgeiz, Familie und Liebe scheinbar unvereinbaren Entscheidungen stellen muss.
Moura weiß zu überzeugen
Das aufregende Leben des einflussreichen Diplomaten ist wahrlich erzählenswert. Dementsprechend gilt es, viel Fingerspitzengefühl zu beweisen, um einer derart wichtigen Persönlichkeit – auch durch die passende Besetzung – gerecht zu werden. Wagner Moura (Tropa de Elite) ist den meisten bislang wohl vor allem in der Rolle des ebenfalls der Realität entstammenden Pablo Escobar aufgefallen. Für seine neue Rolle ist der markante Oberlippenbart wieder gewichen und die Haare sind leicht ergraut. Was jedoch viel wichtiger ist als optisch zu überzeugen, ist die Frage, ob er es schafft, das Charisma des realen Vorbilds zu erreichen. Und tatsächlich ist es Moura bestmöglich gelungen, dass man ihm abnimmt, stets die perfekten Worte zu finden. Sei es gegenüber Diktatoren, seinen Büromitarbeitern oder seiner Geliebten; Moura überzeugt durch eine wahnsinnig authentische Ausstrahlungen und Blicke, die von absolutem Willen und von Ehrlichkeit zeugen. Er ist zweifelsohne die Idealbesetzung.
Die diplomatische Arbeit kommt zu kurz,…
Die Wichtigkeit der Arbeit von Sergio Vieira de Mello sieht man in den Szenen, in denen er zwischen den Einwohnern Osttimors und dem Präsidenten der Besatzungsmacht aus Indonesien vermittelt. Diese Dialoge sind ein realistischer Einblick in die Anforderungen an einen Menschen, der als Diplomat erfolgreich sein will. Menschenkenntnis, Geschichtswissen und Einfühlungsvermögen zeichnen Sergio aus und machen ihn zur herausragenden Figur seines Berufsstandes. Von den spannenden Einblicken in den komplexen Beruf hätte der Film allerdings mehr vertragen können. Denn hierbei hängt der Zuschauer dem Protagonisten an den Lippen und staunt über dessen Wortgewandtheit. Gleichzeitig versteht man aber auch, welche Schattenseiten diese Aufgabe mit sich bringt.
… um aus Sergio ein Liebesdrama zu machen
Leider hat man sich bei der Gewichtung der Komponenten des Films dazu entschieden, der Liebesgeschichte des Diplomaten viel Platz einzuräumen. Dadurch wird der Film über weite Strecken zu einem melodramatischen Beziehungsdrama und die spannenden Einblicke in den Diplomatenalltag rücken nahezu komplett in den Hintergrund. Das Verhältnis, vom ersten Kennenlernen bis zur Entscheidung, gemeinsam einen letzten Einsatz im Irak anzutreten, ist zwar ebenfalls interessant und auch die Harmonie zwischen Ana de Armas (Knives Out) und Moura passt. Trotzdem wären die Macher gut beraten gewesen, sich auf die Mechanismen der Diplomatie zu fokussieren, da die Romanze überhaupt nichts Neues zu erzählen weiß, während Filme über Botschafter im Auftrag der UN doch eher eine Rarität sind.
Sergio gibt einer Ausnahmeperson gebührende Aufmerksamkeit
Komplett verkommt der Film dann aber doch nicht zum Melodrama, was vor allem an der Erzählweise liegt. Regisseur Greg Barker hat sich dazu entschieden die wichtigen Etappen des Werdegangs in Rückblenden zu erzählen, während die eigentliche Erzählzeit in den letzten Minuten im Leben des UN-Manns stattfindet. Da der Zuschauer also von Anfang an weiß, wohin die Geschichte geht, ist die Frage umso spannender, wie es hierzu kommen konnte. Wie Barker die Beteiligung de Mellos bei der Unabhängigkeit Osttimors filmisch darstellt, ist dann doch eine gelungene Wertschätzung dieser viel zu früh verstorbenen Person.
Unser Fazit zu Sergio
Im Endeffekt hinterlässt Sergio einen äußerst geteilten Eindruck. Einerseits weckt der Film das Interesse, sich näher mit der realen Person auseinanderzusetzen und gibt nie gesehene Einblicke in einen Beruf, unter dem sich die meisten wohl nicht wirklich etwas vorstellen können. Doch andererseits verspielt die Biografie die Chance, noch intensiver, aussagekräftiger und interessanter zu sein, indem der vorhersehbaren Liebesbeziehung zu viel Zeit eingeräumt wird, sodass die Errungenschaften de Mellos fast nebensächlich erscheinen.
Filmisch kann Sergio so leider nicht vollends überzeugen. Diejenigen, die sich ausgiebig für das bewegte Leben der Titelfigur interessieren, sollten wohl eher einen Blick in die Dokumentation werfen, die interessanterweise vom selben Regisseur gedreht wurde. Als Alternative bietet sich außerdem die Buchvorlage von Samantha Power an.
Sergio ist seit dem 17. April 2020 bei Netflix abrufbar.
Unsere Wertung:
© Netflix