In Alexis Noyers Debütfilm Sound of Violence schafft es eine taube Musikerin, durch Gewaltanwendung ihr Gehör wieder herzustellen. Sensibles Charakterportrait oder deftige Schlachtplatte?
https://youtu.be/zoawuzMZGc0
Titel | Sound of Violence |
Jahr | 2021 |
Land | Finland |
Regie | Alex Noyer |
Genres | Horror, Thriller, Krimi, Musik |
Darsteller | Jasmin Savoy Brown, Lili Simmons, James Jagger, Tessa Munro, Brian Huskey, Dana L. Wilson, Wes McGee, Mataeo Mingo, Corsica Wilson, David Gironda Jr., Geo Lee, Sarah Chaney, James Wellington, Hana Mae Lee, Lola Davidson, Caridad Cole, Heather Muriel Nguyen, Dennis Atlas |
Länge | 94 Minuten |
Wer streamt? | Derzeit leider auf keinem Streamingdienst verfügbar. |
Die Handlung von Sound of Violence
Die kindliche Alexis leidet unter Taubheit – bis zu dem Zeitpunkt, als sie ihrem tyrannischen Vater mit einem Fleischklopfer den Schädel einschlägt. Nicht nur, dass sie damit ihr Gehör wiedererlangt, gleichzeitig versetzen sie die dumpfen Schläge in ekstatische Glücksgefühle.
Jahre später ist Alexis (Jasmin Savoy Brown) als Musikdozentin und Sounddesignerin stets auf der Suche nach neuen Tönen und Arrangements. Doch eines Tages holt sie der Verlust ihres Gehörs wieder ein und es gibt nur eine Möglichkeit, es zurückzuholen: Töne, die ihren Ursprung in Schmerz und Gewalt haben. Alexis begibt sich in einen musikalischen Blutrausch…
Zwischen den Stühlen
Regisseur Alex Noyer nimmt sich der spannenden Verquickung von Horror und Drama an. Auch die Verknüpfung Alexis‘ Taubheit und dem Wiederkehren des Gehörs mittels gewalttätiger Töne stellt sich als fruchtbarer Grund für einen auditiven Slasher dar. Leider hebt das Skript aber etwas zu schnell ab, anstelle das Publikum sanft in Alexis Probleme einzuführen.
Neben ihrem rasanten Wandel zur kaltblütigen Killerin ist es vor allem die Akribie hinter ihrer Jagd nach dem richtigen Sound, die irritierend wirkt. Wie eine Jüngerin Jigsaws fertigt sie Folter- und Mordwerkzeuge, deren perfide Mechanismen nicht so recht zum sonst eher ruhigen Charakterportrait passen mögen.
Generell schien es Regisseur und Autor Noyer relativ schwer gefallen zu sein, zu entscheiden, welchen Weg er mit Sound of Violence überhaupt beschreiten wollte. Für eine Charaktestudie einer traumatisierten Persönlichkeit zu oberflächlich, für einen rauen Slasher zu abgedreht. So wissen beide Einflüsse im Einzelnen zu überzeugen, die Summe ergibt aber leider kein wirklich stimmiges Gesamtbild. Vor allem mit der finalen Transformation schießt Noyer übers Ziel hinaus: Diese ist genauso interessant und grotesk, wie sie auch einfach nur völlig hanebüchen wirkt.
Auf handwerklicher Ebene überzeugt Noyer hingegen durchgehend. Bereits im Prolog wird entsprechend mit der basslastigen Wahrnehmung der tauben Alexis gespielt und dem Zuschauer das Gefühl der akustischen Ausgeschlossenheit treffend übertragen. Später wird die erneute Taubheit natürlich für einige (vorhersehbare) Schocks der Marke Jumpscare genutzt, generell funktioniert die auditive Erfahrung aber tadellos. Auch optisch braucht sich Sound of Violence nicht zu verstecken, insbesondere die Gewalteruptionen werden von einem wahnwitzigen Bilderrausch begleitet, um Alexis Erlösung zu verdeutlichen.
Der Musikantenstadl
Ein wenig mehr Fingerspitzengefühl als für das Pacing seiner Handlung hatte Regisseur Noyer bei der Auswahl seiner Mimen. Allen voran Hauptdarstellerin Jasmin Savoy Brown begeistert als sympathische, aber getriebene Musikerin, deren Suche nach dem perfekten Sound zusehends aus dem Ruder zu laufen scheint. Bisher eher als Gesicht der Serienlandschaft (The Leftovers, For the People) bekannt, spielt sie nun nach Sound of Violence nächstes Jahr in der Fortsetzung der kultigen Scream-Reihe mit.
Neben ihr zeigt sich Lili Simmons nicht nur von ihrer ausgesprochen hübschen Seite, sondern kann auch als besorgte Freundin überzeugen. Simmons kennt man vor allem als durchtriebene Ex-Amish in Banshee – Small Town. Big Secrets, aus kürzeren Auftritten in Westworld oder der ersten Staffel True Detective und in S. Craig Zahlers Bone Tomahawk als toughe Ehefrau an der Seite Patrick Wilsons. Die beiden Damen tragen den Film von ganz allein, die Nebenfiguren (James Jagger als Fuckboy oder Tessa Munro als toughe Polizistin) des Plots bleiben deshalb auch kaum erinnerungswürdig.
Umso mehr brennt sich wohl eine Szene ins Gedächtnis ein: bei der Pirsch für ihre aus Schmerz und Gewalt geborenen Tönen lässt Alexis eine Harfenspielerin an derart straff gespannte Saiten zupfen, dass diese sich mit jedem weiteren gespielten Ton weiter ins eigene Fleisch schneidet. Die Unnachgiebigkeit dieser Szene hallt nach, steht aber wie kaum eine andere Sequenz für die Dissonanz zwischen Alexis Bestreben nach Halt und ihrem unbarmherzigen Dasein als Killerin. Hier schafft es das Drehbuch ohne Probleme zu schocken, das Entsetzen verpufft aber ziemlich wirkungsvoll, da es die sympathische Alexis unnötig vom Zuschauer entfremdet.
Fazit zu Sound of Violence
Sound of Violence ist für einen Debütfilm gelungen. Der interessante Plot greift leider aber nicht tief genug, um als Charakterstudie fesseln zu können. Die Gewalteruptionen dienen dem shock value, schieben die eigentliche herzliche Hauptdarstellerin jedoch in weite Ferne von der Zuneigung durch das Publikum. Punkten kann der Streifen dafür umso mehr mit seinen gut aufgelegten weiblichen Hauptrollen und sauberem Handwerk. Was der Film emotional nicht bewerkstelligen kann, schafft er auf audiovisueller Ebene und zieht zumindest auf diese Weise in seine Welt aus Blut und Noten.
Sound of Violence erlebt auf dem Fantasy Filmfest 2021 am 20. Oktober seine deutschlandweite Premiere!
Unsere Wertung:
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