Wer nur arbeitet und nicht spielt, der wird ein Langeweiler. So lehrte es uns Jack Torrance in Shining. Ein Spieleabend mit Freund:innen kann helfen, diesem Schicksal zu entgehen. Ob man sich für den Ablauf Anregungen aus dem gleichnamigen Netflix-Film holen sollte?
Titel | Spieleabend |
Jahr | 2024 |
Land | Germany |
Regie | Marco Petry |
Genres | Komödie, Thriller, Liebesfilm |
Darsteller | Dennis Mojen, Janina Uhse, Anna Maria Mühe, Axel Stein, Stephan Luca, Edin Hasanović, Taneshia Abt, Max Bretschneider, Bernd Hölscher, Alfonsina Bencosme |
Länge | 92 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads |
Die Inhaltsangabe von Spieleabend
Pia (Janina Uhse) und Jan (Dennis Mojen) lernen sich in einem Park kennen und lieben. Nach ein paar romantischen Wochen möchte Pia, dass Jan ihre Clique bei einem Spieleabend kennenlernt. Nach dem es Jan dort eher mäßig gelingt, einen guten Eindruck zu schinden, taucht zu allem Überfluss auch noch Pias Ex-Freund Mathias (Stephan Luca) auf – und der Abend droht vollends zu entgleisen.
Zielgruppenorientiertes Produkt
Wenn man ein Produkt auf den Markt bringt, muss man vorher eine Zielgruppe vor Augen haben, um es erfolgreich an den Mann bzw. an die Frau zu bringen. Im besten Fall geht dies für beide Seiten auf. Das Unternehmen verdient Geld und den Rezipienten wird Freude bereitet. Dabei muss nicht immer das Rad neu erfunden werden. Dies gilt natürlich auch für die Filmindustrie. Es muss nicht immer die hohe Kunst oder eine neue Revolution in Sachen Technik oder Erzählen sein. Es gibt viele Filme, die nach einem bekannten Prinzip funktionieren. Die Zuschauer:innen kennen den Ablauf und solange dieser solide dem Prinzip folgt und die typischen Elemente gekonnt einsetzt, ist alles in Ordnung. Spieleabend ist ein solches Filmprodukt, für Fans von typisch deutschen Beziehungskomödien. Dementsprechend wurde sich mutmaßlich vorher genau überlegt, was diese erwarten und dann das Drehbuch exakt nach diesen Vorgaben entworfen:
Diese Art von Film dauert ca. 90 Minuten, bietet schnelle Konfliktlösungen und ein „Happy End“. Die Aufmerksamkeitsspanne der Zusehenden soll nicht zu sehr strapaziert werden und der Humor darf bestimmte Grenzen nicht überschreiten, um keinen zu verletzen. Die dargebotenen Sichtweisen auf Themen sind eher konservativ und dienen zur kurzen Flucht aus der grauen Realität. Man kann sich nach einem langen Arbeitstag berieseln lassen oder den Film nebenbei schauen. Kein Mensch wird verärgert, zum Denken angeregt oder in eine schlechte Stimmung versetzt.
Alter Wein in neuen Schläuchen
Die Geschichte dient dazu, um Action, Gags oder andere Elemente durch ein klappriges Plotgerüst zusammenzuhalten. Bei Spieleabend ist es eine einfache „Fish out of Water“-Geschichte beziehungsweise die klassische Comedy-Idee, dass jemand außenstehendes in eine etablierte Gruppe von Freunden und Familie hineinfinden muss. Man kennt dies unter anderem aus der Meet the…-Reihe mit Ben Stiller und Robert DeNiro. Die Autoren nutzen dieses Schema, um die Figuren sehr schnell und effektiv auf das Spielfeld zu setzen, damit die Gag-Parade starten kann. Dabei wirkt der Klassenkonflikt allerdings sehr forciert, aber solange der Humor passt, ist die Geschichte, wie erwähnt, zweitrangig. Auch wenn das Drehbuch nach einer bestimmten Formel erstellt wurde, ist es trotzdem durchdacht. Die Autoren legten sehr viel Wert auf Aufbau und „Payoff“. Die Situationen werden bei der Inszenierung überbetont, damit auch eine nicht so aufmerksame Person Freude an deren Auflösung hat. Leider enttäuscht diese dann oft.
Humor mit angezogener Handbremse
Trotz geringer Lauflänge und effektiver Figureneinführung gibt es im Mittelteil einige Längen, was dem Humor geschuldet ist. Der ist leider sehr zahm und vorhersehbar. Viele Gags werden weit vorher angekündigt, in die Länge gezogen und liefern dann nicht die entsprechende Pointe. Oft wird diese dann auch noch von den Figuren erklärt. So wird etabliert, dass eine Figur keine scharfen Soßen verträgt. Natürlich ist die Pointe, dass diese im Laufe des Abends trotzdem in den Körper kommen muss. Dies passiert über etliche, sehr konstruierte Umwege und das „lustige“ Resultat ist, dass Milch getrunken wird, die nicht von Tieren kommt… Die andere angedeutete Reaktion wird dem Publikum erspart. Ein Beispiel für den konservativen Humor findet man bei Oliver (Axel Stein). Der soll deshalb komisch wirken, weil seine Frau mehr Geld verdient und er gerne Fantasy-Rollenspiele in dazugehöriger Kostümierung spielt.
Überhaupt sind alle Charaktere, eindimensionale Abziehfiguren; die weiblichen Figuren müssen zudem ein Merkmal haben, welches Identifikationspotential bietet und sind die Stimme der Vernunft. Die männlichen Darsteller dürfen etwas aus sich herausgehen und sind die Kasper, über die man sich amüsieren soll. Ob dies ein feministischer Beitrag sein soll oder ob doch nur wieder Gender-Klischees bemüht werden, kann jeder für sich entscheiden. Unabhängig der politischen Ebene hat dies zur Folge, dass die Damenperspektive sehr blass bleibt und den Herren die Regieanweisung gegeben wurde, doch einfach mal sehr lustig zu agieren. Das wirkt sehr gewollt und nicht gekonnt. Ganz schlimm ist die Figur des Kurt, gespielt von Max Bretschneider: Unwitziger und nerviger kann man einen Charakter nicht schreiben und spielen.
und ohne doppelten Boden
Genauso eindimensional ist das Verständnis von Liebe, Partnerschaft und Freundschaft: Liebe gibt es nur auf den ersten Blick und wenn eine Partnerschaft lange andauert, hat man aus komödiantischen Gründen keinen Sex mehr. Der Ex-Freund ist gegen Ende der Böse, obwohl ihn jahrelang alle mochten und die Motivation für sein Verhalten noch die nachvollziehbarste ist.
Unser Fazit zu Spieleabend
Spieleabend ist eine typische Liebeskomödie, die sich aus sehr bekannten Elementen zusammensetzt. Kreative Ideen, abgedrehte Charaktere oder anarchischen Humor sucht man hier vergebens. Alles wird leider ziemlich bieder dargeboten, selbst wenn versucht wird aus der Harmlosigkeit auszubrechen. Allerdings ist es auch nicht so mies gespielt, inszeniert und geschrieben, dass man die knapp 90 Minuten überhaupt nicht ertragen kann. Der produktionstechnische Aufwand ist hoch und der Film sieht dementsprechend gut aus und wurde gekonnt inszeniert. Kein Wunder, denn Regisseur Marco Petry kennt sich im Genre aus. Wer den Trailer schaut, weiß genau was geboten wird, wie der Ablauf ist und ob man Spaß haben wird – unabhängig von der Rezension. Wer diese Art von Komödie nicht mag, wird hier nicht vom Gegenteil überzeugt und bekommt alles geboten, was er daran fürchterlich findet.
Spieleabend ist ab dem 12. Juli 24 bei Netflix zu sehen
Unsere Wertung:
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