Thomas Pill präsentiert in Stories Of The Dead eine Anthology mehrerer Kurzfilme, die durch eine übergeordnete Rahmenhandlung zu einem Gesamtwerk zusammengefasst werden.
[su_youtube URL=“https://www.youtube.com/watch?v=pe25lvx2LjI“]
Titel | Stories Of The Dead – Die Farm |
Jahr | 2019 |
Land | Germany |
Regie | Thomas Pill |
Genres | Horror |
Darsteller | Eva Habermann, Ralf Richter, Sascha Goldbach, Florian Simbeck, Peter Bosch |
Länge | 107 Minuten |
Wer streamt? | Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, maxdome Store, Verleihshop Leihen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, maxdome Store, Verleihshop, Freenet meinVOD |
Thomas Pill ist seit einiger Zeit in der deutschen Amateurszene recht umtriebig. Wer bei „deutsch“ und „Amateur“ nun an typischen Wald-und-Wiesen- oder Haus-und-Hof-Splatter denkt und schreiend das Weite suchen möchte, möge kurz innehalten. Auch wenn deutscher Amateursplatter sicherlich nicht jedermanns Sache ist, so kann man ihm seinen ganz eigenen Charme nicht absprechen. Doch darum soll es hier nicht gehen, zurück zu Thomas Pill. Dieser ist nämlich noch vor seiner Zeit als Regisseur mit Brandl Pictures (bspw. Matzeder, Deep In My Mind, Moor-Monster!) losgezogen und engagiert sich auch bis heute noch vor der Kamera. Schauspielerisch hat er mit Savage Love (Olaf Ittenbach) oder The Curse Of Doctor Wolffenstein (Marc Rohnstock) auch deftigeres Terrain betreten.
Als Regisseur arbeitet auch er noch immer im Independentbereich, ist aber nicht nur auf stumpfes Gematsche beschränkt. Vermutlich ein Vorteil, denn sonst hätte sich bestimmt kein Label wie EuroVideo seinem neuesten Film angenommen.
Prolog/Live Or Let Die (Thomas Pill, 2019/Manuel Urbaneck, 2014)
Eine geruhsame Kamerafahrt über dicht begrünte Wälder, die elegant durch die Baumwipfel zu einer Zeltstätte herunterfährt…um plakativ bei einem frivolen Pärchen zu stoppen, dessen Libido ein blutiges Ende findet. Das nächste Pärchen kann vorerst erfolgreich flüchten, findet sich in einem alten Farmgebäude wieder und nutzt den sekundenlangen Vorsprung zum Killer für eine ebenso flotte Nummer. Doch welch glückliche Fügung: Bevor der Übeltäter den Koitus erfolgreich interrupten kann, wird er doch glatt selbst um die Ecke gebracht.
Der Vorspann flimmert vor allerlei Hexenwerkzeug über den Bildschirm und kaum ist dieser nach nicht ganz einer Minute vorübergezogen, wird eine zerstückelte Leiche auf einer Landstraße von einem Zombie ausgeweidet. Postapokalyptischerweise nähert sich ein mit Handaxt bewaffneter Motorradfahrer und enthauptet den untoten Knabberer elegant beim Vorbeidüsen. Man sieht ihn noch ein wenig weiter seinem blutigen Handwerk nachgehen. Dann erwacht selbige Person aus diesem Albtraum neben seiner Liebsten und es steht fest: Die Zombiehandlung war nur ein Film im Film! Wer jetzt relativ verwirrt ist, was die konkrete Handlung von Stories Of The Dead anbelangt, wird im Folgenden aufgeklärt.
Denn tatsächlich sitzt Lucia (Beatrix Klimpke) vor dem Fernseher und sah sich betreffenden Film an – der arg strukturlos erscheinende Einstieg, fügt sich mit fortlaufender Spielzeit noch leidlich in die Rahmenhandlung ein. Denn tatsächlich handelt der Anthology-Film von Lucia, die die Gabe besitzt, die letzten Momente von Verstorbenen nachzuerleben. Deshalb verbringt sie viel Zeit auf dem örtlichen Friedhof, um dort den Geschichten der Toten zu lauschen.
Eifersucht (Thomas Pill, 2013)
In Eifersucht sehen wir einem Pärchen (Eva Habermann, Raphael Stark) dabei zu, wie die schwelende Eifersucht von einem manipulativen Freund des Mannes zum Lodern gebracht wird. Es mag abgedroschen klingen, aber diese Episode überzeugt mit Allerweltscharme. Denn wer kennt sie nicht, eifersüchtige Partner, die jeden Klick am Laptop oder jeden Anruf argwöhnischen beobachten.
Überraschend und zugleich unangenehm ist es, zu verfolgen, wie die brüchige Beziehung zwischen Claudia und David vom „Kumpel“ Tom (Christian Sklous) zum Eskalieren gebracht wird. Die Eruption sorgt zwei kleine Gewaltspitzen, diese wirken in ihrer Drastik dann aber doch etwas erzwungen. Die darstellerischen Leistungen von Habermann und Filmpartner Stark passen, heimlicher Star ist allerdings Sklous mit seiner ekelerregenden aufrührerischen Art. Schade, dass das Finale unklar bleibt, da Pill hier nur eine gekürzte Version seines Filmes einbaute.
Wert für mein persönliches Kuriositätenkabinett besitzt Eifersucht außerdem auch noch. Ich hätte nie gedacht, jemals einen Film mit Eva Habermann mein Eigen nennen zu können.
Fremdkörper (Markus Hülse, Kris Santa, 2019)
In Fremdkörper schreckt ein junger Mann aus einem Albtraum auf, der ihn bis in seinen Tag hinein verfolgt…
Vermutlich ist diese Episode, die einzige reinrassig auf Grusel und Horror getrimmte. Dieser ist auch soweit solide inszeniert, kann aber durch die knappe Laufzeit von noch nicht einmal fünf Minuten schlicht nicht fesseln. Die emotionale Bindung zu den Betroffenen fehlt deshalb, was Mitfiebern erschwert, wenn nicht unmöglich macht. Die angestrebte Pointe verpufft daher ziemlich erfolglos.
Auch wenn Lucias Gabe aus der Rahmenhandlung eine übernatürlich ist, erweckt Stories Of The Dead insgesamt einen bodenständigen Eindruck, was der Albtraumkreatur, die wie eine wilde Kreuzung aus Gollum und Cpt. Howdy erscheint, eher comicartigen Charakter verleiht.
Insgesamt eine eher schwache Episode, die noch nicht wirklich in den Bann der Totengeschichten ziehen mag.
Der Rabe (Thomas Pill, 2019)
Der Name dieser Episode lässt es schon erahnen: Hier stand Edgar Allan Poes gleichnamiges Gedicht Pate. Ralf Richter mimt hier den verzweifelten Witwer. Dabei pendelt er beim Aufsagen seines Textes zwischen Ruhrpott und Gedichtsvortrag vor einer Schulklasse. Kennt man die Vorlage, verwundert der Ausgang nicht. Technisch glatt inszeniert, aber gemessen an der Originalhandlung natürlich kurz und knapp. Der Schauer des Gedichts möchte sich aber nicht hundertprozentig einstellen, dafür wirkt die Szenerie zu glatt.
Oft ist zu lesen, dass die Wahl, den verheißungsvollen Raben von einem Schauspieler verkörpern zu lassen, weniger gut ankommt. Ich für meinen Teil muss konstatieren, dass ich die Verkörperung durch Hans Jörg Berchtold zwar eigen, aber effektiv finde. Mit Schminke und Ausstattung entsteht auf einfache Weise ein Rabe, der die mysteriöse und bedrohliche Aura der Vorlage aber perfekt einfängt. Das tief grollende Nimmermehr tut dazu sein Übriges. Berchtold bleibt auch in seinen weiteren Rollen in Stories Of The Dead mit seiner markanten Erscheinung im Gedächtnis, nur im großen Finale übertreibt der Schauspieler es stark. Wenn er dort eine völlig überdrehte Version eines Horrorclowns (ein bisschen vom Joker-Kuchen abschneiden?) zum Besten gibt, ist das tatsächlich eher anstrengend. Und erinnert in seiner hohen piepsigen Tonation eher an Momente Andreas Kunzes‘ in Helge Schneider Filmen. Wandelbar ist Berchtold also alle mal, hier scheint es aber eher unpassend.
Leben (Helmut Brandl, Thomas Pill, 2016)
Mit Leben enden dann auch die Geschichten der Toten. Den Zuschauer erwartet hier nicht nur die längste, sondern zugleich auch die beste Episode der Anthology. Erik Fernow (Peter Bosch) ist unzufrieden mit seinem Leben. Ob Ehe, Arbeit oder (weniger vorhandene) Freunde: Alles kotzt ihn an und bietet keine Erfüllung. Zufällig stolpert er über die ominöse Solution-Agentur, die sich außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung um Personen wie Fernow kümmert und eine Lösung für alle Probleme anbietet. Doch wer hätte es nicht geahnt? Mit dem Einstieg in das Solution-Programm beginnt für Erik erst der richtige Abstieg…
Peter Bosch erweckt seinen Erik Fernow als abgewrackten, unverstandenen und deprimierenden Charakter zum Leben, mit dem der Zuschauer schnell Mitleid empfindet und ihm einen Ausweg aus seiner Misere wünscht. Giulia Siegel ist trotz Beschränkung auf wenige Worte Dialog überzeugend unsympathisch. Auch wenn Bosch eine enorm überzeugende Leistung präsentiert, wird er doch noch von Siegfried Foster überschattet. Dieser mimt den Fernows persönlichen Berater Niemann bei Solution und spielt den aalglatten, gewissenlosen Geschäftsmann mit einer solchen schmierigen Brillanz, dass man gerne jeden Vertreter, der das nächste Mal an der Haustüre klingelt, zum Teufel jagen möchte.
Umso bemerkenswerter, dass Leben ausschließlich mit Dialogen und Schauspiel zu fesseln weiß, spielt der Hauptteil doch im Büro Niemanns und zeigt beide Männer bei ihren Wortgefechten. Bosch, dem man in jeder Sekunde seine existenzielle Krise abnimmt und sich immer mehr auf die dubiosen Machenschaften der Firma einlässt und Niemann, der für sich den dicken Gewinn sieht. Der eine sehnt sich nach seiner Erlösung, der andere verschachert diese für fette Geldsummen.
Stories Of The Dead – wert erzählt zu werden?
Horror Anthologies erfreuen sich nicht erst seit V/H/S oder ABCs Of Death großer Beliebtheit, sondern begeisterten schon mit Größen wie George A. Romero (Creepshow) oder Mario Bava (Die drei Gesichter der Furcht) das Publikum. Bedenkt man American Horror Story, Black Mirror oder Love, Death + Robots, wird auch schnell klar, dass selbst Serien auf diese Form der Erzählung aufspringen – und der Erfolg gibt ihnen Recht. Denn was ist das Verlockende an Anthologies? Verschiedenste Themen, Arbeitsweisen und Prozesse in kurzer Zeit zu Tage zu fördern. Bei Filmen sogar innerhalb der Dauer eines gewöhnlichen Spielfilms.
Das ist einerseits sehr verlockend, kann den Zuschauer aber auch schnell überfordern, ermüden und bei stark schwankender Qualität entnervt aufgeben lassen. Solch ein Umfangsmonstrum ist beispielsweise bereits erwähnter ABCs Of Death, der in knappen zwei Stunden sagenhafte 26 Kurzfilme abfeuert.
Auch Pills Stories Of The Dead zeigt sich von schwankender Qualität. Dankenswert ist einerseits, dass nicht einfach nur verschiedene Kurzfilme hintereinander abgespult werden, sondern diese von einer Rahmenhandlung zusammengehalten werden. Nur gestaltet sich der Einstieg leider arg holprig und unübersichtlich. Nichts gegen fragmentarisches Zusammensetzen einer Handlung, aber wenn sich die Genres einen wilden Schlagabtausch geben, bleibt die Nachvollziehbarkeit auf der Strecke.
Trotzdem bleibt eine zufriedenstellende Kurzfilmsammlung zurück, an deren Ende die technische Seite des neueren gedrehten Materials zu überzeugen weiß und mit Leben ein ansprechendes Teilstück in Erinnerung bleibt, welches durchweg überzeugend gespielt wird.
Unsere Wertung:
© EuroVideo