Das neue Science-Fiction-Drama Stowaway wird in Deutschland im Gegensatz zum Rest der Welt im Kino statt bei Netflix laufen. Erfahrt in dieser Kritik, ob der Film tatsächlich Kinoqualität hat oder ob er im Streaming besser aufgehoben wäre.
Titel | Stowaway |
Jahr | 2021 |
Land | Germany |
Regie | Joe Penna |
Genres | Science Fiction, Drama, Thriller, Abenteuer |
Darsteller | Anna Kendrick, Toni Collette, Daniel Dae Kim, Shamier Anderson |
Länge | 116 Minuten |
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Stowaway – Blinder Passagier
Captain Marina Barnett (Toni Collette) hat ihre Crew für die 42. Mission zum Mars sorgfältig ausgewählt. Mit an Bord sind die Medizinerin Zoe (Anna Kendrick) und der Biologe David (Daniel Dae Kim). Alle drei sind hervorragend ausgebildete Astronauten, jeder im Shuttle weiß, was er zu tun hat. Das Andockmanöver ans Raumschiff klappt reibungslos, sie erweisen sich als eingespieltes Team. Fünf Monate soll der Transfer zum roten Planeten dauern. Dort werden die Wissenschaftler Studien zu einer möglichen Besiedelung des Planeten betreiben, und wenn alles nach Plan läuft, in zwei Jahren wieder zur Erde zurückkehren.
Wenige Stunden nach dem Start macht Barnett allerdings eine Entdeckung, die alle Planungen gefährdet: In der Deckenverkleidung entdeckt sie einen unfreiwilligen blinden Passagier, Michael (Shamier Anderson). Für eine Rückkehr zur Erde ist es zu spät, und außerdem wurde Michaels „Versteck“ an Bord der CO2-Tank des Raumschiffs irreparabel beschädigt. Die Folge ist, dass der Sauerstoff auf keinen Fall für vier Passagiere ausreichen wird – nur drei von ihnen haben die Chance, den Mars lebend zu erreichen. Für die eigentlichen Crewmitglieder ist klar, dass nur sie ihre Reise fortsetzen können. Wie soll Michael sein Schicksal erfahren, und gibt es vielleicht doch noch eine Lösung, bei der alle überleben können?
Unsere Kritik zu Stowaway:
Der Regisseur des Films Joe Penna hat vor Stowaway lediglich mit Arctic Erfahrung sammeln können. Für sein Debüt mit Mads Mikkelsen, der im Alleingang nach einem Flugzeugabsturz in der Eiseskälte ums Überleben kämpft, hat Penna viel positive Kritik geerntet. Auch im nächsten Film konzentriert sich der Brasilianer wieder auf einen sehr kleinen Cast und eine simple Prämisse. Wieder geht es um einen Überlebenskampf, nur dieses Mal eben nicht in der Abgeschiedenheit der Arktis, sondern in den unendlichen Weiten des Weltalls. Während er jedoch mit seinem Film Arctic relativ wenige vergleichbare Filme zur Konkurrenz hatte, gibt es in den letzten Jahren einen regelrechten Boom an Science-Fiction-Filmen, die sich eher den philosophischen und wissenschaftlichen Fragen annehmen. Im Folgenden wird dementsprechend auch darauf eingegangen werden, ob diese Produktion im Vergleich mit den Werken besteht, die in der letzten Zeit das Genre mitgeprägen konnten.
Enttäuschend als Science-Fiction-Film …
Wer sich, auch auf Basis des leicht irreführenden Marketings, einen Science-Fiction-Actionfilm mit bombastischen Bildern erhofft, der wird von Stowaway enttäuscht werden. Vergleicht man beispielsweise mit The Midnight Sky, der bei Netflix Anfang des Jahres veröffentlicht wurde, so gibt es hier kaum Szenen, die aufgrund ihrer visuellen Qualitäten im Gedächtnis bleiben werden. Ironischerweise wird dieser Film im Gegensatz zur Clooney-Produktion in Deutschland sogar eine Kinoauswertung bekommen. Nicht nur technisch, sondern auch tonal und thematisch lässt sich Stowaway eher mit zwei aktuellen Serien vergleichen. Einerseits mit dem Netflix-Original Away, die nach einer Staffel abgesetzt wurde, und andererseits mit For All Mankind, einem Apple TV+ Format, in dem in einer alternativen Geschichtsschreibung das “Space Race” zwischen den USA und der Sowjetunion weitergesponnen wird. Wer mit diesen Serien, die sich mehr mit den Personen in den Astronautenanzügen beschäftigen als mit ausgeklügelten Zukunftsszenarien beschäftigen, der wird auch mit diesem Film warm werden.
Sicherlich ist auch der Produktionswert hier ganz ordentlich. Insbesondere darf man auch erwähnen, dass der Streifen komplett in den Bavaria Filmstudios entstanden ist und man damit auch von einem deutschen Projekt sprechen kann. Die Ausstattung ist stark und die Innenräume der Raumstation sehen extrem authentisch aus. Hier hält man im internationalen Vergleich gut mit. Ebenfalls lobend zu erwähnen ist der treibende Score, der zwar auch deutlich an andere Genrefilme erinnert, aber trotzdem auch hier wieder für einen hohen Grad an Immersion sorgt. Bei den Außenaufnahmen jedoch hat man sich auf ein Minimum beschränkt, was dann zwar akzeptabel aussieht, aber insgesamt doch nicht auf dem Level von Science-Fiction-Filmen, die zuletzt im Kino liefen, wie beispielsweise Ad Astra mit Brad Pitt. In allen internationalen Märkten außerhalb Deutschlands hat sich Netflix den Vertrieb dieses Films gesichert.
… überzeugend als Charakterdrama
Mehr als ein Science-Fiction-Thriller ist Stowaway ein klassisches Dilemma vor Weltraumkulisse. Und als solches überzeugt das Werk von Joe Penna auf ganzer Linie. Obwohl man nur wenig Zeit hat, die Figuren kennenzulernen, bekommen diese schnell eine glaubwürdige Charakterzeichnung. Mit nur wenigen Dialogen erfährt man genug über die Crewmitglieder, um ihre Entscheidungen nachvollziehen und sich auch gut in ihre Lage einfühlen zu können. Wie würde man selbst handeln, wenn man seine jahrelange Forschung plötzlich aufgeben soll, um jemanden zu retten, den man gerade erst kennengelernt hat? Was würde man als Leiter einer Expedition entscheiden, wenn man sich zwischen Erfolg der Mission und Sicherheit des Teams entscheiden muss? Und wie lässt sich entscheiden, wessen Überleben innerhalb der Gruppe von höchster Priorität ist?
Ziemlich langsam und etwas langatmig gelingt der Einstieg in die Geschichte rund um die drei Astronauten und ihren blinden Passagier. Doch durch das behutsame Tempo wird einerseits die zeitliche Dimension der Raumfahrt realer. Andererseits wird es auch erst durch diese bewusste Entschleunigung möglich, dass das Publikum die Entscheidungsprozesse aktiv mitdenken kann. So wird aus dem Weltraumfilm eine eindringliche Charakterstudie mit Kammerspielcharakter, die durchaus auch zu berühren weiß.
Minimaler Cast mit maximaler Qualität?
In Arctic hatte Penna lediglich einen einzigen Darsteller vor der Kamera. In Stowaway sind es nun immerhin vier Schauspielende, die jeweils mit ihrer Qualität dazu beitragen, dass das Drama als solches überzeugt. Toni Collette spielt routiniert die besonnene Anführerin an Bord des Raumschiffs, die auch in der Krisensituation rational bleibt. An ihrer Seite zeigt Anna Kendrick als emotionaler Konterpart, dass es bei vielen Situationen nicht nur auf Verstand, sondern auch auf das Herz ankommt, um die richtige Entscheidung zu treffen. Komplettiert wird die charakterlich ambivalente Besatzung durch Daniel Dae Kim und Shamier Anderson. Diese beiden werden ebenfalls nach kurzer Zeit durch ein paar Informationen zu ihrer Vorgeschichte so greifbar, dass man sich tatsächlich um ihr Schicksal sorgt.
Durch die Konzentration auf weniger als eine Handvoll Akteure bekommen alle genug Raum, um durch ihr facettenreiches Spiel die menschlichen Dimension des Dilemmas plausibel darzustellen. So fällt es nicht leicht, sich für irgendeine Seite zu entscheiden. Und eigentlich muss man auch gar nicht Partei ergreifen, denn letzten Endes nimmt ihnen das Schicksal die ein oder andere Wahl ohnehin ab…
Unser Fazit zu Stowaway
Stowaway hat zwei Probleme: Zum einen die falsche Erwartungshaltung des Publikums und zum anderen die vielen ähnlichen Science-Fiction-Filme und -serien, die sich ebenfalls mit einer Marsmission und den menschlichen Dramen an Bord des Raumschiffs beschäftigen. Während man im Vergleich auf visueller und technischer Ebene wenn überhaupt mit aktuellen Serienproduktionen standhalten kann, gelingt es aber inhaltlich dem Genre durch die Verlagerung eines klassischen Dilemmas ins All etwas Neues hinzuzufügen, was über die knapp zwei Stunden Lauflänge doch ganz gut zu fesseln weiß. Ob man jedoch zwingend ins Kino muss, ist aufgrund der ernüchternden Schauwerte zweifelhaft. Wenn der Streifen irgendwann auch in Deutschland bei Netflix landet, dann darf man gern zugreifen.
Stowaway ist ab 24. Juni 2021 im Kino zu sehen!
Unsere Wertung:
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