Wirklich strange! Unter den teuersten Animationsfilmen aller Zeiten und dennoch kaum Marketing. Demzufolge wenig Zuschauer*innen, geringe Aufmerksamkeit… sprich ein riesiger Flopp! Ist Strange World wirklich so schlecht oder hat Disney einen potentiellen Klassiker verkannt? Das erfahrt ihr hier!
Titel | Strange World |
Jahr | 2022 |
Land | United States of America |
Regie | Don Hall |
Genres | Animation, Familie, Abenteuer, Science Fiction, Fantasy |
Darsteller | Jake Gyllenhaal, Dennis Quaid, Jaboukie Young-White, Gabrielle Union, Lucy Liu, Alan Tudyk, Jonathan Melo, Abraham Benrubi, Karan Soni, Adelina Anthony, Nik Dodani, Francesca Reale, Emily Kuroda, Reed Buck, Katie Lowes, LaNisa Renee Frederick, Dave Kohut, Alice Kina Diehl |
Länge | 102 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Disney Plus Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, MagentaTV, Videoload Leihen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, MagentaTV, Videoload, Freenet meinVOD |
Die Handlung von Strange World
Noch nie zuvor hat jemand es gewagt, das titanische Gebirge am Horizont von Avalonia zu bezwingen, um womöglich einen Blick hinter „das Ende der Welt“ zu erhaschen. Welche Wunder sich vielleicht vor den Bewohner*innen verbergen, will der legendäre Abenteurer Jäger Clade in Erfahrung bringen. Sohn Searcher hat allerdings wenig Ambitionen, in die wortwörtlich großen Fußstapfen seines Vaters zu treten. Sein Interesse liegt in der Vegetation, sodass er auf Pando stößt, eine grün-schimmernde elektrisch aufgeladene Pflanze, die das Leben in Avalonia auf den Kopf stellen wird.
Eine neue Ära der Elektrizität bricht an, in welcher Searcher als Pionier gefeiert wird. Sein Vater gilt indessen als verschollen. 25 Jahre später wird die Energie-Pflanze von einer Seuche befallen, die dem technischen Fortschritt ein jähes Ende bereiten könnte. Nun liegt es an Searcher und seiner Familie, doch auf ein echtes Abenteuer in eine fremde Welt aufzubrechen.
Strange World(s)
In der anfänglichen Aufmachung von Titel plus 2D-Comic-Look-Prolog verspricht Strange World Indiana Jones/Quatermain-esque Action-Adventure in der Fremde. Der Stil erinnert an alte Pulp-Magazine, Retro-Futurismus-Abenteuer à la Die Reise zum Mittelpunkt der Erde oder auch Steampunk-Fantasy irgendwo zwischen Games wie The Little Acre und Studio Ghiblis Das Schloss im Himmel. Immer wenn Strange World in diese Regionen des Entdeckens vorstößt, die Welt in Szene gesetzt und der Familienkonflikt hinten angestellt wird, bietet die Mischung aus kreativen, surrealen Wesen und der phantastischen Animation rein visuell tatsächlich eine ereignisreiche Reise.
Dabei gilt es gleich zwei sehr kontrastreiche Welten zu erforschen. Einerseits Avalonia nach dem Zeitsprung: ein Utopia, gespickt mit von der neu gewonnenen Elektrizität betriebenen Autos, Luftfahrzeuge usw. Wenn die Dringlichkeit der Mission es nicht verlangen würde, hätte Searcher glatt daheim bleiben können und uns dieses harmonisch-ökologische Dorf näher bringen können. Denn nebst der eigentlich titelgebenden Strange World gibt es hier ebenso reichlich zu entdecken. Avalonia kommt dafür leider viel zu kurz.
Nicht neu trotzdem schön anzusehen
Auf der anderen Seite, hält sich der Film nicht zurück, um dem Publikum zu zeigen, WIE seltsam die Außenwelt tatsächlich ist: Farbenfrohe Landschaften, absonderliche Kreaturen, wobei fliegende Fischschwärme oder Miniatur-Flugsaurier noch die normalsten darstellen. Funkelnd und glimmend erinnert einiges an Hayao Miyazakis Einfallsreichtum in seinen legendären Animationsklassikern.
Nahtlos an die Vorgängerwerke des Regisseurs, Baymax sowie Raya und der letzte Drache, anknüpfend erschafft Don Hall ähnlich eindrucksvolle, ideenreiche Gestaltungen, wenngleich das Charakter-Design gewohnt eintönig und glatt bleibt (trotz äußerst gelungener Haar-Animationen).
Bizarre, Blob-ähnliche Organismen, unheimliche Tentakel-Mäuler – diese Designs wiederum wurden nicht ausschließlich konzipiert, um andersartigen Lebewesen ein „stranges“ Aussehen zu verpassen. Wenn unsere Protagonisten gegen Ende mehr über diese fremde Welt in Erfahrung bringen, werden einige Kniffe erst bedeutender, z.B. die ohnehin saftige Farbpalette und ihre Divergenz zwischen den zwei Welten.
Doppelt hält NICHT besser
Bedauerlicherweise wird man mit einer weitestgehend gelungenen Verpackung alleine auch nicht glücklich. Die Geschichte von Strange World könnte weder klischeehafter noch vorhersehbarer sein. Erzählerisch/strukturell ist Strange World äußerst konventionelle Disney-Familienfilm-Kost. Im Mittelpunkt steht zu jeder Zeit der Vater-Sohn Konflikt bzw. die Konflikte – denn wo der Generationenkonflikt zwischen Jäger und Searcher anfängt, wird er von Searcher und dessen Sohn Ethan weitergetragen. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, will man meinen, doch genau diesen Spruch wollen sowohl Searcher als auch Ethan konterkarieren.
Im Endeffekt versucht der Film besonders clever zu wirken, erzählt im Grunde indes einfach nur den gleichen Konflikt zweimal auf die gleiche Weise, welcher zudem in erwartbaren Bahnen verläuft. Wie Vater-Sohn und Vater-Sohn buchstäbliche/metaphorische Hindernisse überwinden, dürfte wirklich niemanden vom Hocker reißen.
Viele Themen, keine Dramatik
Mit dem Ringen von einer Generation mit der nächsten will der Film zwischen den verschiedenen Werten vermitteln und öffnet ein Fass nach dem anderen – Angst vor dem Verlassenwerden, Lossagen vom Elternhaus, Konfliktbewältigung, das Streben mit einem Vermächtnis gut/langfristig für die Kinder zu sorgen. Er verpasst dabei aber, auch nur eines davon wieder zufriedenstellend zu schließen. Zu vollgestopft wirkt Strange World, der dadurch mehrere Durchhänger bei relativ moderater Laufzeit nicht verhindern kann.
Neben der familiären Ebene will der Film nämlich noch die großen komplexen Themen unserer Zeit angehen – Nachhaltigkeit, Natur, Klima – schien sich aber nicht zu trauen, diese mit der nötigen Ernsthaftigkeit in einem Familienfilm anzupacken. Wie es eben erfolgreiche Genrevertreter vorgemacht haben, indem sie wenigstens kurzzeitig eine Aussage im Raum stehen gelassen haben und das Auflösen wirklich jeder emotionalen Szene mit Slapstick-Einlagen, Running-Gags plus den obligatorischen Comic-Relief-Sidekicks in den Hintergrund verbannt haben, um den Bildern und vor allem der Entwicklung auf Charakter- aber auch Filmebene Luft zum Atmen zu lassen.
Moralkeule auf die Zwölf
Das alles klingt auf dem Papier nach viel Drama, ist es bloß kaum, zum einen weil die familiären Probleme hastig abgehandelt, die Naturfragen andererseits deskriptiv einfach überspielt werden. So werden Momente, die eine enorme Veränderung mit sich bringen, kurz in einem Dialog abgehandelt – nichts hat Brisanz, nichts hat Bedeutung. Dabei zeichnet sich die Moral der Geschichte schon früh ab, die mit einer schon fast Moralapostel-mäßigen Attitüde mit dem Zeigefinger auf uns zeigt.
Die nächste Miyazaki-Parallele ist gewissermaßen das Fehlen eines klassischen Antagonisten. Wer verhält sich rücksichtslos? Vernichtet die Grundlage des Lebens? Wir, die Menschen bzw. die Erwachsenen!
Inkonsistent
In einem Meta-Kommentar erklärt Ethan kurzerhand Vater und Großvater zu den Bösewichten, da sie bei unbekannten „Monstern” unmittelbar Böses vermuten, das man zur Strecke bringen muss. In demselben Dialog hat sich der Film dann leider selbst entlarvt und das Hauptproblem von Strange World knackig zusammengefasst: „Schlechtes Storytelling”.
Schön und gut, äußerst plakativ auf Mensch vs. Natur hinzuweisen, währenddessen bleibt der Film nicht einmal kohärent in seiner Aussage, wenn Jäger und Searcher kurze Zeit später eben jene „Monster” gemeinsam „beiseiteschaffen”, nicht um Ethans Worten als vermeintliche Antagonisten Nachdruck zu verleihen, sondern für eine emotionale Vater-Sohn-Szene aufbauend auf Bergen von toten Lebewesen…
Unser Fazit zu Strange World
Ist das also der schlechteste Disney-Film? Nein! Gleichwohl können progressive Ader und tolle Optik nicht über das äußerst schematische Geschichtenerzählen hinwegtäuschen. Von zerbrochenen Familien, sozioökologischen Messages bis zur Abhängigkeit von Technologien – das Abenteuer schneidet etliche Ideen an, traut sich jedoch keines mit der erforderlichen Ernsthaftigkeit aufzulösen und dadurch wahrhaftig Emotionen zu erzeugen. Obgleich es um Entdecker, Tüftler und Erfinder geht, erfindet der Film leider nichts neu. In einem Satz zusammengefasst: erfrischend divers, nettes Design, aber belanglos sowie langweilig. In einem Wort: Mittelmaß.
Strange World ist auf Disney+ zum Streamen verfügbar und erscheint am 16. Februar auf DVD, Blu-ray und als limitiertes Steelbook.
Unsere Wertung:
© Disney