Mit einiger Verzögerung, aber jeder Menge Testosteron im Gepäck, braust The Bikeriders über die Kinoleinwände. Wir haben den Film bereits vor einiger Zeit sehen können und verraten euch, ob der Film euch motivieren wird, euer Erspartes für ein Motorrad auf den Kopf hauen zu wollen.
Titel | The Bikeriders |
Jahr | 2024 |
Land | United States of America |
Regie | Jeff Nichols |
Genres | Krimi, Drama |
Darsteller | Austin Butler, Jodie Comer, Tom Hardy, Michael Shannon, Mike Faist, Boyd Holbrook, Damon Herriman, Beau Knapp, Emory Cohen, Karl Glusman, Toby Wallace, Norman Reedus, Happy Anderson, Paul Sparks, Will Oldham, Nathan Neorr, Mierka Girten, Paul Dillon, Valerie Jane Parker, Tony Donno, Mike Endoso, Rachel Lee Kolis, Phuong Kubacki, Erin Scerbak, Andrew Riley Stephens, Forba Shepherd, David Myers Gregory, Ryan Wesley Gilreath, Michael Abbott Jr., Jim Freivogel, Maggie Cramer, Sara Mackie, Johanna McGinley, Steve Marvel, Nicholas Hargous, Radek Lord, Alex Haydon, Jordan Mullins, Becca Howell, Al Harland, Kagga Jayson, Jerry Mullins, Dakota Phillips, David Pittinger, Anna Sheridan |
Länge | 117 Minuten |
Wer streamt? | Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, MagentaTV, Microsoft Store, Videoload Leihen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, MagentaTV, Microsoft Store, Videoload, Freenet meinVOD |
Die Story von The Bikeriders
In den späten 1960ern folgt der studentische Fotograf Danny (Mike Faist) den Ursprüngen des Biker-Clubs „Vandals“. Mit der jungen, recht naiv wirkenden, aber durchsetzungsfähigen Kathy (Jodie Comer) blickt er in den Maschinenraum des Clubs, schießt Fotos und quatscht mit den Bikern. Zu diesen gehören auch der forsche Benny (Austin Butler), auf den Kathy ein Auge geworfen hat, und nicht zuletzt der Gründer und Anführer des Clubs, Johnny (Tom Hardy). In den Anfängen versammeln sich in dem Chicagoer Chapter vor allem Außenseiter, welche die Liebe zu Motorrädern ebenso eint wie der Wunsch nach einem unangepassten, freien Lebensstil. Doch im Laufe der Jahre entwickelt sich nicht nur die Beziehung zwischen Benny und Kathy, sondern auch die zwischen ihnen und Johnny.
Diesem folgt Benny bedenkenlos, was vor allem in den 1970ern, als der Club neue, jüngere Mitglieder ansammelt, zu größeren Verwerfungen zwischen Benny und Kathy führt. Denn Schritt für Schritt verändert sich der Club, spätestens mit dem Ausscheiden erster Gründungsmitglieder. Als dann noch unterschiedliche Lager innerhalb der Gruppe, die alte Garde sowie kriegsheimkehrende Alltagsflüchtige, entstehen, wachsen die Spannungen ins Unermessliche und stellen alle Beteiligten auf eine harte Probe…
Eine Veröffentlichungs-Odyssee
Wie schon zuletzt bei Monkey Man hat The Bikeriders eine holprige Fahrt auf dem Highway der Veröffentlichung hinter sich. Zunächst war unter Disneys erworbenen 20th Century Studios der Plan, den Film im Dezember 2023 herauszubringen. Dazu sollte der Film auf dem Telluride Film Festival seine Weltpremiere feiern. Doch durch den Schauspieler-Gewerkschaftsstreik konnte der Cast keine Promotion machen. Damit ließ Disney das Projekt fallen und so gelangte es in die Finger von Focus Features, die als internationalen Verleiher Universal Pictures auf dem Sozius hatten. Bei geschätzten 40 Millionen Dollar an reinen Filmproduktionskosten erscheint der Schritt, im Sommer-Blockbuster-Zeitfenster in die Kinos zu bringen, als ein durchaus mutiger.
Denn ohne Franchise oder große IP im Rücken, sind in diesem bisher aus wirtschaftlicher Sicht so enttäuschend verlaufenden Kinojahr schon ganz andere Guys auf die Nase gefallen. Hinzu kommt, dass sich uns die Frage stellt, für wen der Film genau etwas sein soll, weil die Zielgruppe recht überschaubar wirkt. Zwar stehen mit Jodie Comer, Tom Hardy und auch Austin Butler drei bekannte Gesichter zur Verfügung und nicht ohne Grund sind sie auf Charakter-Postern sehr präsent im Marketing herausgestellt. Doch ihren draw an den Kinokassen haben sie noch nicht so recht beweisen können. Wer allerdings jetzt die Ticketbuchung stornieren möchte und auf den Streaming-Start warten will, sollte ein wenig weiterlesen, denn soviel sei an dieser Stelle verraten: Gerade die Bilder und Atmosphäre der ersten Hälfte sollte man durchaus auf der großen Leinwand genießen.
GoodFellas auf Motorrädern
Denn es drängt sich nach der ersten Stunde der Vergleich mit einem Großmeister des Gangsterkinos geradezu auf, da Tempo, inszenatorische Stilistik inklusive treffender musikalischer Untermalung und Erzählweise von Regisseur und Drehbuchautor Jeff Nichols frappierend an Martin Scorsese erinnern. Eventuell ist es gewagt, The Bikeriders als GoodFellas auf Motorrädern zusammenzufassen, doch der perfekt adaptierte Style Scorseses ist der Faktor dafür, dass man den Vibe des Films recht gut aufnehmen und das Lebensgefühl der Biker spüren kann. Aus der Vorlage, ein Bildband des Fotografen Danny Lyons, verfasste der Midnight Special– Regisseur sein Skript. Dass er gleich zwei Erzählinstanzen, Kathy als Frau eines Bikers sowie Fotograf Danny, einführt, erweist sich als Fluch und Segen zugleich. So führt die Off-Erzählerin Kathy das Publikum in den geschlossenen Club ein. Doch die Mechanismen innerhalb der Gruppe werden auch durch diese Erzählsituation nur oberflächlich abgehandelt.
Ebenso fehlt der Blick ins Innere der Figuren. Dies fällt vor allem bei den Nebenfiguren auf. Denn von Michael Shannons Zipco über Boyd Holbrooks Cal bis hin zu Fotograf Danny, bleiben sie eher Typen als auserzählte Charaktere. Stattdessen baut Nichols bei seinen drei Hauptdarsteller:innen auf deren Star-Charisma. Dabei gibt Tom Hardy, nicht nur dank zurück gegelter Haare an DeNiros James Conway erinnernd, den Gruppenchef Johnny. Ihn umgibt eine Aura der Unverwüstlichkeit. Dennoch gerät auch er irgendwann in unkontrollierbare Situationen und wird von der Dynamik durch die neue Orientierung der Gruppe überrascht. Seinen Ziehsohn Benny, den Butler mit viel Coolness und großen Gesten spielt, versucht er vergeblich zu seinem Nachfolger aufzubauen. Doch Benny lässt diese Idee eher kalt. Ergründet wird dessen Charakter leider auch nur bedingt. Doch vor allem optisch drängen sich Vergleiche mit James Dean förmlich auf.
Es wird geraucht, getrunken, geraunt und gerauft
In dieser von Männern dominierten Gruppe ist Comers Kathy Ehefrau von Benny und somit nominell Teil der Vandals, doch bleibt sie auch ein wenig Außenstehende, eben auch dank ihrer Erzählfunktion. Dank Jodie Comers hervorragender Darstellung wirkt ihre Kathy nicht bloß wie das love interest von Benny, sondern wirkt mal naiv und dann wieder tough. Auch obliegt es ihrer Figur, das Gespür für die wechselnde Stimmung innerhalb der Biker-Gruppe zu formulieren und den Zuschauer:innen zu erzählen. Denn mit dem Auftritt des Funny Sonny, einem Biker aus Kalifornien, der von Norman Reedus verkörpert wird, kündigt sich ein Stimmungswechsel innerhalb der Gruppe an. Wird zu Beginn eher harmlos zusammen geraucht, getrunken und gerauft, raunt Boss Johnny mit zunehmender Größe der Vandals seine Befehle an die Gruppe, deren neue Mitglieder die Zusammenkünfte zunehmend toxischer gestalten.
Leider werden die geschichtlichen Ereignisse um Vietnamkrieg und deren Kriegsheimkehrer nur angerissen, während Aspekte wie Rassenunruhen und Martin Luther Kings Gleichheitsbestrebungen gar nicht erwähnt werden. Gerade im Angesicht dieser Erlebnisse gäbe es erzählerisches Potenzial, um auszuloten, warum sich Vandals-Mitglieder überhaupt entschließen, bewusst ins Außenseitertum zu migrieren. Denn gerade beim Familienvater und Ehemann Johnny erscheint der Schritt durchaus spannend und mutig. Nichols zeigt ihn als Fan von Brandos Der Wilde und suggeriert in einer Szene, dass dies Johnnys Motivation ist. Und bei Austin Butlers Benny sind die Leerstellen noch viel größer und die Figur bleibt letztlich etwas schemenhaft gezeichnet. Kann man über diese Kritikpunkte hinwegsehen, erstaunt vor allem Nichols handwerkliche Sicherheit. Denn seine Verneigung vor Altmeister Scorsese sieht stellenweise fantastisch aus und ist handwerklich beeindruckend sicher inszeniert.
Unser Fazit zu The Bikeriders
Jeff Nichols kleine Ballade ans Außenseitertum erzählt in knackigen 116 Minuten den Aufstieg und Fall eines Bikerclubs. Sein spürbar von Martin Scorseses Gangsterballaden inspirierter Blick auf die Vandals und ihre Mitglieder ist vor allem in der ersten Stunde temporeich inszeniert und entfacht einen starken Sog. Zwar fehlt es der Erzählung deutlich an Gewicht und auch der zeithistorische Kontext wird lediglich angerissen. Doch dafür punktet er mit seinen charismatischen Stars um Butler, Comer und Hardy. Letztlich bestätigt der fertige Film allerdings diejenigen, welche ein Kinostart eher überrascht. Denn ehrlicherweise könnte sich The Bikeriders hinsichtlich seiner Vermarktung als Problemkind erweisen, da nicht so recht klar wird, was der Film sein will und für was er steht.
The Bikeriders erscheint am 20. Juni 2024 exklusiv in den deutschen Kinos.
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Unsere Wertung:
© Universal Pictures