Felix Van Groeningen zeigt in The Broken Circle einschneidende Erlebnisse eines Paares und die damit verbundene Abwärtsspirale.
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Titel | The Broken Circle |
Jahr | 2012 |
Land | Belgium |
Regie | Felix van Groeningen |
Genres | Drama |
Darsteller | Veerle Baetens, Johan Heldenbergh, Nell Cattrysse, Geert Van Rampelberg, Nils De Caster, Robbie Cleiren, Bert Huysentruyt, Jan Bijvoet, Blanka Heirman |
Länge | 107 Minuten |
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Liebesfilme gelten allgemein hin als typische Frauenfilme und schrecken mit ihrer oftmals vorhersehbaren, fast schon einfältigen Art etliche Zuschauer ab – vorzugsweise die männlichen, kernigen, welche sich eher mit bleihaltigen Geschossen aus der Action-Kategorie identifizieren. Zu den unzweifelhaften Evergreens der kitschig-seichten Liebesunterhaltung zählen mit Sicherheit solche Werke Pretty Woman, Dirty Dancing oder auch Notting Hill.
ie vorhersehbare Romantik-Schiene wird aber vor allem im unabhängig produzierenden Filmsektor dankenswerter Weise gekonnt umschifft. Da werden die großen Inhalte des menschlichen Lebens thematisiert: Schuld und Sühne, Liebe und Verrat, Tod und Vergebung. Da hat beispielsweise Derek Cianfrance mit Blue Valentine ein unsentimentales und von allem Kitsch befreites Drama geschaffen, welches aber gerade wegen seines bitteren Realismus von ungeheurer Kraft ist. Übertroffen hat er sich kurz darauf mit seinem elegischen Drama The Place Beyond The Pines, welches die Schuldfrage sogar generationenübergreifend thematisiert. Der Geschmack von Rost und Knochen von Jacques Audiard überrascht ebenso mit einer lebensnahen Liebesgeschichte, die sich nicht scheut, auch die unbequemen Seiten des Beziehungslebens zu bebildern.
Der Kreis ist durchbrochen – The Broken Circle
Ganz im Stile dieser Werke steht der belgisch-niederländische The Broken Circle und setzt auf eine realistische Betrachtung der Beziehung zwischen Elise und Didier. Diese erfährt deshalb auch nicht die klischeegespickte Entwicklung aus Kennenlernen-Enttäuscht werden-Zueinanderfinden, sondern konfrontiert den Zuschauer direkt zu Beginn mit voller emotionaler Schlagkraft: Didier und Elise erfahren von der Leukämie-Erkrankung ihrer sechsjährigen Tochter. Fortan springt der Film hin und her und präsentiert verschiedene Geschehnisse in der Beziehung der beiden.
Wir sehen ihr zögerliches Kennenlernen und verschmitzte Blicke. Ein Paar, glücklich und verliebt, voll entflammter Leidenschaft, die in einer Tochter mündet. Ein Paar; rat- und hilflos, dem von der ärztlichen Diagnose der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Wir sehen ein Paar, voll gegenseitiger Anschuldigung und zunehmender Entfremdung.
Tatsächlich strotzt The Broken Circle vor Schicksalsschlägen, die man als Zuschauer erst einmal aushalten können muss. Dabei vollbringt der Film das Kunststück, nicht der banalen Dramaturgie vom erfüllten Familienleben hinein in die Abwärtsspirale zu folgen, sondern vermischt unchronologisch Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges miteinander. Dadurch bleibt der tatsächliche Ausgang unvorhersehbar, selbst wenn während der Spielzeit schon Szenen des Finales eingestreut werden. Die Umsetzung ist dabei weniger verwirrend als es den Anschein hat. Vielmehr dienen die Bilder aus der glücklichen, unbeschwerten Vergangenheit als willkommener Anker des friedvollen Familienglücks. Selbst die erschütternden Szenen auf der Kinderkrebsstation sind von Wärme und Geborgenheit durchzogen, dass bei allem Elend ein Funken Hoffnung mitschwingt.
Bluegrass als Lebenseinstellung
Einen für den Zuschauer beinahe schon erlösenden Charakter nimmt während des gesamten Werkes die musikalische Untermalung ein. Dabei verzichtet The Broken Circle auf allzu schwülstige orchestrale Musik und konzentriert sich ganz im Sinne von Didiers beruflicher Tätigkeit auf Bluegrass-Musik. Dieses Untergenre der Country-Musik stellt, wie Didier im Film erklärt, die reinste Form des Country dar: „’ne Violine, n‘ Bass, ’ne Mandoline, ’ne Gitarre und ein Banjo. Alles nur Saiten, reine Akustikmusik und Gesangsstimmen“.
Die einzelnen Musikstücke pendeln wunderbar zwischen Melancholie und aufmunternder Hoffnung und unterstreichen mit diesen verschiedenen Stimmungen perfekt die fragmentarisch dargebotenen Lebensabschnitte von Elise und Didier. Vor allem ihr gemeinsamer letzter großer Auftritt wird mit dem Titel „If I Needed You“ zur sehnsüchtigen Zerreißprobe.
Schöne Bilder und Musik allein lassen den Film jedoch noch nicht zu seiner vollen emotionalen Wucht aufblühen. Mit Johan Heldenbergh und Veerle Baetens hat The Broken Circle ein Gespann vor der Kamera, welches von der ersten bis zur letzten Minute pure Authentizität ausstrahlt. Beide sind optisch und beruflich zwar etwas außerhalb der gesellschaftlichen Norm angesiedelt, bedienen mit ihren Träumen und Erlebnissen aber universelle Thematiken, dass die Identifikation nicht lange auf sich warten lässt.
Authentisches Schauspiel
Heldenbergh, der neben Auftritten in Filmen nicht nur Theaterschauspieler, sondern auch -regisseur ist, schuf mit The broken circle breakdown featuring the cover-ups of Alabama die Vorlage für die Theaterbühne. Außerdem konnte er Van Groeningen (zuletzt in Hollywood: Beautiful Boy) von seinem schauspielerischen Talent schon in dessen 2009 gedrehten Drama Die Beschissenheit der Dinge überzeugen. In The Broken Circle versteht er es meisterlich, den Zuschauer in seine Figur des Didier zu ziehen: Die locker-leichte Aufbruchstimmung des frühen Verliebtseins, der Schock und die Unsicherheiten nach den hammerharten Schicksalsschlägen. Alle Nuancen sitzen; seien es verletzte Blicke, zornige Wutreden oder liebevolle Gesten gegenüber Frau und Tochter.
Veerle Baetens steht ihrem Filmpartner in keinster Weise nach und schafft es, aus Elise ein authentisches Frauenbild zu zaubern. Selbstbewusst, verletzt, enttäuscht, verängstigt oder verliebt – auch sie beherrscht die gesamte Gefühlsklaviatur des menschlichen Seins. Hinzu kommt, dass beide Darsteller nicht nur schauspielerisch überzeugen, sondern den Film mit ihren Gesangsstimmen bereichern.
The Broken Circle ist deshalb ein Werk, welches in erster Linie erlebt werden muss. Der Film weckt Emotionen, die wohl tief in jedem Menschen schlummern. Man muss nur den Mut haben sich diesen zu stellen. Der Film strotzt vor Liebe und Mut, er spendet Trost, ist dennoch gleichzeitig enorm aufwühlend und von ungeheurer emotionaler Wucht. Eigentlich ist jedes Wort vergeudete Mühe, der Emotionalität des Streifens Respekt zu zollen. Seine herzzerbrechende Schlagkraft kann er aber nur entfalten, indem man ihn erlebt.
„Alabama & Monroe„
Unsere Wertung:
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