Nachdem er mit seinem letzten Film, First Reformed, zahlreiche Preise abräumen und sowohl Kritiker als auch Publikum überzeugen konnte, legt Paul Schrader mit The Card Counter sein nächstes schwer verdauliches Drama nach. Ob der Film auf einem ähnlich hohen Level überzeugen kann, lest ihr in unserer Rezension.
Titel | The Card Counter |
Jahr | 2021 |
Land | Sweden |
Regie | Paul Schrader |
Genres | Drama, Thriller |
Darsteller | Oscar Isaac, Tiffany Haddish, Tye Sheridan, Willem Dafoe, Alexander Babara, Bobby C. King, Ekaterina Baker, Bryan Truong, Dylan Flashner, Adrienne Lau, Joel Michaely, Rachel Michiko Whitney, Muhsin Fliah, Joseph Singletary, Kirill Sheynerman, Amia Edwards, Britton Webb, Amye Gousset, Billy Slaughter, Shane LeCocq, Olivia Peck, Rob Eubanks, April Alsbury, Marlon Hayes, Alireza Mirmontazeri, Fran Robertson, Brittney Souther, Kate Lyn Whitaker, Luca De Massis |
Länge | 112 Minuten |
Wer streamt? | Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, Videobuster, MagentaTV, Microsoft Store, Yorck on Demand, Videoload, Verleihshop Leihen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, Videobuster, MagentaTV, Microsoft Store, Kino on Demand, Yorck on Demand, Videoload, Verleihshop, Freenet meinVOD |
Worum geht’s in The Card Counter?
The Card Counter erzählt die Geschichte von William Tell (Oscar Isaac). Dieser tourt von Casino zu Casino und nutzt die in seinen Jahren hinter Gittern erworbene Fähigkeit des Kartenzählens, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dabei spielt er stets mit kleinen Einsätzen, damit die von den Casinobetreibern nicht gern gesehene Masche möglichst spät auffliegt. Eines Tages lernt William Cirk (Tye Sheridan) kennen, und nimmt den offenbar etwas ziellos durchs Leben schreitenden jungen Mann unter seine Fittiche. Mit der Zeit offenbart sich, dass beide Männer in der Vergangenheit mit einem gewissen Major John Gordo (Willem Dafoe) in Verbindung standen und mit ebenjenem noch Rechnungen offen haben. Parallel dazu tritt die mysteriös wirkenden Agentin La Linda (Tiffany Haddish) in Williams Leben und will ihn für ihr Team aus professionellen Glücksspielern verpflichten.
Schraders nächster Streich?
Sowohl für das Drehbuch als auch für die Regie von The Card Counter zeichnet Paul Schrader verantwortlich. Damit geht durchaus eine gewisse Erwartungshaltung einher, so hat Schrader für seinen letzten Film First Reformed, in dem Ethan Hawke und Amanda Seyfried die Hauptrollen spielten, sogar eine Oscarnominierung für das Beste Drehbuch einheimsen können. Und auch schon Jahre zuvor konnte er sich mit den Drehbüchern zu Bringing Out the Dead – Nächte der Erinnerung und Taxi Driver, beide inszeniert von Martin Scorsese, einen klangvollen Namen in Hollywood erarbeiten.
Ob The Card Counter das Zeug dazu hat eine ähnliche Reputation wie die genannten Filme zu erlangen, das ergründen die nächsten Kapitel.
Falsche Fährten
Bei dem Kinoplakat zu The Card Counter besteht die Möglichkeit, dass das Publikum auf die falsche Fährte geführt wird. Jedenfalls sollte man keinen Film in der Tradition von Oceans 11 oder ähnlich leichtfüßigen Heist-Filmen erwarten. Denn zu lachen hat man in den 111 Minuten Laufzeit so gut wie nichts. Während die ersten Minuten noch schwungvoll daherkommen und ein paar interessante Hintergrundinformationen zu der Kunst des Kartenzählens vermitteln, so machen die dann folgenden Ereignisse und Entwicklungen in der Story unmissverständlich klar, dass man es im Kern mit einem sehr existenzialistischen und nihilistischen Drama zu tun hat. Denn als sich offenbart, dass sowohl William als auch Cirk von Rache und Vergeltung an ein und demselben Mann getrieben werden, wird klar, dass sie sich in einer unaufhaltsamen Abwärtsspirale befinden, die, aller Voraussicht nach, für keinen der Beteiligten gut ausgehen wird.
Dabei bewahrt sich der Film über weite Teile seiner Laufzeit eine gewisse Rätselhaftigkeit. Warum schlägt William die gesamte Einrichtung seiner Hotelzimmer in Laken ein? Warum hält er sich fast schon stoisch an seine gewohnten Tagesabläufe und was hat seine Vergangenheit im Krieg und daraufhin im Gefängnis damit zu tun?
Ein intensives Erlebnis
Diese Tonalität der Geschichte wird durch die Audiovisualität des Films deutlich unterstrichen. Der im Hintergrund bedrohlich wabernde Score, die teilweise seltsam entrückt anmutende Soundkulisse und die durch die Kameraarbeit von Alexander Dynan (der auch schon bei First Reformed für die Bilder verantwortlich war) bewusst aufgebaute Distanz zu den Figuren tun da ihr übriges. Vor allem in später im Film vorkommenden Rückblenden, in denen wir mehr über Williams und Gordos gemeinsame Vergangenheit im Gefangenenlager Abu-Ghuraib erfahren, sorgt die Melange aus hektischen Kamerafahrten, Fischaugenoptik und verzerrter Musik für ein Gefühl der Überforderung und der Desorientierung. Damit verstärkt Schrader die Wirkung der in diesen Szenen gezeigten erschütternden Taten fast bis ins Unzumutbare.
Aus dem Ensemble von The Card Counter ist Oscar Isaac als undurchsichtige Hauptfigur William Tell definitiv hervorzuheben. Er verleiht der sowieso schon interessant angelegten Figur eine enorme Gravitas. Durch sein zurückgenommenes Spiel und die häufigen inneren Monologe erinnert er in vielen Szenen an die Darstellung des Elliot Anderson von Rami Malek in Mr. Robot.
Lediglich die Besetzung von Tiffany Haddish, die man eher als beschlagene Darstellerin aus dem Comedy-Genre kennt, wirkt ob der Ernsthaftigkeit des Films etwas unpassend.
Nicht für alle etwas
Bei all den positiven Worten ist Paul Schraders The Card Counter aber mitnichten ein Film für jedermann. Die erdrückend düstere Atmosphäre lässt so gut wie keinen Raum zum Verschnaufen und man sollte weder sympathische noch liebenswerte Figuren erwarten, mit denen man mitfiebern kann.
Die Entwicklungen in den zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen William, Cirk und La Linda sind vielleicht sogar einer der markantesten Schwachpunkte des Films. Denn hier verpasst es das Drehbuch leider, einige relevante Momente dieser Entwicklungen zu zeigen, sodass man sie schlicht und einfach hinnehmen muss. An dieser Stelle hätte das altbekannte Prinzip von „Show, don’t tell“ gerne intensiver zur Anwendung kommen können. An der Glaubwürdigkeit der dramatischen Zuspitzung im letzten Viertel des Films rüttelt dieser Makel allerdings keinesfalls.
Unser Fazit zu The Card Counter
Paul Schrader ist nicht dafür bekannt, leicht verdauliche Filmkost zu servieren. Und diesem Ruf wird er mit The Card Counter erneut gerecht. Doch wer sich auf den nihilistischen Roadtrip einlässt, der wird mit einem überzeugenden Charakterdrama und einer spannend geschriebenen Geschichte belohnt.
The Card Counter ist seit dem 3. März 2022 im Kino zu sehen.
Unsere Wertung:
© Weltkino Filmverleih