Vor genau 10 Jahren erschien Cloverfield und revolutionierte das sogenannte virale Marketing. Nachdem 2016 mit 10 Cloverfield Lane eine lose Fortsetzung in den Kinos anlief, veröffentlichte Netflix nun überraschend einen dritten Teil. Doch The Cloverfield Paradox ist leider nicht mehr als ein Aufguss altbekannter Zutaten, die man anderswo bereits besser sehen konnte.
Titel | The Cloverfield Paradox |
Jahr | 2018 |
Land | United States of America |
Regie | Julius Onah |
Genres | Horror, Science Fiction, Thriller |
Darsteller | Gugu Mbatha-Raw, Daniel Brühl, Chris O'Dowd, David Oyelowo, John Ortiz, 章子怡, Elizabeth Debicki, Aksel Hennie, Roger Davies, Clover Nee, Donal Logue, Simon Pegg, Greg Grunberg, Jordan Rivera, Suzanne Cryer, Nathan Oliver |
Länge | 102 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads |
Bereits im Jahr 2012 wurde der Film unter dem Titel „God Particle“ erstmals offiziell angekündigt, doch J.J. Abrams und seine Produktionsfirma Bad Robot hatten andere Pläne mit dem Script von Oren Uziel und Julius Onah. Was als eigenständiger Film gedacht war, sollte nun Bestandteil eines lose verknüpften Cloverfield-Universums werden. Das Drehbuch musste also umgeschrieben und angepasst werden, um als Fortsetzung der Reihe funktionieren zu können.
Worum geht es überhaupt?
Die Erde leidet unter einer ernsthaften Energiekrise, die täglich zu mehreren Blackouts in den Städten führt. Die Lage ist angespannt, und so soll ein Teilchenbeschleuniger im Orbit der Erde den Planeten retten (wie genau das eigentlich gehen soll bleibt jedoch zumindest rätselhaft). Alle Versuche der internationale Crew der Cloverfield-Raumstation um Ava Hamilton (Gugu Mbatha-Raw) und den deutschen Wissenschaftler Schmidt (Daniel Brühl) waren bisher jedoch nicht von Erfolg gekrönt. Als wir in einem Nachrichtenmitschnitt die mahnenden Worte eines besorgten Autors hören, der vor den gravierenden Folgen eines sog. Cloverfield-Paradoxons bei Inbetriebnahme des Teilchenbeschleunigers warnt und die Menschheit auf Dämonen anderer Dimensionen hinweist, die durch das Experimentieren am Raum-Zeit-Kontinuum auf die Erde kommen könnten, ist dem geneigten Zuschauer natürlich sofort klar, dass das Unheil nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Nachdem der letzte Versuch zunächst von Erfolg gekrönt schien, sehen sich die Mitglieder des Teams plötzlich mit rätselhaften Ereignissen auf ihrer Station konfrontiert, während Hamiltons Ehemann Michael (Roger Davies) indes auf der Erde von riesigen Monstern bedroht wird…
Und nun?
Soweit, so gut. Doch was sich auf dem Papier wie ein netter SciFi-Horror anhört, entpuppt sich leider als ein simpler Aufguss bekannter Versatzstücke. Obschon The Cloverfield Paradox einige coole Ideen aufzuweisen weiß, kommt man doch nicht umhin festzustellen, alles schon einmal irgendwo gesehen zu haben – nur in besser. „Event Horizon“, „The Thing“ oder „Sphere“ sind als klare Vorlagen zu erkennen, was per se nicht zwangsläufig schlimm wäre, wenn das Ergebnis nicht so lustlos und unlogisch herüberkommen würde.
Ein großes Problem ist dabei, dass die vielleicht ganz netten Einfälle und Schockeffekte für sich alleinstehend funktionieren könnten, doch zu keinem kohärenten Ganzen verwoben werden. Die von Schmidt (Daniel Brühl) dargelegte Erklärung, dass aufgrund von konkurrierender, interdimensionaler Teilchen die Ereignisse auf der Station jeglicher Logik entbehren, ist dabei lediglich Zeuge für das lazy writing der Autoren und Eingeständnis der selbigen, dass sie sich im Prinzip nicht wirklich etwas dabei gedacht haben. Denn mit Science Fiction hat The Cloverfield Paradox leider nur augenscheinlich etwas zu tun und ist bei näherem Hinsehen deutlich mehr Fiktion als Wissenschaft.
Der Teilchenbeschleuniger als letzte Rettung für die Energiekrise erhält kaum bis keine Hintergründe, stattdessen leutchet es hier mal ein bisschen rosa, dort mal ein bisschen blau. Ein wenig sinnfreies Gehacke auf verschiedenen Terminals darf natürlich nicht fehlen und am Ende braucht es offenbar noch einen merkwürdig mystischen Würfel, um das ganze Experiment in Gang zu bringen. Was in einem Comic vielleicht noch zu verkraften wäre, ist in einem (ernstzunehmenden) Science-Fiction-Film leider einfach nur albern.
Selbst über das könnte man eventuell hinwegsehen, wenn zumindest die Protagonisten überzeugen würden. Doch die Charaktere sind blass und eindimensional. Der eiserne Russe (Askel Hennie), der zwielichtige deutsche Wissenschaftler (Daniel Brühl) oder der knuffige Italiener (Chris O’Dowd), der selbst im Momenten äußerster Bedrängnis noch einen lockeren Spruch auf den Lippen hat, scheinen aus dem Setzbaukasten für Stereotype zusammengestellt. Schauspielerisch ist es dabei allenfalls durchschnittlich, selbst Daniel Brühl, gewöhnlich mit guten Leistungen aufwartend, wirkt in diesem Film seltsam deplatziert. Ob den Darstellern dabei aber zwingend ein Vorwurf zu machen ist, weiß ich nicht, denn viel mehr gab das Drehbuch auch einfach nicht her.
Warum jetzt eigentlich Cloverfield?
Die Verbindungen zu Cloverfield sind wie schon bei 10 Cloverfield Lane eher lose, obschon The Cloverfield Paradox eine Erklärung für die Ereignisse im ersten (und zweiten) Film liefert. Man merkt dem Film jedoch an, dass die Entscheidung, das Projekt zum Teil eines Shared Universe zu machen, erst während der Produktionsphase geschah und die Bezüge erst nachträglich in ein eigentlich eigenständiges Drehbuch eingefügt wurden. Dies war im Prinzip auch beim zweiten Teil bereits der Fall, als höchstens die letzte Szene einen Hinweis auf die Verwandschaft zum Vorgängerfilm bot, doch wo 10 Cloverfield Lane durch eine beklemmende Atmosphäre und glänzend aufgelegte Schauspieler überzeugen konnte, lässt The Cloverfield Paradox den Zuschauer doch eher unbefriedigt zurück.
Wir werden dabei das Gefühl nicht los, dass sich Paramount Pictures und Bad Robot der Mängel durchaus bewusst waren. Nachdem ein Kinostart wiederholt verschoben wurde, kamen im Januar erstmals Gerüchte auf, dass ein Release auf der großen Leinwand endgültig vom Tisch ist und stattdessen eine direkte VOD-Veröffentlichung bei Netflix geplant sei. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht mal ein Titel des Films bekannt, außer dass der ursprüngliche Name „God Particle“ fallengelassen wurde, um eine Verbindung zum Cloverfield-Universum hervorzuheben. Da staunten die Zuschauer des Super Bowls am vergangenen Sonntag nicht schlecht, als überraschend ein 30-sekündiger Trailer in einer der Werbepausen lief (Kostenpunkt für die Schaltung eines solchen Spots übrigens 5 Millionen (!) US-Dollar). Und nicht nur das! Der Trailer kündigte zudem an, dass The Cloverfield Paradox mit sofortiger Wirkung auf Netflix abrufbar wäre.
Fazit
Marketingtechnisch haben die Verantwortlichen also vermutlich wieder einmal alles richtig gemacht. Die Geheimniskrämerei und die überraschende Veröffentlichung haben dem Film einen ordentlichen Schub verpasst. Doch qualitativ fällt The Cloverfield Paradox leider deutlich gegenüber seinen beiden Vorgängern ab. Während der Film auf visueller Ebene durchaus zu überzeugen weiß, bleiben gravierende Mängel im Drehbuch leider nicht unbemerkt. Dass The Cloverfield Paradox dennoch zumindest kein Totalausfall ist, verdanken wir der Tatsache, dass er bei allen Schwächen dennoch zumindest einen gewissen Grad an Spannung aufweisen kann. Wenn man das Gehirn ausschaltet und gerade keine Alternative zum Anschauen hat, dann erwartet den Zuschauer vielleicht ein zumindest solider Streifen ohne viel Anspruch. Ansonsten ist es aber ratsamer, lieber nochmal „Event Horizon“ oder „Sphere“ einzulegen, die weiß Gott auch nicht alles richtig machen, dabei aber zumindest mit einer atmosphärischen Dichte punkten können, die vorliegender Film leider vermissen lässt.
©Netflix