Zum 50. Jubiläum bringt Studiocanal den Film zurück, den Francis Ford Coppola viel lieber als Der Pate drehen wollte: Der Dialog.
Titel | Der Dialog |
Jahr | 1974 |
Land | United States of America |
Regie | Francis Ford Coppola |
Genres | Krimi, Drama, Mystery |
Darsteller | Gene Hackman, John Cazale, Allen Garfield, Frederic Forrest, Cindy Williams, Michael Higgins, Elizabeth MacRae, Teri Garr, Harrison Ford, Mark Wheeler, Robert Shields, Phoebe Alexander, Ramon Bieri, Gian-Carlo Coppola, Robert Duvall, Richard Hackman, Billy Dee Williams |
Länge | 113 Minuten |
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Die Handlung von Der Dialog
Harry Caul (Gene Hackman) ist ein Meister der Abhörtechnik. Seine Dienste sind käuflich, was bisher auch kein Problem darstellte. Bei seinem aktuellen Auftrag hört er jedoch das junge Paar Marc und Ann auf einem öffentlichen Platz in San Francisco ab. Schnell wird ihm klar, dass hier ein Mordkomplett in Gang zu sein scheint. Harrys moralische Grundsätze sind erschüttert und er weigert sich seine Tonbänder an seinen Auftraggeber zu übermitteln. Nach und nach wächst in ihm die Paranoia, dass er selbst die Zielscheibe ist. Seine penibel gehütete Privatsphäre, die selbst seine Partnerinnen nie durchdringen, scheint dahin.
Zwischen Der Pate 1 und Der Pate 2
Der Name Francis Ford Coppola ist heute untrennbar mit der Pate-Reihe verbunden. Den dritten Teil ließ er vor wenigen Jahren noch in einer neuen, seiner gewünschten Schnittfassung veröffentlichen (zur Kritik).
Deshalb klingt es rückblickend erstmal verwunderlich: Anfang der 70er-Jahre wollte Coppola unbedingt Der Dialog realisieren – lieber als Der Pate.
Doch die Gelegenheit dazu erhielt er erst nach dem Erfolg des ersten Teils des Mafia-Eposes. Zwischen die Produktion von Teil 1 und Teil 2 gequetscht blieb am Ende für Der Dialog sogar zu wenig Zeit, um das Drehbuch vollständig zu verfilmen.
Coppola musste Hals über Kopf das Filmset wechseln, was den Film gut 10 Minuten kostete. Die heute noch herausstechende Traumsequenz, in der Gene Hackmans verschlossene Figur doch ein wenig aus seiner Kindheit erzählt, sollte eigentlich länger andauern und in der Realität spielen.
Kurios und ein waschechtes Trivia: Eine kurze Szene in der Mitte des Films, die die Ereignisse der zweiten Hälfte einleitet, musste sogar in einer Ecke von Polanskis Chinatown-Set nachgedreht werden. So konnte schnell eine Kamera geliehen, die Requisiten aufgebaut und Gene Hackmans Bruder engagiert werden.
Mit dem insgesamt gefilmten Material war Editor Walter Murch schließlich sogar ein Jahr beschäftigt. Dem Film tut dies beim Schauen aber keinen Abbruch.
Coppolas Steppenwolf
Francis Ford Coppolas Der Dialog fühlt sich stark wie ein Film aus zwei Genres an, die sich auf die beiden Filmhälften des rund zweistündigen Streifens verteilen. Während die zweite Stunde wohl eher das ist, was viele (wie auch ich) erwarten, nämlich einen packenden Paranoia-Thriller, ist die erste Hälfte ein Charakterdrama.
Denn als größte Inspiration für Coppolas Der Dialog gilt Hermann Hesses Steppenwolf, in dem Harry Haller unter der Zerrissenheit seiner Persönlichkeit leidet. Da ist auf der einen Seite der kultivierte Bürger, das vollintegrierte Mitglied in die bürgerliche Gesellschaft. Auf der anderen Seite steht der Steppenwolf, der einsame Einzelgänger, Zweifler und Abtrünnige, der sich für überlegen hält.
Auch Coppolas Harry Caul (der Name ist wegen eines Tippfehlers einer Sekretärin mehr verfremdet als beabsichtigt), den Gene Hackman grandios verkniffen verkörpert, ist eine Art Steppenwolf. Niemand kennt seine Adresse. Sein Privatleben bzw. sein Leben außerhalb seiner beruflichen Tätigkeit, für die er in der Branche fast schon Starruhm genießt, ist eine Black Box.
Das Wölfische in Caul spinnt Coppola hier aber spiegelbildlich noch deutlich weiter, denn sein Harry dringt tief in die Privatsphäre seiner zu überwachenden Personen ein. Er beraubt sie ihrer Intimsphäre, um für seine Klienten an Informationen zu kommen.
Gene Hackman spielt diesen stets verschlossenen Charakter mit Bravour. Während er in seinem Job weltmännisch, offen und selbstbewusst auftritt, blockt er bei persönlichen Fragen sofort ab und igelt sich ein.
Um ihn dennoch greifbar als Person zu machen, darf Hackman Saxophon spielen. Das gibt Harry Caul eine Facette, die das Kalte und Technisch-Berechnende seiner Arbeit kontrastiert und Gefühle andeutet, die er sonst verbirgt.
In der Reihe der Hitchcock-Thriller
Der Dialog will das für den Ton sein, was Blow Up in den 60er-Jahren für das Bild war. Soll heißen: In dem britisch-italienischen Thriller von Michelangelo Antonioni macht ein Modefotograf eine schockierende Entdeckung, als er seine harmlos scheinenden Bilder eines küssenden Paares im Park vergrößert.
In Der Dialog ist es die Ton-Überwachung und die daraus entstehende Ton-Aufnahme eines harmlos erscheinenden Gespräches eines Paares, das die Ereignisse des Films in Gang setzt.
Aus dem heimlichen Beobachter wird selbst ein Betroffener, der um sein Leben fürchtet und seine eigene Moral hinterfragen muss. Ehe er sich versieht, möchte ich an dieser Stelle sagen, aber Coppola hat es alles andere als eilig.
Es dauert rund eine Stunde, bis der eigentliche Thrill aufkeimt. Denn dass Harry Caul moralische Probleme hat, seine Tonbandaufnahme seinem Auftraggeber abzugeben, ist erstmal schwer zu verstehen.
Erst als Caul dank seiner selbstgebauten Gerätschaften einen eigentlich übertönten Gesprächsausschnitt herausfiltern kann, sind die Weichen endlich gestellt. Ab dann kommt auch das kribbelnde Gefühl der Paranoia auf.
Verschwörung ist das Stichwort, ein Thema, das charakteristisch für einige Filme der 70er steht. Erwähnt sei hier z.B. der immer noch unglaublich intensive Die drei Tage des Condor mit Robert Redford.
Ganz so schwungvoll ist Coppolas Inszenierung dagegen leider nicht. Der Dialog ist deshalb umso mehr ein Film der richtigen Erwartungshaltung, sonst kann sich gerade die erste Stunde elendig in die Länge ziehen.
Unser Fazit zu Der Dialog
Coppolas Herzensfilm Der Dialog, den er notgedrungen zwischen Der Pate 1 und 2 quetschen musste, ist eine ungewöhnliche Mischung aus Charakterdrama und Paranoia-Thriller. Gene Hackman meistert die schwierige Aufgabe, seinen quasi biographielosen Harry Caul zu einer interessanten Figur zu machen. So reiht sich Der Dialog ein in eine Reihe enorm spannender Filme, die deutlich von Hitchcock inspiriert sind und ihre alltäglichen Figuren vor außerordentliche (moralische) Probleme und Herausforderungen stellen.
© Studiocanal