The Last Son in ein konsequent nihilistisches Westerndrama um einen Killer auf der Jagd nach seinen eigenen Söhnen. Der Mensch als Bestie, die sich nur um sich selber schert. Ob ein Film ohne jeden Sympathieträger dennoch den Weg in unsere Herzen finden kann, erfahrt Ihr hier.
Titel | The Last Son |
Jahr | 2021 |
Land | United States of America |
Regie | Tim Sutton |
Genres | Western, Action, Abenteuer, Drama |
Darsteller | Sam Worthington, mgk, Thomas Jane, Heather Graham, Emily Marie Palmer, Kim DeLonghi, Danny Bohnen, Scotty Bohnen, Alex Meraz, James Landry Hébert, James Di Giacomo, Bates Wilder, Kendra Alaura, Hiram A. Murray, David Silverman, David Myers Gregory, Steve Silkotch |
Länge | 96 Minuten |
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Die Handlung von The Last Son
Isaac LeMay (Sam Worthington) ist ein brutaler Indianerschlächter. Das zieht in The Last Son natürlich den Zorn der First Nations nach sich, in ganz indigener Natur in Form eines Fluchs. Der Cheyenne-Häuptling White Thunder prophezeit ihm den Tod durch die Hand eines Nachkommen. Und davon hat LeMay reichlich. Denn während er auf der einen Seite reichlich Tod spendete, sähte er quasi zum Ausgleich in den Hurenhäusern des weiten Westens reichlich neues Leben. Um den Fluch zu brechen, bemüht er sich jedoch, diesen Fehler Stück für Stück beziehungsweise Sohn für Sohn zu bereinigen.
Auf seinem mörderischen Feldzug verschont er nur seine einzige Tochter Megan (Emily Marie Palmer). Doch sein titelgebender letzter Sohn Cal (Colson Baker aka Machine Gun Kelly) ist gewarnt. Selbst kein Verächter tödlicher Waffen und im besten Sinne des Wortes halt ein echter Hurensohn, klaut er sich bei der Armee eine Gatling Gun, mit der weiland schon Django durchschlagenden Erfolg erzielen konnte. Und mit der auch Cal gleich zur Probe eine ganze Abteilung Uniformierter niedermetzelt. Wie der Vater, so der Sohn, möchte man meinen – oder der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Allerdings ruft diese Untat auch den Offizier Solomon auf den Plan, der nun Vater und Sohn nachspürt. Mit indianisch geprägter Spürnase übrigens, womit sich der Kreis der Protagonisten auch thematisch weiter schließt.
Wie viel Tiefe brauchen Charaktere?
Man kann sich die Kritiken an diesem Düster-Western von Tim Sutton schon nach dem ersten Ansehen gut vorstellen: Den Charakteren in The Last Son fehlt es an Tiefe, die Handlungen sind unzureichend motiviert und vor allem: Da gibt es ja keinen einzigen Sympathieträger! Stopp! Den gibt es doch, nämlich in Gestalt Solomons. Aber: Dessen Figur ist für die Handlung wiederum ziemlich irrelevant. Also hat Sutton den immer wieder hervorragenden Thomas Jane (The Punisher, The Expanse) nur ins Team geholt, um wenigstens einen kleinen Lichtblick zu schaffen? Mag sein. Und das ist sogar hilfreich. Denn The Last Son ist von einem so durchgreifenden Nihilismus durchsetzt, dass es schon fast weh tut. Was aber auch das Gute an dem Streifen ist.
Die Welt ist düster – und der herrschende Winter korrespondiert mit den eiskalten Seelenzuständen der Menschen. Nur die Natur bietet Lichtblicke, nicht nur in Form schöner Landschaftsaufnahmen. Immer wieder kommen oft scheinbar etwas unmotiviert Tiere ins Bild, als Gegenpart zur menschlichen Anti-Natur. Wenn auch meist als Opfer, weil der Mensch halt tut, was er so tut: Die Natur kaputt machen. Wobei selbst dem Killer angesichts tierischen Elends Zweifel befallen mögen. Als Cal mit seinen Kumpanen einen in einer Falle verendeten Fuchs findet, will er den Kadaver begraben. „Welches Schwein tut so etwas“, sagt der Mann, der sich kurz zuvor als Massenmörder hervorgetan hat. „Ich finde, Tiere verdienen eine Beerdigung eher als Menschen.“
Tiere als Gegenpart zum entfremdeten Menschen
Das könnte ihn für einen Moment fast sympathisch erscheinen lassen. Doch ist der Moment flüchtig. Denn Cal lässt den Fuchs schließlich doch liegen, wie er war. Einen Verweis auf die zur Bestie Mensch antagonistische Natur findet sich in The Last Son auch kurz vor dem Showdown. Wo einst Sergio Leone die Augen Charles Bronsons oder Clint Eastwoods leinwandfüllend in Szene setzte, sind es hier die Augen eines Pferdes, welche das Finale einleiten. Buchstäblich ins Bild fällt auch der Longhorn-Schädel, der im Büro des Sheriffs in monumentaler Größe direkt über seinem Kopf zentral zum Bildmittelpunkt ausgerichtet über dem Schreibtisch hängt.
Der von der Natur entfremdete Mensch gilt nur sich selbst etwas, seine Gefühle sind nur auf ihn gerichtet. Auch die jungen Megan hat keinerlei Skrupel, ein paar am Wegesrand liegende Leichen auszuplündern. Aus dem gefundenen Medaillon entfernt sie achtlos die enthaltenen Fotos. Letzte Erinnerungen an einst lebendige Menschen verwehen im Wind.
The Last Son als Ödipus-Variante
Einzig die Liebe der Hure Anna (Heather Graham) zu ihrem Sohn Cal scheint da eine Ausnahme zu sein. Doch auch diese verwirklichte sich dadurch, dass sie das Baby in fremde Hände gab, da der Junge ja nicht im Bordell aufwachsen sollte. So sieht wahre Mutterliebe in der Westernwelt des Tim Sutton aus. Und auch die Gegenliebe des Sohns trägt deutlich ödipale Züge, was das Ganze ein wenig auf die Ebene eines klassischen Dramas hebt. Geht es doch auch bei Ödipus nicht nur um die Begattung der Mutter, sondern um den Mord am eigenen Vater.
Auch formal weicht The Last Son von einer einfach gestrickten Westernmär ab. Der Film kommt ein wenig wie eine Ballade daher, mit einem aus dem Off gesprochenen Prolog und eingeteilt in fünf, Kapitel genannte Strophen. Untermalt wird das Ganze von einem oft unheimlich dräuenden Score und einem die düstere Stimmung verstärkenden Sounddesign. Die Musik wirkt monoton, ist aber durch ihre unterschiedliche Instrumentierung tatsächlich abwechslungsreich.
Minimal-Mimik unterm Zottelbart
Sam Worthington ist in seiner Zottelmaske kaum wiederzuerkennen. Mit langen verstrubbelten Haaren und ebensolchem Vollbart sieht er aus wie ein Alm-Öhi. Das lässt ihm wenig Raum zu mimischer Brillanz. Umso erstaunlicher, dass es ihm gelingt, allein mit Blicken und winzigen Bewegungen der Gesichtsmuskulatur eine ausdrucksstarke Präsenz zu entwickeln. Die heisere Fistelstimme hätte es dazu nicht gebraucht. Colson Baker, als Machine Gun Kelly ein Star der Hip-Hop-Szene, macht seine Sache ordentlich. Eine kleine Überraschung ist die beeindruckende Performance von Emily Marie Palmer als Tochter Megan.
Fans brutaler Shootouts werden bei diesem Western auch auf ihre Kosten kommen, sofern sie sich nicht durch die balladesk-langsame Erzählweise abschrecken lassen. Am Ende von The Last Son wartet noch ein gelungener Twist, der allerdings keine wirkliche Überraschung ist. Aber das ist bei klassischen Dramen ja nicht ungewöhnlich.
Unser Fazit zu The Last Son
Der Western von Tim Sutton erzählt eine düstere Geschichte in Anlehnung an klassische Dramen. The Last Son ist ein extrem nihilistischer Film ohne jeden Funken Hoffnung auf Menschlichkeit. In der Darstellung menschlicher Bestialität ist er konsequent, seine Figuren sind dabei letztlich abstrahierte Formen der Natur entfremdeter Kreaturen ohne psychologischen Tiefgang. Den sie allerdings auch nicht brauchen, um in diesem Konstrukt zu funktionieren. Das mag nicht allen gefallen, vor allem jenen nicht, die sich eine glaubwürdige Story erwarten. Doch als Parabel auf die menschliche Niedertracht ist The Last Son eine kleine Perle unter den Neowestern.
The Last Son ist am 2. Juni 2022 auf DVD und Blu-ray erschienen.
Unsere Wertung:
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