The Man from Earth von Richard Schenkman erzählt mit einem winzigen Budget eine interessante Sci-Fi-Geschichte, die im Gegensatz zu den großen Vertretern des Genres auf schwer bewaffnete Aliens und spektakuläre Explosionen verzichtet. Doch wie funktioniert ein Sci-Fi-Kammerspiel in der Praxis?
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Titel | The Man from Earth |
Jahr | 2007 |
Land | United States of America |
Regie | Richard Schenkman |
Genres | Science Fiction, Drama |
Darsteller | David Lee Smith, Tony Todd, John Billingsley, Ellen Crawford, Annika Peterson, Alexis Thorpe, William Katt, Richard Riehle, Steven Littles, Chase Sprague, Robbie Bryan |
Länge | 90 Minuten |
Wer streamt? | Leihen: MovieSaints |
Worum geht’s in The Man from Earth?
Geschichtsprofessor John (David Lee Smith) war schon immer eher ein verschwiegener Typ. Doch als er zehn Jahre nach Antritt an seiner Fakultät und mit besten Aussichten auf die Leitung des Lehrstuhls einfach kündigt und verschwinden will, überraschen ihn seine Kollegen spontan mit einer Abschiedsparty. John, zunächst nicht sonderlich begeistert von der Idee, lässt sich schlussendlich breitschlagen und verbringt den letzten Abend in der Stadt mit seinen Freunden. Zu fortgeschrittener Stunde öffnet sich der schweigsame John und veroffenbart seinen Gästen eine unglaubliche Geschichte: In Wahrheit sei er 14.000 Jahre alt und lebe bereits seit der Steinzeit.
Verständlicherweise halten die Anwesenden diese Geschichte für einen Witz, und so beginnt eine lange Nacht voller Diskussionen, in der sich niemand über die Wahrheit sicher sein kann. Manche finden die Idee faszinierend, andere fühlen sich für dumm verkauft und beleidigt. Ist Johns unglaubliche Geschichte wirklich wahr oder erlaubt er sich zum Abschied nur einen ausgeklügelten Spaß mit seinen Kollegen?
Toll durchdachte Idee
So abstrus Johns Geschichte zunächst auch scheinen mag, so sinnvoll erklärt sie das fantastisch geschriebene Drehbuch. Die Story fokussiert, bis auf einige wenige Ausnahmen, wirklich vollends die Idee eines scheinbar unsterblichen Mannes, der sämtliche Mysterien der Geschichte selbst belegen könnte. Da sich der absolute Großteil der Handlung in Johns Wohnzimmer abspielt, gibt es auch gar keine Gelegenheit, dem Thema auszuweichen. Selbst wenn die Charaktere es von Zeit zu Zeit versuchen, siegt immer die Neugier. The Man from Earth treibt sein verrücktes Gedankenexperiment auf die Spitze, und darüber hinaus, und lässt seine Charaktere sämtliche Emotionen von Wut über Liebe bis hin zum Hinterfragen seiner persönlichen Weltordnung durchleben.
Perfekte Charaktere…
Besagte Charaktere sind außerdem ein interessantes Beispiel dafür, wie der Film trotz seiner zunächst langweilig amutenden Struktur toll überzeugen kann: Sämtliche Figuren sind nämlich absolut eindimensional: Wir haben den aufgedrehten Spaßvogel, den Love Interest, den aufgebrachten Skeptiker, die streng religiöse, ältere Dame und so weiter und so fort. Was in jedem anderen Film als klischeehafte Abziehbilder kritisiert würde, passt in The Man from Earth aber wie die Faust aufs Auge: Aufgrund von Johns Geschichte ergeben sich beim Zuschauer unendlich viele Fragen, die sämtliche Charaktere ebenfalls bewegen. Nun stellt aber jede der Figuren genau die Fragen, die für sie mit ihrem Lebensstil und ihrer Erfahrung nicht vereinbar sind. So wird für uns die Illusion von vielseitigen Charakteren erweckt, die die mehr als unglaubwürdige Geschichte von allen Seiten mit Fragen durchlöchern, die uns auch selbst durch den Kopf gehen. Somit stört die fehlende Charaktertiefe überhaupt nicht.
Der Film geht dabei aber sogar noch einen Schritt weiter: Sämtliche Charaktere sind nämlich ebenfalls gebildete Professoren, jeder auf dem jeweils eigenen Gebiet: Theologie, Geschichte, Biologie, Psychologie usw. Johns Geschichte wird mit wirklich logischen und tiefgründigen Anmerkungen zu jedem dieser Bereiche hinterfragt, und wir als Zuschauer bekommen genau mit, was nun logisch daran ist und was nicht. Allerdings zeigt dieser Sachverhalt auch auf, dass man sich vollends auf die Geschichte einlassen muss und am besten ein gewisses Grundinteresse an Geschichte mitbringt. Abseits von Dialogen und wissenschaftlichen Abhandlungen erwartet einen hier nämlich relativ wenig.
…wechselhaftes Schauspiel
Hier kommt auch einer der schauspielerisch bemerkenswertesten Punkte zum Einsatz: Das Timing. Es mag sicherlich auch am Schnitt liegen, aber die Reaktionszeit der Charaktere auf die Fragen hin ist absolut perfekt. Wird John zu historischen Begebenheiten befragt, um ihn möglicherweise als Lügner zu entlarven, kommt seine Antwort wie aus der Pistole geschossen. Er war ja immerhin, zumindest vermeintlich, live dabei. Wird er aber nach bestimmten Emotionen oder komplexeren Sachverhalten gefragt, zögert er ein wenig. Durch diese Details wird die Geschichte ein ganzes Stück glaubwürdiger und fühlt sich für uns als Zuschauer an, als würden wir den scheinbaren Höhlenmenschen selbst mit Fragen durchlöchern.
Leider bewegt sich das Schauspiel keineswegs die ganze Zeit auf einem derart hohen Niveau. Auch hier ist nicht zwingend das Budget Schuld, auch ohne Hollywoods A-Riege kann man hervorragende Ergebnisse erzielen. Trotzdem können die Darsteller hier nicht immer überzeugen, was aber unter anderem auch am Drehbuch liegt. Um das Geschehen aufzulockern, versucht The Man from Earth ab und an, gewaltsam ein wenig Spannung ins Geschehen zu bringen. Sei es durch eine völlig aufgesetzte Liebesgeschichte, einige lahme Witze oder künstlich erzeugten Nervenkitzel. Das ist sehr schade, kann der Film doch eigentlich gerade wegen seiner Dialoge überzeugen. Allerdings nur, wenn diese auch wirklich mit dem Geschehen zu tun haben.
Low Budget mit Vision
Wo The Man from Earth leider wenig bis gar nicht punkten kann, ist auf technischer Ebene. Man merkt dem Film zu jedem Zeitpunkt an, mit was für einem unfassbar geringen Budget er produziert wurde. Selbst ohne eine High-End SFX-Division hinter dem Film sieht das Ganze eher aus wie mit einem Camcorder aus den späten 90ern aufgenommen. Natürlich könnte man jetzt argumentieren, dass ein Kammerspiel und ein Film mit diesem speziellen Ansatz so etwas auch nicht braucht. Aber der doch wirklich sehr körnige Look ist nicht gerade ein Fest für die Augen.
Auch musikalisch kann der Film leider nichts reißen. Die wenigen Soundtrack-Einlagen erinnern eher an Geschichts-Dokus im Nachtprogramme und lassen die wirklich interessanten und intelligent geschriebenen Dialoge oftmals eher lächerlich wirken. Ich möchte aber nochmals anmerken, dass der Film diese Untermalungen eigentlich nicht braucht. Ich kritisiere nicht, dass sich die Macher aufgrund des geringen Budgets keinen Top-Komponisten mitsamt Weltklasse-Orchester leisten konnten. Statt der gewählten Musik hätte man aber auch einfach still bleiben oder auf bereits bekannte Werke zurückgreifen können. The Man from Earth tut alles, was finanziell in seiner Macht steht, und kann dabei auch meistens überzeugen. Ab und zu vergreift sich der Streifen aber ein wenig im Ton, was zu Beginn noch negativ auffällt, im Laufe des Films aber nicht mehr ins Gewicht fällt.
Fazit
The Man from Earth ist wirklich eine kleine Perle des Science-Fiction-Kinos. Der Film zeigt, dass es keinen Bombast oder ein überdimensionales Budget benötigt, um in diesem Genre zu bestehen, sondern lediglich eine gute Idee. Natürlich muss man sich vollends darauf einlassen, doch das verrückte Konzept und das rasante Tempo durch die klug gestellten Fragen halten den Zuschauer bei der Stange. Wer ein bisschen Interesse an Geschichte und Lust auf Sci-Fi der anderen Art hat, dem sei dieses unübliche Kammerspiel wärmstens ans Herz gelegt.
Unsere Wertung:
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