Der russische Horrorfilm ist in westlichen Gefilden noch ein relativ unbeschriebenes Blatt. Außer der russisch-britisch-amerikanischen Co-Produktion Devil’s Pass (Found-Footage-Horror rund um das Ereignis, welches 1959 als „Unglück am Djatlow-Pass“ bekannt wurde) dürfte auch dem geneigten Genre-Connaisseur auf Anhieb kein weiterer relevanter Film einfallen. Doch vielleicht kann The Night Train, das Spielfilmdebüt von Tikhon Kornev, dafür sorgen, dass der russische Horrorfilm auch in unseren Breiten an Bekanntheit und Ansehen gewinnt.
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Titel | The Night Train |
Jahr | 2016 |
Land | Russia |
Regie | Tikhon Kornev |
Genres | Horror |
Darsteller | Роман Евдокимов, Алёна Савастова, Anna Vasileva, Владимир Кузнецов, Andrey Levin, Евгений Коряковский, Din Fan, Kirill Kobzarev, Валерия Шкирандо, Максим Меркулов, Алан Томаев, Igor Lepikhin, Evgeniy Kolyadintsev, Семён Шигин |
Länge | 80 Minuten |
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Worum geht es in The Night Train?
Eines Nachts geschehen seltsame Dinge in der Moskauer U-Bahn. Ein ganzer Zug verschwindet spurlos. Nur die Aufnahme einer Überwachungskamera an der vermeintlichen Endstation des Zugs gibt einen Anhaltspunkt. Denn dort hält der Zug nicht wie geplant, sondern er fährt einfach weiter, und zwar mit blutverschmierten Fenstern. Eine Gruppe von sechs Fremden (bis auf ein Pärchen sind sich alle gänzlich unbekannt) entkommt der tödlichen Falle rechtzeitig und versucht sich nun auf eigene Faust aus dem labyrinthartigen Moskauer U-Bahn-Netz zu befreien. Dabei decken sie Stück für Stück auf, welches Grauen dort unten auf sie lauert.
Nebenher machen sich zwei Freunde des Pärchens mit Hilfe eines sogenannten Diggers (jemand, der das U-Bahn-Netz wie seine Westentasche kennt) auf die Suche nach den beiden, da die Behörden den Vorfall zu verschleiern scheinen und nicht aktiv werden.
Geschichte und Personal
Wie man aus der kurzen Synopsis bereits lesen kann, spielt The Night Train in zwei Handlungsebenen, die zum Ende hin zusammenlaufen und ein großes Ganzes ergeben. Dabei verschleiert Tikhon Kornev sehr lange, wie diese zwei Geschichten im zeitlichen Bezug zueinanderstehen. Dadurch entsteht über die recht überschaubare Spieldauer von 80 Minuten ein gutes Pacing und man erwischt sich, wie man der Auflösung durchaus entgegenfiebert. Ich sage bewusst „durchaus“, weil The Night Train neben dem annehmbaren Story-Konstrukt einige eklatante Schwächen aufweist.
Da haben wir zum einen die schauspielerischen Leistungen. Genre-typisch sind die Figuren nicht sonderlich tief charakterisiert und machen während der Geschichte auch keine nennenswerte Charakterentwicklung durch. Doch leider verpassen es einige der Schauspieler, diese Leere mit interessantem oder zumindest nachvollziehbarem Spiel zu füllen. Vor allem die Darstellerin einer Filmemacherin, auf die die Gruppe während ihrer Reise im Untergrund trifft, fällt gegenüber den anderen Darstellern merklich ab. Verbunden mit der teils wirklich hanebüchenen deutschen Synchronisation, verschenkt der Film somit viel von der bedrohlich-düsteren Atmosphäre, die die stimmungsvolle Optik durchaus aufzubauen vermag.
Weniger ist manchmal mehr, manchmal aber auch nicht
Wenn wir bei der Atmosphäre angekommen sind, dann darf natürlich auch die Vertonung außerhalb der Synchronisation nicht unerwähnt bleiben. Der eher ruhige und sehr stimmungsvolle Score wird während der Action-Sequenzen nämlich von einer dermaßen generischen Rockmusik abgelöst, dass man in diesen Passagen am liebsten den Fernseher stumm schalten möchte. Tatsächlich tut dies der Film manchmal sogar selbst, wenn er beispielsweise vergisst, dass es durchaus Geräusche machen sollte, wenn ein Mensch aus einem Wasserbecken steigt. Da wurden bei der Abmischung wohl schlicht ein paar Effekte vergessen.
Effekte zu vergessen hätte The Night Train an anderer Stelle wiederum gut getan, nämlich in fast allen der besagten Action-Szenen. Denn sowohl das CGI-Blut (dass es das heutzutage noch immer, gibt ist ebenso ein Wunder wie unverständlich) als auch die computeranimierte Inszenierung des Antagonisten (auf den ich aus Spoilergründen nicht näher eingehen werde) hätte man sich schlicht sparen können.
Horror und Grusel funktioniert in vielen Fällen einfach besser, wenn der Schrecken im Verborgenen bleibt, statt dem Zuschauer direkt ins Gesicht zu springen. Und wenn er schon ins Gesicht springen muss, dann doch bitte als Practical Effect, wie es in jüngerer Vergangenheit auch günstig produzierte Genre-Vertreter, wie beispielsweise der grandiose The Void, mustergültig vorgemacht haben.
Eine U-Bahn-Fahrt, die ist lustig, eine U-Bahn-Fahrt, die ist schön
Grundsätzlich bietet das Setting im Untergrund einer belebten Stadt einiges an Potential, gerade für den Drama- und Horror-Bereich. Die Verfilmung von The Midnight Meat Train erwähne ich hier nur am Rande, denn die sollte sowieso jeder Horrorfilm-Fan kennen und, zumindest wenn es nach mir geht, auch mögen.
Wem aber The Night Train an dieser Stelle Lust auf mehr gemacht hat, dem sei der Debütfilm von Regisseur Rasmus Kloster Bro namens Cutterhead wärmstens empfohlen. Dieser spielt in der Kopenhagener U-Bahn. Allerdings setzt er seinen Schwerpunkt eher auf Klaustrophobie und Drama, denn auf Angst vor dem Unbekannten und Horror. In Deutschland lief diese kleine Genre-Perle bislang aber leider nur auf dem Fantasy Filmfest.
Um das Untergrund-Triple-Feature komplett zu machen, kann man sich dann noch Creep von 2004 mit Franka Potente anschauen. Dies ist vermutlich der bekannteste Vertreter der Zunft. Denn Creep nimmt sich ein paar Elemente aus den beiden zuvor genannten Filmen und mixt sie zu einem recht schmackhaften Cocktail zusammen.
Fazit zu The Night Train
Bei all den Kritikpunkten könnte man meinen, dass The Night Train ein Totalausfall geworden ist. Doch gerade die stimmungsvolle Optik und die interessante Geschichte, inklusive nettem Twist zum Ende, retten den Film dann doch vor der Unzulänglichkeit. Obwohl man kein russisches Pendant zu The Midnight Meat Train erwarten sollte, sei The Night Train dem geneigten Genre-Fan vorsichtig empfohlen.
PS: Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass The Night Train in vielen Internetportalen nur unter dem Originaltitel Diggers bzw. Diggery zu finden ist.
Drei von fünf mysteriös verschwundenen U-Bahn-Waggons.
Unsere Wertung:
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