In The Rider erzählt die junge Autorenfilmerin Chloé Zhao die echte Geschichte von Brady Blackburn, der nach einem Rodeo-Unfall nie wieder reiten darf und daraufhin mit seinem Leben hadert.
Titel | The Rider |
Jahr | 2018 |
Land | United Kingdom |
Regie | Chloé Zhao |
Genres | Drama, Western |
Darsteller | Brady Jandreau, Tim Jandreau, Lilly Jandreau, Cat Clifford, Terri Dawn Pourier, Lane Scott, Tanner Langdeau, James Calhoon, Derrick Janis, Greg Barber, Steven DeWolfe, Leroy Pourier, Frank Steele, Allen Reddy, Jordon Slick Phelps, Donnie Whirlwind Horse, Marshall Byrne |
Länge | 104 Minuten |
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Die wahre Geschichte von The Rider
Brady Blackburn lebt mit seinem Vater Tim und seiner jüngeren, geistig beeinträchtigten Schwester Lilly im Mittleren Western Amerikas, genauer gesagt in South Dakota. Dort arbeitet er als professioneller Pferdetrainer. Denn er verfügt wie kein Zweiter über das Talent, in das Seelenleben von Pferden zu blicken und so auch die wildesten Exemplare nach und nach zu zähmen.
Doch Bradys Leben ändert sich schlagartig, als er seiner zweiten großen Leidenschaft, dem Rodeo-Sport, nachgeht. Hierbei zieht er sich eine gefährliche Kopfverletzung durch einen Pferdetritt zu. Obwohl ihm die Ärzte Bettruhe verordnen und ihm zudem das Reiten verbieten, nimmt Brady das Risiko weiterer körperlicher Schäden in Kauf, denn das Rodeo und seine Arbeit mit Pferden ist alles, was in seinem Leben zählt.
Atemberaubende Bilder und authentische Settings
The Rider ist ein wunderschön bebilderter Film über die Kultur und den Lebensstil der einheimischen Cowboys im Herzen Amerikas. Da Hauptdarsteller Brady Blackburn morgens seiner regulären Arbeit als Pferdetrainer nachging, fanden die Dreharbeiten von Mittag bis Mitternacht statt. Besonders häufig sehen wir daher in The Rider bezaubernde Sonnenuntergänge, die verschiedene Orange- und Lila-Töne an den Himmel malen. Generell nimmt sich die junge Regisseurin Chloé Zhao viel Zeit für Landschaftsaufnahmen, die hauptsächlich aus sanft im Wind wogenden Feldern bestehen und zwar so weit das Auge reicht.
Hier scheint der Raubtierkapitalismus der großen Konzerne, die Digitalisierung aller Lebensbereiche und die Hektik der Großstadt nicht zu existieren. Der langsame Erzählstil, gerade die ausgiebig gezeigten Zähmungen von Wildpferden, unterstützen das permanente Gefühl, dass die Uhren im Mittleren Westen anders ticken. Selten wirkte außerdem ein Ausritt in einem Film so poetisch aufgeladen wie in The Rider. Dabei verpasst es der Film allerdings nicht, der Schönheit und Erhabenheit der Natur auch eine gewisse Alltagstristesse entgegenzusetzen, wenn die Cowboys jeden Abend in Kneipen verbringen oder Glücksspielautomaten mit Münzen füttern.
Eine Ode an das Pferd…
Das Leben der Cowboys ist vor allem ein Leben mit und für das Pferd. Dementsprechend dreht sich ihr Alltag, nimmt man mal die im Name steckende Arbeit mit Kühen weg, nur um diese Vierbeiner. Der Bezug ist so groß, dass das Pferd nicht nur Nutztier, sondern auch Freizeitvergnügen darstellt. Der Reiter, der sich aufschwingt, und ohne festes Ziel in die Weite des Landes hinausprescht, wird zum Symbol für Freiheit beziehungsweise Unabhängigkeit.
The Rider schafft es eindrucksvoll, dem Zuschauer eine Faszination für dieses Tier einzuimpfen. Besonders intensiv gestalten sich die Szenen, in denen Brady Wildpferde zähmt, damit sein Besitzer sie anschließend reiten kann. Einige Male und jeweils für mehrere Minuten zeigt Chloé Zhao, wie der talentierte Pferdetrainer Kontakt zu dem Tier aufnimmt, es erst einmal an ihm schnuppern lässt und schrittweise dessen Unsicherheit in ein erstes, noch zögerliches Vertrauen verwandelt. Die Kamera ist dabei so dicht wie möglich am Geschehen dran und fängt die besondere Stimmung mustergültig ein.
…und den Rodeo-Sport
Aber nicht nur das gefühlvolle Zähmen und befreiende Ausreiten, sondern auch das gefährliche Rodeo ist fester Bestandteil dieser Lebenswelt. Gerade hier ist das Pferd in einer unterdrückten Rolle. Im Vordergrund steht die Macht des Cowboys, der sich von dem Tier trotz stärkster Bemühungen nicht oder erst nach einer Weile aus dem Sattel schleudern lässt. Daraus entspinnt sich ein Wettkampf, der Preisgelder sowie Ruhm und Bekanntheit in der Region mit sich bringt. Die Rodeo-Events erscheinen natürlich ein Stück weit als Tierquälerei, obgleich es nicht die Blutrünstigkeit des Stierkampfs erreicht.
The Rider nähert sich diesem Sport in einer offenen, interessierten Haltung und macht ihn als archaischen Männlichkeitskult greifbar. Die Cowboys schmücken sich mit besonderen Trachten, vor allem franseligen Überhosen, auffallenden Gürtelschnallen sowie Hemd und Hut. Im Film sehen wir nicht nur die Wettkämpfe selbst, sondern auch, wie die jungen Nachwuchs-Sportler Trockenübungen auf einem selbstgebauten Gestell durchführen. Brady gibt seinen weniger erfahrenen Freunden Tipps und Hilfestellung für die richtige Körperhaltung sowie das Ausbalancieren bestimmter Bewegungen des Pferdes. Chloé Zhao vermeidet dabei zu jeder Zeit eine positive oder negative Bewertung des Reitsports und zeigt ihn als das, was er ist: Eine traditionelle Selbstverständlichkeit für die Menschen des Mittleren Westens.
Was bleibt noch im Leben?
The Rider erzählt darüber hinaus eine Geschichte, wie sie Darren Aronofsky bereits in The Wrestler und Black Swan in sehr ähnlicher, dort allerdings frei erfundener Form erzählt hat. Bradys Leben ist vollkommen kompromisslos auf das Pferdetraining sowie den Rodeosport ausgerichtet. Denn in seiner Heimat ist dies das Normalste der Welt und er ist in beiden Bereichen zweifellos besonders talentiert. Nicht zuletzt bringt es ihm einen Lebensunterhalt sowie Respekt und Anerkennung ein. Bradys Vernarrtheit zeigt sich auch darin, dass er keinen Schulabschluss erworben hat und er nach seinem Unfall von der Arbeitsvermittlung nur in einen tristen Job im Supermarkt gesteckt wird.
Genau auf dieses Dilemma möchte The Rider erzählerisch hinaus. Denn ein Plan B zum Reitsport ist für Brady nicht wirklich existent. Zusätzlich drängt ihn auch seine Umwelt in die Rolle des Cowboys. So wird er häufig im Supermarkt auf seine Rodeo-Karriere angesprochen, die ihm viel Respekt und eine relative Bekanntheit einbringt. Dadurch bedeutet aber jede weitere Frage eines Fans, wann er denn endlich wieder aufs Pferd steigt, einen Nadelstich in die angekratzte Seele des jungen Mannes. Soll Brady seinen großen Traum weiterleben, obwohl er seiner Gesundheit damit immer weiter schadet? Diese Frage behandelt The Rider so eindringlich und unnachgiebig, dass der Zuschauer selbst zur Stellungnahme gedrängt wird. Das Finale fällt weitaus weniger pathetisch als bei einem Aronofsky aus. Nichtsdestotrotz ist es sehr ergreifend, weil es den Konflikt um den sprichwörtlichen Scheideweg absolut nachvollziehbar auf den Höhepunkt treibt.
Der Cast – alle Darsteller spielen sich selbst
Die große Stärke von The Rider ist seine aus jeder Einstellung triefende Authentizität. Wer sich den Film weitestgehend ohne Vorabinformationen anschaut, wird schließlich im Abspann darüber aufgeklärt, dass alle Darsteller sich selbst, überwiegend mit bürgerlichem Namen spielen. So bedarf es eben keiner A-List-Darsteller, um die kulturell eigene Welt der Cowboys und Rodeo-Sportler zu imitieren. Da die Regisseurin ihren sich selbst spielenden Darstellern nur ein Grundgerüst als Drehbuch vorgab und sie zur Improvisation ermutigte, wirkt The Rider geradezu kraftvoll authentisch und dokumentarisch. Die am Film beteiligten Personen gleichen ihre schauspielerischen Defizite insgesamt erfolgreich aus, indem sie ihren Alltag vor der Kamera inszenieren.
Besonders nachhaltig erschüttert im Übrigen die Darstellung Lane Scotts, der im echten Leben einen Autounfall erlitt und im Film als schwer von einem Bullen verletzter Rodeo-Reiter in der Reha-Klinik gezeigt wird. Mit dieser Verschiebung forciert Zhao wirkungsvoll den Konflikt Bradys. Denn dieser sah in dem einstmals gefeierten Rodeo-Star Scott sein großes Vorbild, aber bei den regelmäßigen Besuchen in der Klinik muss er seinen Freund in einem furchtbaren Zustand erleben. Egal, ob nun Auto- oder Reitunfall – das echte wie filmische Schicksal des Lane Scotts ist ein schmerzhafter Tränenrührer, der dem Film eine weitere zutiefst emotionale Komponente beigibt.
Fazit – The Rider gehört auf die Bestenliste
Das intime, ungemein berührende Neo-Western-Drama The Rider ist eine waschechte Überraschung und gehört definitiv auf die Liste der besten Dramen 2018. Besonders Fans von Darren Aronofskys Sportlerdramen finden sich in der Geschichte und der ausgelegten Dramaturgie schnell zurecht. Dabei gilt es allerdings, den etwas zu gemächlichen, fast meditativen Mittelteil mit manchen sich doch recht stark wiederholenden Episoden zu verschmerzen.
Unsere Wertung:
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