Mit The Ritual präsentiert Netflix einen überraschend guten Horrorthriller, der im Survival-Setting zu gefallen weiß.
Titel | The Ritual |
Jahr | 2017 |
Land | Canada |
Regie | David Bruckner |
Genres | Horror, Thriller, Mystery |
Darsteller | Rafe Spall, Arsher Ali, Robert James-Collier, Sam Troughton, Paul Reid, Matthew Needham, Jacob James Beswick, Maria Erwolter, Hilary Reeves, Peter Liddell, Francesca Mula, Kerri McLean, Gheorghe Mezei, Adriana Macsut, Constantin Codrea, Zane Jarcu |
Länge | 94 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads |
Worum gehts in The Ritual?
4 Freunde aus Studententagen treffen sich in Skandinavien, um einen Wanderurlaub durch die Berge und Täler Schwedens zu unternehmen. Als sich einer der 4 unglücklich verletzt und nur noch humpelnd vorankommt, entscheiden sich die Männer dafür, eine Abkürzung durch einen Wald zu versuchen. Auf diese Weise möchten sie schneller zurück in die rettende Zivilisation kommen. Doch mit dem Eintreten in das dicht stehende Waldstück nehmen seltsame Ereignisse ihren Lauf und bisher verborgen gebliebene Spannungen unter den Freunden brechen hervor…
The Ritual – ein Hauch von Blair Witch
Ein guter und stimmungsvoller Horrorfilm kann manchmal so einfach sein. Weder die Geschichte noch das Setting von The Ritual erfinden das Rad neu in einem Genre, das ohnehin vor Versatzstücken und Zitierfreudigkeit alter Werke nur so strotzt. Die große Stärke dieser von Netflix eingekauften Produktion liegt daher vor allem im „Wie“. Regisseur Dave Bruckner, der bisher vor allem Episoden für Anthologie-Filme ablieferte, inszeniert den Survivaltrip durch einen dichten, finsteren Wald als ein rundherum beklemmendes Erlebnis. Dabei hält er es lange Zeit angenehm offen, ob die sich an- und einschleichende Bedrohung psychischer oder körperlicher Natur ist. Zwar stellen sich früh erste Anzeichen eines Stalk-and-Slash-Szenarios ein, doch Bruckner führt diese ebenso rasch auf den zunehmend ausgelaugteren und verwirrteren Zustand der 4 Freunde zurück.
Vor allem der Aufenthalt in einer Holzhütte ist ein grandioses Kammerspiel und setzt – nach einer gemächlichen Charakter- und Storyeinführung – den Ton für die weiteren Ereignisse des Films. Ein einfaches wie wirkungsvolles Mittel für die erzeugte Spannung ist dabei der leichte Zoom der Kamera. Denn diese sucht zwischen den eng stehenden Bäumen, zusammen mit den Figuren und dem Zuschauer, nach Hinweisen auf eine Bedrohung. Die Dunkelheit und die häufigen Regengüsse sorgen pikanterweise für eine unangenehme Kurzsichtigkeit, hinter dessen Begrenzung jederzeit das Böse zu lauern scheint.
Die schuldige Hauptfigur
Das Herzstück der Geschichte ist Luke, der unter einem offensichtlich unverarbeiteten Trauma aus seiner jüngeren Vergangenheit leidet. Da der Zuschauer bereits früh im Film davon erfährt, kann er Lukes visionsartige Alpträume umso besser deuten und verstehen. Mehr und mehr thematisiert The Ritual eine Schuldfrage, die letztlich nicht nur Luke alleine, sondern die ganze Gruppe betrifft und im Innersten belastet. Damit vermischt der Film die surreale Welt des Waldes und seine schockierenden Vorzeichen aus aufgespießten Tierkadavern und sektenartigen Symbolen mit einem echten, unverarbeiteten Drama aus dem Leben der 4 Freunde. Aus diesem Nährboden entspringt zusammen mit den vielen vagen Andeutungen der Nervenkitzel von The Ritual, weil es hier in erster Linie um eine unbeantwortete Schuldfrage geht, die sich der Gruppe als äußerlich manifestierter Horror entgegenzustellen scheint. Diese starke Metaphorik ist keine Seltenheit im Horrorgenre, aber gerade sie gibt diesem vor allem visuell sehr dominanten Genre eine Subebene und nachhaltige Substanz.
Das unwürdige Finale
Über zwei Drittel erweist sich The Ritual als beängstigender, mehrdeutiger Horrorthriller, der zum Mitfiebern und Miträtseln antreibt. Im Grunde entfalten Horrorfilme ihre unnachgiebige Stärke dann, wenn sie Urängste des Menschen beziehungsweise eine diffuse Angst vor dem Unbekannten darstellen. Der Anblick eines abgetrennten Beins kann einen nach dem zweiten, fünften oder zehnten Mal kaltlassen. Aber eine nicht zu greifende Bedrohung bleibt der wild wuchernden Phantasie überlassen. Sie nutzt sich nur dahingehend ab, dass Filme das Geheimnis um das Unbekannte gerne gegen Ende auflösen. Genau hier verfällt auch The Ritual leider in eine unbefriedigende Erklärhaltung. In einem regelrechten Bruch verflacht die minutiös aufgebaute Atmosphäre, wodurch der Zuschauer deutlich gelassener dem restlichen Geschehen folgen kann. Zwar bleibt The Ritual auch hier noch verstörend, aber bedient sich zu sehr an gängigen Schemata. Insgesamt ergibt sich so ein Mix aus verschiedenen Motiven, in dem Lukes Alptraumvisionen und die schwelende Schuldfrage einen zu geringen Teil ausmachen.
Hintergrund: Die Romanvorlage zum Film
Warum fühlt sich das letzte Drittel von The Ritual so anders an? Wieso werden einige wichtige Fragen um die Vergangenheit von Luke und seinen Freunden nicht zu einem Abschluss gebracht? Eine brauchbare Erklärung hierfür könnte sein, dass der Film auf dem gleichnamigen Buch des britischen Autors Adam Nevill basiert. Die 432 Seiten starke Erzählung erschien 2011 in Großbritannien und ein Jahr später in den USA. Zwar folgt Drehbuchautor Joe Barton dem Handlungsverlauf allem Anschein nach, allerdings wurde Lukes Trauma dem Film eigenständig hinzugefügt. Dieses Versatzstück gibt dem Film sehr früh eine ganz andere Tonalität und Richtung, die sich im letzten, vom Buch vorgesehenen Drittel nicht mehr wiederfindet. The Ritual leidet daher ein gutes Stück unter dieser fehlenden Stringenz, weil allen Beteiligten so eine abschließende Verhandlung der Vergangenheit verwehrt wird. Den ordentlich gespielten und geschriebenen Figuren wäre dies aber sehr zu wünschen gewesen.
Das Fazit zu The Ritual
Mit The Ritual beweist Regisseur David Bruckner, wie sich altbekannte Horrorstoffe auch im Jahre 2018 noch spannend und nervenaufreibend inszenieren lassen. Erst im letzten Drittel lenkt er seine auf einem Roman basierende Survivalgeschichte auf ausgetretene Pfade und erklärt deutlich zu viel. Dennoch ist diese ernsthaft erzählte und metaphorisch aufgeladene Geschichte um 4 gute Freunde sowohl eingefleischten Horrorfans als auch Gelegenheitsguckern sehr zu empfehlen.
Unsere Wertung:
[su_table]