In unserer großen Jahresvorschau auf 2024 war The Six Triple Eight bereits prominent vertreten. Jetzt hat sich der Start bis kurz vor Jahreswechsel hingezogen. Hat sich das Warten also gelohnt oder endet das Netflix-Filmjahr mit einer kleinen Enttäuschung?
Titel | The Six Triple Eight |
Jahr | 2024 |
Land | United States of America |
Regie | Tyler Perry |
Genres | Drama, Kriegsfilm, Historie |
Darsteller | Kerry Washington, Sam Waterston, Susan Sarandon, Oprah Winfrey, Ebony Obsidian, Shanice Williams, Kylie Jefferson, Sarah Jeffery, Pepi Sonuga, Milauna Jackson, Jay Reeves, Jeanté Godlock, Moriah Brown, Baadja-Lyne Odums, Gregg Sulkin, Dean Norris, Austin Nichols, Ben VanderMey, Nick Harris, Scott Daniel Johnson, Jeffery Thomas Johnson, Brian Kurlander |
Länge | 127 Minuten |
Wer streamt? | Abonnement: Netflix, Netflix basic with Ads |
The Six Triple Eight – Die offizielle Handlung
The Six Triple Eight wurde vom ersten und einzigen aus Schwarzen Frauen bestehenden US-Bataillon im Zweiten Weltkrieg inspiriert, die in Europa dienten. Trotz Rassismus und Sexismus – und furchtbaren Arbeitsbedingungen – waren die Frauen fest entschlossen, ihrem Land mit Ehre und Stolz zu dienen. Diese unbesungenen Heldinnen, die mit einer außergewöhnlichen Mission betraut und in ihrer Entschlossenheit vereint waren, übermittelten Hoffnung und überwanden Hindernisse.
Tyler Perry, der Mel Gibson der POC-Community?
Kriegsfilme über “unbesungene Helden” wandeln immer auf einem schmalen Grat zwischen überhöhender Heroisierung und gerechtfertigter Erzählung von zu unrecht vernachlässigten Personen. So hat Mel Gibson mit Hacksaw Ridge ungeachtet zweifelsohne vorhandener inszenatorischer Finesse und starken Schauspielern auch Kritiker auf den Plan gebracht, die dem ohnehin in Verruf geratenen Filmemacher in gewisser Weise mit dem Epos seine umstrittene Agenda vorantreiben zu wollen. Die Story passte perfekt zur fundamentalchristlichen Ideologie, der Gibson bekanntlich zugeneigt ist und dementsprechend kann man, muss aber nicht, ihm durchaus unterstellen, die nötigen Stellschrauben so gedreht zu haben, dass die Ausgangslage der beeindruckenden Geschichte des Soldaten, den Andrew Garfield seinerzeit famos verkörperte, noch besser zu den intendierten Botschaften Gibsons passte. Wie immer ist auch hier ein großer Deutungs- und Interpretationsspielraum gegeben. Und der ist bei Kriegsdramen nicht selten noch größer, da sich hier immer wieder Unausgewogenheiten zwischen Faktenabbildung und Verklärung einstellen.
Nun also schlägt mit The Six Triple Eight Tyler Perry in eine von der Absicht her ähnliche, wenn auch thematisch wie inhaltlich gänzlich andere Kerbe. Perry ist bislang nicht gerade für Regiearbeiten mit Plausibilitätsanspruch bekannt. Ganz im Gegenteil hat er in den letzte Jahren eher seichte Stoffe produziert und verantwortet. Doch auch wenn er in Europa ein nicht allzu großer Name ist, darf man Perrys Stellenwert in den USA nicht unterschätzen, insbesondere eben für die People of Color Community. Die Frage ist also, ob dem Amerikaner nun mit diesem Projekt ein relativ objektiver und damit inspirierender Appell wie beispielsweise Hidden Figures gelingt oder aber, ob er in die Pathos- und Melodram-Falle tappt?
Zu dick aufgetragen…
Allein mit der schwülstigen Filmmusik, die hier zum Einsatz kommt, wird schon recht schnell deutlich, dass man in Sachen Inszenierung eher den altmodischen Weg geht. Das führt dann dazu, dass sich The Six Triple Eight in Verbindung mit dem ebenfalls extrem altbackenen Handlungsaufbau extrem nach einer Formel anfühlt. Die mag vielleicht noch immer bei vielen Zuschauer:innen funktionieren, aber wer im Publikum nur halbwegs Anspruch hat, dass neue Filme auch bei den weichen Faktoren etwas neu machen sollten, wird hier ziemlich gelangweilt die zwei Stunden absitzen. Erwartbar, dick aufgetragen, ziemlich plump in Bezug auf die Charakterzeichnung.
Insgesamt haftet diesem Film etwas Theatralisches an, was die ernsten Hintergründe manchmal sogar unterminiert. Sogar in den Gesprächen schwingen die Vorwürfe fast permanent mit. Damit nimmt man das Publikum nicht ernst. Die Moralkeule schwingt im Gleichklang mit dem mahnenden Zeigefinger. Besonders kritisch kann man hier dann die plakativen Aussagen bei Geschlechterbildern sehen. Das mag zwar dem entsprechen, was damals tatsächlich die Realität der schwarzen Frauen war, aber einmal mehr stellt sich die Frage, ob die Reproduktion veralteter Zustände zum Anprangern derselbigen das probate Mittel ist. Hier zeigt sich eindeutig, dass Tyler Perry einfach kein versierter Erzähler ist, der mit Subtilität seiner Intention Ausdruck verleihen kann. Er ist ein Vertreter der Sorte, die alles ausbuchstabieren müssen, auch wenn es sich von selbst längst erklärt hat.
… und doch in der Sache noch angemessen
Man kann Perry nicht unterstellen, dass er die Geschichte, der er hier ein filmisches Denkmal setzen wollte, nicht verstanden hat oder in ihrer Bedeutung missverstanden hat. Die historischen Umstände sind auf jeden Fall wert, mit einem derart hoch-budgetierten Filmprojekt gewürdigt zu werden. Doch wie so oft, ist sehr oft weniger eben mehr. Abgesehen von den POC-Protagonistinnen gibt es hier keine Figur, die nicht irgendwie klischeehaft rüberkommt. Im Kontrast macht dies auch die differenzierter geschriebenen Hauptfiguren schwächer. Es ist ein teils zu pathetischer, manchmal sogar kitschiger Versuch Aufmerksamkeit zu generieren. Fraglich ist, was am Ende hier hängen bleibt und ob es die wichtigen Bilder sind, die im Gedächtnis verbleiben oder die eher aus den falschen Gründen herausstechenden Szenen.
Kerr Washington spielt eine wiedermal einnehmende Hauptrolle und verleiht mittels ihrer darstellerischen Qualitäten Major Charity Adams mehr Tiefe als in den immer wieder plakativen Dialogszenen angelegt ist. Ihre Wut wirkt authentisch, ihre Führungsqualitäten und Vorbildfunktion werden gut vermittelt. Doch dann spielt hier eben auch eine Oprah Windrey eine große Rolle, die schauspielerisch nicht annähernd auf diesem Niveau mithalten kann und immer einen Tick drüber spielt. Susan Sarandon fällt dann in der Breite des Cast noch positiv auf, während von den Performances der männlichen Figuren kaum etwas von Belang hängen bleibt – und dass, obwohl sie namhaft beispielsweise von Dean Norris oder Sam Waterston verkörpert werden.
Unser Fazit zu The Six Triple Eight
The Six Triple Eight ist zu lang, zu schwülstig und zu vorhersehbar. Eine starke Kerry Washington kann nicht ausgleichen, dass die Formel, die hier angelegt wird, schlicht dem Thema nicht gerecht wird und die eigentlich positive Message torpediert. Man kann sich diese zwei Stunden schon ansehen, aber Neues sehen wird man nicht und Neues lernen zu wenig für den Aufwand, der in diese Produktion geflossen ist.
The Six Triple Eight startet am 19. Dezember 2024 bei Netflix.
Unsere Wertung:
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