Eine Bande ungezügelter Bengel, The Wild Boys, wird als Disziplinarmaßnahme auf eine abgelegene Insel gebracht. Was sie dort erwartet und worauf wir uns bei dieser bizarren Reise aus dem Bildstörung-Sortiment einstellen dürfen, erfahrt ihr hier.
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Titel | The Wild Boys |
Jahr | 2017 |
Land | France |
Regie | Bertrand Mandico |
Genres | Drama, Abenteuer, Fantasy |
Darsteller | Pauline Lorillard, Vimala Pons, Diane Rouxel, Anaël Snoek, Mathilde Warnier, Sam Louwyck, Elina Löwensohn, Nathalie Richard, Christophe Bier, Margaux Fabre, Lola Créton, Coralie Ever Noel, Stéphane Thomas, Alex Gador, Olivier Appollodorus, Patrick Fary-Olax, Emmanuel Genvrin, Mirella Hoareau, Florence Laroche, Dominique Lebot, Pascal Perriaud, Frédérique Plateau, Béatrice Clement, Jacques Colin, Jean-Luc Masquelier, Anne Perbal, France Abar, Muriel Benard, Marine Inbern, Véronique Soandraza, Stéphane Bellenger, Tristan Godat, Serge Huo-Chao-Si, Jean-Pierre Bondu, Rémy Cheval, Adrien Dourado, Julien Graff, Erwin Goujon, Loïc Pierre, Benoît Serre, Emmanuel Teillet, François Chaumette |
Länge | 111 Minuten |
Wer streamt? | Derzeit leider auf keinem Streamingdienst verfügbar. |
Das sind die Wild Boys
The Wild Boys ist eine Bande aus fünf Jungen, die aus reichen Familien stammen. Gewalttätig und obszön loten sie ihre Grenzen aus, bis sie schließlich zu weit gehen und ihre Lehrerin missbrauchen. Darauf werden sie in die Obhut des „Kapitäns“ gegeben, der mit unkonventionellen Methoden arbeitet, um Problemkinder zu erziehen. So gehen die Wild Boys mit ihm an Bord eines kleinen Schiffes, verrichten dort harte Arbeit und leben unter schlechten Bedingungen. Schließlich kommen sie auf einer einsamen Insel an, die über eine außergewöhnliche Vegetation und mysteriöse Kräfte zu verfügen scheint. Schon bald muss die Bande feststellen, dass sie eine merkwürdige Entwicklung durchleben und die Grenzen zwischen Realität und Fantasien immer mehr verschwimmen.
Ein ungewöhnliches Debüt
Der Franzose Bertrand Mandico gibt hier sein Spielfilmdebüt. Dabei entscheidet er sich für eine ungewöhnliche Optik. Der Film ist größtenteils in schwarz-weiß gehalten, in Fantasie- oder Traumsequenzen werden jedoch immer wieder kräftige Farbklekse als Kontrast gewählt. Das Bild wirkt durch einen Filter und flackernden Rand fast als würde man einen alten Streifen mit einem Röhrenfernseher schauen. In manchen Momenten erinnert der staubige und körnige Retro-Look gar an uralte, frühe Fotografien. Auf diese Weise wirkt die Geschichte gänzlich aus der Zeit gefallen, kontextlos und unwirklich. Dadurch wird ein perfekter Rahmen geschaffen, um Wahnsinn, Fieberträume, Exotik und Erotik sowie bizarre Metamorphosen aufleben zu lassen.
Ein feuchter Fiebertraum
Die Bande der Wild Boys scheint sich fernab jeglicher Regeln zu bewegen. Mittels Alkohol begeben sie sich immer wieder in tranceähnliche Zustände, um eine Art Dämon, den sie „TREVOR“ nennen, zu beschwören und mit ihren Masken eins zu werden. Die Gruppe wird immer wieder als Kollektiv aus der Froschperspektive gezeigt, sie scheint unantastbar und zu allem fähig. In der Einleitung fesseln sie ihre Lehrerin, ziehen sie gewaltsam aus und ejakulieren schließlich auf ihr Gesicht. Kurz danach stehen sie einem Schiedsgericht gegenüber und versuchen, sich einzeln aus der Sache herauszureden. Dies dient auch gleichsam der Vorstellung der verdorbenen Lustmolche, die allesamt grausam und triebgesteuert gezeigt werden, aber durchaus verschiedene Typen verkörpern. So gibt es einen Anführer, ein Hirn der Gruppe und junge Mitläufer.
Eine Seefahrt und die Insel der Freuden
Hiernach gehen die Jungen mit dem Kapitän an Bord eines kleinen Schiffes namens „Cold World“. Während der Kapitän eine kleine Kabine und ein Dach über dem Kopf hat, haust die Bande am kleinen Deck und muss bei Wind und Wetter ihre Arbeit verrichten. Bereits zu Beginn werden sie angekettet und bei kleinsten Vergehen stranguliert. Die Schifffahrt entwickelt sich dadurch zu einer langen Tortur. Hierfür wird ein wirklich winziges Set verwendet, sodass das Boot viel zu klein für all die Leute und die große See wirkt. Auch durch eine sehr nahe Kamera entsteht ein enorm beengtes Setting, das durch die klar zu erkennenden Kulissen im Hintergrund unwirklich und provisorisch scheint. Das zusammengepferchte Leben in harter Arbeit, verbunden mit Blut und Schweiß sowie der klaren Hierarchie mit den grausamen Methoden des Kapitäns, erinnert in Kombination mit der Retro-Optik teils schon an Sergei Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin.
Nach langer Fahrt gehen sie schließlich an Land. Die geheime Insel ist ein höchst seltsamer Ort. Phallusförmige Pflanzen spritzen milchige, trinkbare Flüssigkeit, ovale Pflanzenöffnungen dienen der Lustbefriedigung, klebrige Netze hängen von Ästen herab und ein strenger Geruch nach Austern umgibt die fremde Welt. Bertrand Mandico gelingt es, eine gesamte Insel und Vegetation zu sexualisieren und lebendig werden zu lassen. Die Jungenbande fühlt sich zunächst wie im Paradies und genießt die Vorzüge der abnormen Fauna. Die einzige Nahrung im Dickicht, exotische haarige Früchte, mit denen die Burschen schon die gesamte Schifffahrt über gefüttert wurden, lässt die Körper der Jungen sich jedoch verändern.
Bertrand Mandico entwirft hier eine bizarre Robinsonade, eine freudsche Reise zur Quelle der Lust der pubertierenden Knaben, durchzogen von Visionen, feuchten (Fieber-)Träumen und der Sexualisierung von wirklich allem.
Komplexes Avantgarde?
The Wild Boys ist ein starkes Debüt, aber eben auch ein Debüt, und hat seine Kinderkrankheiten. Der Film ist letztlich zu vage und zu konkret zugleich. Er strotzt nur so vor Symboliken, meist in sexuellem Kontext, diese werden aber stets sehr deutlich präsentiert. Wenn die langen Pflanzen ihren milchigen Saft in die Münder der Jungen spritzt, weiß jeder, was damit gemeint ist. Aber was damit gesagt werden soll, ist oft weniger klar. Bertrand Mandico inszeniert die einzelnen Motive und Symbole dabei so präsent, dass es abseits dessen gar nicht wirklich viel zu entdecken gibt. Er konzentriert sich zudem so sehr auf die Triebe der männlichen Figuren, dass andere Themen nur wenig angeschnitten werden. In der Skandalisierung der Triebe, der freudschen Symbole und gezeigten Hypersexualität wirkt es teils schon fast wieder prüde, so sehr versteift er sich auf diese Ebene.
Sicherlich besteht das Werk nicht nur aus Hypersexualität, es ist auch eine ungewöhnliche Inszenierung und lebt diverse Referenzen aus, etwa an das alte Kino (bpsw. eines Georges Méliès), an Klaus Kinskis Performances in Fitzcarraldo oder Aguirre, der Zorn Gottes. Gefühlt werden diese Elemente jedoch nicht in den Film integriert, er besteht einzig aus diesen Elementen, will heißen stets auf expliziter, vordergründiger Ebene. Hinten raus beschreibt der Franzose auch eine politische Botschaft und versucht, Geschlechtergrenzen aufzulösen, was aber nicht so recht gelingen mag.
Unser Fazit zu The Wild Boys
The Wild Boys ist sicher kein gewöhnlicher und aufgrund seiner avantgardistischer Inszenierung kein leichter Film. Er bricht mit Sehgewohnheiten und wird dem Zuschauer vor den Kopf stoßen. Und dennoch lässt er sich irgendwo doch leicht fassen. Denn Bertrand Mandico arbeitet teils zu explizit und präsent. Wenig ist versteckt und wenig wird dem Zuschauer nicht entgegen geworfen und kann selbst gefunden werden.
So ist der Film definitiv ein Film zum Erleben. Wenn man sich dem Flow der Bilder und dem Rausch der Inszenierung hingibt, wird man auf einen feuchten Trip mitgenommen. Wer sich dem entzieht und aus der Beobachterposition versucht, selbst zu entdecken, der wird feststellen, dass sich hinter der bizarren Avantgarde-Fassade auch gar nicht mehr so viel verbirgt. Das ist nicht schlimm, denn das Werk verfügt auch so über seine Stärken, doch so bleibt es lediglich ein Fiebertraum: verschwitzt, surreal und irritierend – aber mit dem Aufwachen ist es auch wieder vorbei.
The Wild Boys läuft seit dem 23.05 im Kino und erscheint am 04.10. auf DVD & Blu-ray!
Unsere Wertung:
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