Kreuzfahrt, Kotze, Kavier – Cannes-Gewinner Triangle of Sadness hält den Reichen, Schönen und jenen, die sich dafür halten, den Spiegel vor. Ob das Ergebnis überzeugt, erfahrt ihr in unserer Kritik!
Titel | Triangle of Sadness |
Jahr | 2022 |
Land | Denmark |
Regie | Ruben Östlund |
Genres | Komödie, Drama |
Darsteller | Harris Dickinson, Charlbi Dean, Woody Harrelson, Zlatko Burić, Vicki Berlin, Dolly de Leon, Henrik Dorsin, Iris Berben, Jean-Christophe Folly, Amanda Walker, Oliver Ford Davies, Sunnyi Melles, Thobias Thorwid, Jiannis Moustos, Timoleon Gketsos, Alicia Eriksson, Carolina Gynning, Ralph Schicha, Arvin Kananian, Mia Benson, Stefan Gödicke, Nana Manu, Alexander Virenhem, Malte Gårdinger, William-Patrik Molvén, Fredrik Quinones, Filip Roséen, Chidiegwu Chidi, Charlie Westerberg, Erik Andersson, Hamlet Talje Willoughby, Victor Köhler, Daniel Estehghari, Alfons Miari, Isak Barrow, Alfred Lindström, Augustine Kajue, Florand Kaufeldt, Theodor Öhrn, Jin Zou, David Alexanderson, Olof Källström, Julian Redaelli, Egil Ahlenius, Carl Jood, Chand Smith, Malick Afocozi, Ludvig Fast, Victor Norlander, Anton Isaksson, Brian Kamara, Eric Svirins, Hugo Palm, Simon Bredenberg, Noa Del Castillo Hallberg, Ann-Sofi Back, Robert Rydberg, Robert Nordberg, Charlotte Brattin, Mira Uszkureit, Alex Schulman, Amanda Schulman, Emma Warg, Camilla Läckberg, Christina Saliba, Karin Myrenberg, Linnea Olsson, Asta Stensson, Elsa Sjökvist, Johanna Ovelius, Shaniaz Hama Ali, Catrin Nilsson, Jacob Papinniemi, Mimmi Brundin, Melodie Von Sass, Ellen Dixdotter, Sofia Lücke, Ronja Kruus, Chris Westerstrom, Hedda Rehnberg, Robert Martufi, Hanna Oldenburg, Arnella Zetterström, Sepideh Mazloom, Eric Dernsjö, Nikolas Drosopoulos, Chrysanthi Theodosi, Maria Alexiou, Marilena Lampropoulou, Christos Ntoulas, Νικόλας Χαλκιαδάκης, Grace Milaszewski, Melina Marksaitis, Theresa Johannesson, Leocilyn Capanas, Nanette Lipponen, Maria Danica Herrera, Maria Grace Concepcion, Kristin Delfinado, Shanilou Del Mundo, John Michael Yadao, Freedom Ziad Ahmed, Robert Jomar, Garry Villador Deveratturda, Christopher Janiola, Mario Rowen Bugtai, Mohamed Lachras, Taye Nathanail, Athanasios Papaioannou, Alexandros Sargologos, Allen Bandiola, Nicolas Refin, Lontoc Rolyn, John Paul Paugio, John Paulo, Anne Brocklin Bergman, Johnny Bergman, Fredrik Wikingsson, Henrik Thott, Thomas Peteus, Magnus Jeansson, Stefan Martikainen, Britt-Marie Svensson, Arash Raoufi, Nafiseh Hadizadeh, Inga Hahn, Lennart Hahn, Linda Anborg, Karina Baldock Wiking, Olof Myhrman, Rebecca Fager, Hilde Fager, Emmylou Saguindel-Holmé, Ann-Marie Eriksson, Pål Svensson, Giorgos Kyriakopoulos, Pavlos Laoutaris, Eva Koroli, Alexia Mpogdanou, Giannis Papathymios, Achilles Vatrikas, Gianna Andritsaki, Dauda Coneth, Beh Solo Kone, Yussif Zakaria, Papa Cheik Jade |
Länge | 147 Minuten |
Wer streamt? | Kaufen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, Videobuster, MagentaTV, Microsoft Store, Yorck on Demand, Videoload, Verleihshop Leihen: Apple TV, Amazon Video, Google Play Movies, YouTube, Sky Store, Rakuten TV, maxdome Store, Videobuster, MagentaTV, Microsoft Store, Kino on Demand, Yorck on Demand, Videoload, Verleihshop, Freenet meinVOD |
Die Handlung von Triangle of Sadness
Das Model-Paar Carl (Harris Dickinson) und Yaya (Charlbi Dean) tritt eine Luxusreise auf einem Kreuzfahrtschiff an. An Bord treffen sie auf diverse schrullige Gestalten, allesamt stinkreich, die Champagner schlürfen und das Personal auf Trab halten. Als der Kapitän (Woody Harrelson), der seine Kajüte kaum verlässt und nie nüchtern anzutreffen ist, zum Dinner lädt, bricht Chaos aus. Bald finden sich Carl, Yaya und ihre Mitreisenden in einer Situation wieder, in der ihr Geld keinen Wert mehr besitzt. Urplötzlich sind die an Opulenz gewöhnten Snobs völlig hilflos. Die Schiffsangestellte Abigail (Dolly De Leon) nutzt die Gelegenheit, um die Kontrolle zu übernehmen und die Machtverhältnisse auf den Kopf zu stellen …
Aggressiv statt subtil
Ruben Östlund ist nicht unbekannt für seine Sozialsatire; schon 2017 spottete er in The Square über prätentiöse Kunstkenner. Triangle of Sadness widmet sich nun einer Welt, in der Attraktivität ebenso sehr eine Währung sein kann wie Bargeld. So ist es kein Zufall, dass seine Hauptfiguren ihren Lebensunterhalt mit ihren Körpern verdienen. Früh wird deutlich: Das titelgebende Dreieck der Trauer bildet das Verhältnis von schmaler Ober- zu breiter Unterschicht. Östlund möchte die Absurdität sozialer Selbstdarstellung ebenso durch den Kakao ziehen wie die verschobene Eigenwahrnehmung der oberen Zehntausend. Heraus kommt ein Film, dessen Sozialkritik das Stadium des Observierens leider kaum verlässt. Weiter als reine Beobachtung traut sich Triangle of Sadness selten zu gehen. So verkommen selbst gut gedachte Momente oft zu Mario-Barth-Witzen à la „Kennste, kennste Influencer“. Das Drehbuch, für das sich Östlund gewiss Hoffnungen auf eine Oscar-Nominierung macht, ist zwar durchgehend bissig, aber zu oft zahnlos.
Erst im letzten Teil dieser in Kapitel gedrittelten Geschichte abstrahiert der Film die getroffenen Beobachtungen und kommentiert das Geschehen tatsächlich. Subtil ist daran noch immer rein gar nichts; wer nicht erkennt, dass ihm eine Sozialparabel aufgetischt wird, muss eingeschlafen sein. Dies rührt insbesondere daher, dass über die gesamte Lauflänge keine Gelegenheit ausgelassen wird, mit dem Finger auf etwas zu zeigen. Einen Filter scheint Östlund nicht zu besitzen. So wird jeder Einfall verwertet, jeder Witz erzählt, kein Charakter verschont. Triangle of Sadness ist wie ein Pendel, das zwischen dem Genie von Bong Joon-hos Parasite und dem Wahnsinn von Adam McKays Don’t Look Up schwingt. Clevere Kritik und wahnwitzige Polemik geben sich minütlich die Klinke in die Hand. Am Schluss der holprigen, mindestens 30 Minuten zu langen Fahrt ist niemand schlauer, aber immerhin gut unterhalten worden.
Eine Welt wie ein Instagram-Post
Die visuelle Ästhetik, die für Triangle of Sadness gewählt wurde, mag zunächst uninteressant erscheinen. Die Farben sind künstlich grell gedreht, das Weiß des Kreuzfahrtschiffes blendender als die Zähne der Protagonisten. Kaum eine Figur sieht aus, als hätte ihr Darsteller weniger als zwei Stunden in der Maske verbracht. Selbst Halbglatzen sind so sorgsam gekämmt und hergerichtet, dass Fotos von ihnen im Schaufenster eines Friseursalons hängen könnten. Der glattgebügelte Stil ohne Ecken und Kanten, den man so ebenso gut in der Instagram-Story reisender YouTube-Stars vermuten könnte, ist visuell uninteressant und besitzt keinerlei Charme.
Dies ist jedoch genau der Effekt, den Östlund bezweckt. Im Verlaufe des Films schält er die fleckenfreie optische Hülle immer weiter ab, bis die Imperfektionen sichtbar werden. Der große Bruch erfolgt schließlich in einer Szene, die ich auf gar keinen Fall vorwegnehmen möchte, welche aber so einschneidend ist, dass sich jeder Zuschauer noch lange an sie erinnern wird. Ab diesem Punkt ist nichts mehr ästhetisiert, glatt oder Social Media-tauglich. Die geschickte Gegenüberstellung verschiedener Bildeindrücke ist Östlunds größte Regieleistung in Triangle of Sadness und trägt entscheidend zu dessen Wirkung bei.
Fast hätte ich mir aber gewünscht, dass er noch etwas mehr Wagemut an den Tag legt. Es mag seltsam klingen – immerhin wirbt schon der Trailer mit schwallartigem Erbrechen -, aber man hätte hier noch weiter gehen können. So viele Bilder sind einzig und allein auf Schockwerte ausgelegt, doch nur wenige davon vermögen es tatsächlich zu schocken. Ein Werk, das derartig stolz auf seine fehlende Subtilität zu sein scheint, darf eigentlich nicht so wenig einprägsam sein. Auch hier bietet Östlund den Vergleich zu Parasite selbst quasi auf einem Silbertablett an. Doch die packende Bildgewalt des dreckigen Wassers, das in Bongs Meisterwerk Toiletten zum Übersprudeln bringt, erreicht er nur selten.
Brillante (Selbst-)Darsteller
Ein Ensemble-Film wie dieser steht und fällt natürlich auch mit seinen Darstellern. Die Vielfalt falscher Persönlichkeiten kann nur dann wirkungsvoll gezeigt werden, wenn es uns möglich ist, hinter die Schauspieler zu blicken. Glücklicherweise setzt der breitgefächerte Cast diese Aufgabe großartig um und legt den Fokus dorthin, wo er hingehört: auf die überlebensgroßen Egos der Figuren. Neben Amerikaner Woody Harrelson und Brite Harris Dickinson spielen unter anderem die tragischerweise bereits verstorbene Südafrikanerin Charlbi Dean und die Deutsche Iris Berben. Die bunte Mischung geht auf; die Akteure füllen ihre Figuren mit Leben und hinterlassen auch mit kürzeren Beiträgen bleibende Eindrücke. Mein Beileid allerdings an alle, die eine Nominierung für Woody Harrelson bei den Oscars vorhersagen, denn mehr als volltrunkene, sozialpolitische Monologe halten darf er nicht wirklich. Preisverdächtige Darbietungen gibt das karikaturenhafte Material generell einfach nicht her – mit einer Ausnahme.
Dolly de Leons Abigail ist eine Offenbarung. Die Entwicklung, die Östlunds Drehbuch andeutet, erstrahlt in den Händen dieser Schauspielerin in neuem Glanz. De Leon glänzt in den komödiantischen Momenten ebenso sehr wie in den dramatischen. Ihre Figur ist die einzige mit tatsächlicher Tiefe. Auch dies ist keine Schwäche des Skripts, sondern eine bewusste Entscheidung. Die Oberflächlichkeit, die wir in den ersten zwei Dritteln ertragen mussten, weicht mit ihr zum ersten Mal tatsächlicher Menschlichkeit. Wir sehen, wie sie ihre einzigartige Position ausnutzt, um selbst von der Macht zu kosten, die ihr bislang verwehrt war. Wann immer sie das Ruder übernimmt, darf Triangle of Sadness für einen kurzen Moment wirklich eindrucksvoll sein.
Unser Fazit zu Triangle of Sadness
Der Sieg der Goldenen Palme in Cannes beweist: Ruben Östlund trifft einen Nerv. Dennoch stößt mir sein neuestes Werk leider deutlich zu häufig sauer auf, um seine Wirkung vollkommen zu entfalten. Oft fühlt sich Triangle of Sadness an wie eine Kritik an reichen Schnöseln für reiche Schnösel. Die Elite Hollywoods kann über die kauzigen Figuren lachen und sich anschließend am Buffet Kobe-Rind auf das Hunderttausend-Dollar-Kleid kleckern. Etwas weniger ausgestreckter Finger hätte dem Drehbuch sicherlich nicht geschadet; eventuell hätte man ihn gegen mehr Substanz eintauschen können. Dennoch kann das Gesamtprodukt als Komödie überzeugen. Die zweckgerichtete Regie und intelligenten Einfälle sind da, auch wenn sie definitiv nicht jedermanns Geschmack treffen werden. Alle Darsteller machen ihre Sache gut, Kamera und Ausstattung sind gezielt eingesetzt und überzeugend. Ein Meisterwerk wäre der Film geworden, wenn er das Versprechen gnadenloser Kritik, das er frühzeitig gibt, auch konsequent eingelöst hätte.
Triangle of Sadness erscheint am 13. Oktober 2022 in den deutschen Kinos!
Unsere Wertung:
© Alamode Film