Essen wir uns allmählich selbst auf? Der Dokumentarfilm Unser Boden, unser Erbe zeigt eindringlich die Gefahren des ungebremsten Verbrauchs der Ressource Boden auf. Ein wichtiger Beitrag, auch zur Klimadiskussion. Hier erfahrt ihr mehr.
Titel | Unser Boden, unser Erbe |
Jahr | 2020 |
Land | Germany |
Regie | Marc Uhlig |
Genres | Dokumentarfilm |
Darsteller | Sarah Wiener, Achim Heitmann, Ulrich Hampl, Stefan Schwarzer, Mathias Forster, Dr. Jörn Breuer, Ernst Ulrich von Weizsäcker, Arne Zwick, David Steyer, Christian Hiß |
Länge | 79 Minuten |
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Darum geht’s in Unser Boden, unser Erbe
Die Erde hat einen Durchmesser von knapp 13.000 Kilometern. Eine riesige Kugel aus leblosen Felsgestein und Metallen in unterschiedlichen Aggregatzuständen. Nur eine hauchdünne Schicht auf ihrer Oberfläche ermöglicht Leben. Sie ist Unser Boden, unser Erbe. Und sie ist massiv bedroht, wie der Dokumentarfilm von Marc Uhlig eindrucksvoll vermittelt.
Er begleitet einen Ökohof durch die Jahreszeiten, verfolgt die Probleme bei der Erhaltung der Böden. Er verschweigt auch nicht die ökologischen Zwänge, die selbst Biobauern Kompromisse abzwingen, wie etwa den Import von Torf aus China. Atmosphärische Zwischenschnitte lockern die Kette der Interviews auf. Mal hoppelt ein Hase über das Feld, mal bedrohen Starkregen oder sogar Schnee noch im April die Ernte. Landwirtschaft ist wetteranfällig, erfahren wir. “Ob aus der Ernte was wird, stellt sich erst Mitte Juli heraus”, sagt Biobauer Achim Heitmann.
Es bleiben nur noch 60 Erntejahre
Weltweit werden jährlich zehn Millionen Hektar dieser wertvollen Humushaut vernichtet. Was davon noch übrig ist, reicht für gerade noch 60 Erntejahre, um alle Menschen zu ernähren. Danach folgen weltweiter Hunger und Verteilungskämpfe. Boden wächst schließlich nicht nach. Steine dagegen gebe es auf den Äckern jede Menge, sagt Landwirt Heitmann: “Wir Bauern sind steinreich.” Warum der Boden gefährdet ist, und wie wir ihn retten können, zeigt uns Uhlig nicht nur in eindrucksvollen Bildern, sondern vor allem durch Gespräche.
Zu seinen Interviewpartnern gehören Landwirte, sowohl Biobauern als auch konventionell arbeitende. Aber auch Wissenschaftler wie Ernst Ulrich von Weizsäcker, der Agrarökologe Jörn Breuer und viele mehr. Sogar TV-Köchin Sarah Wiener gibt ein paar Statements ab. Mit Ernährung kennt sie sich schließlich aus. Und Unser Boden, unser Erbe geht der einfachen Frage nach: Essen wir uns gerade auf?
Denn es ist vor allem die konventionelle Landwirtschaft, die den Boden kaputt mache, lautet die Botschaft. “Boden braucht Wasser und Luft”, weiß Experte Ulrich Hampl, der Bauernhöfe als Lernorte für nachhaltige Entwicklung nutzt. Eine gesunde Krume hat, wie der Name schon andeutet, eben eine krümelige Konsistenz. So kann sie bei Starkregen auf jeden Quadratmeter 100 Liter Wasser aufnehmen. Doch ist es gerade die Landwirtschaft insbesondere in ihrer industrialisierten Form, die diese Krume zerstört. Problemfaktoren sind Überdüngung, Verdichtung mit schweren Maschinen und fehlende oder nicht abgestimmte Fruchtwechsel.
Unser Boden, unser Erbe als Klimafaktor
Verliert der Boden seine Wasserspeicherkraft, kommt es zu vermehrten Überflutungen. Wodurch weiterer Boden weggespült wird. Das andere Extrem der Trockenheit verstärkt ebenfalls die Erosion durch Wind. “Wie müssen wir die Anbausysteme gestalten, um das Risiko zu minimieren?” fragt Agrarökonom Jörn Breuer in Unser Boden, unser Erbe. Um die Wasserhaltekraft des Humus zu erhalten, brauche es eine Bodenbewirtschaftung, die ihn gesund erhält.
Aktuell entstehe durch den Rückgang der Bodenfruchtbarkeit europaweit ein Schaden von jährlich 39 Billionen Euro. In den vergangenen 70 Jahren seien 30 bis 50 Prozent des Humus verloren gegangen, sagt Mathias Forster von der Bio-Stiftung Schweiz. Auch das hat Auswirkungen auf den Klimawandel, weil Humus ein wichtiger CO2-Speicher ist. Um den gesamten Ausstoß des Klimakillergases im Boden zu binden, bräuchten wir nur 0,4 Prozent Humus pro Jahr aufbauen, sagt der Experte. “Das kann eigentlich jeder.”
Auch ein philosophisches Problem
Doch ganz so einfach ist es eben nicht. Das Problem hat auch philosophische Dimensionen, wie der Club-of-Rome-Ehrenpräsident Ernst Ulrich von Weizsäcker verdeutlicht. Der Umweltwissenschaftler ist ein Sohn des bedeutenden Physikers Carl Friedrich von Weizsäcker und Neffe des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Schon vor mehr als einem Vierteljahrhundert hatte er in seinem Buch “Faktor Vier” Ressourcenschonung und Erhöhung der Energieeffizienz angemahnt, um den Naturverbrauch zu verringern.
In Unser Boden, unser Erbe spricht er von der Differenz zwischen einer leeren und einer vollen Welt. Wir steckten in einer tiefen philosophischen Krise, sagt er. Die Rezepte, mit denen wir die Probleme unserer Gesellschaft lösen wollten, entstammten einer Zeit, als die Welt noch leer war. “Sie sind zerstörend in der vollen Welt.” So seien in den vergangenen 25 Jahren allein Deutschland eine Million Hektar landwirtschaftlicher Flächen verloren gegangen.
Bio-Anbau bedeutet auch Verzicht
Biologischer Anbau wäre da hilfreich, aber 90 Prozent der Äcker werden heute noch konventionell bewirtschaftet. Bio-Anbau bedeutet auch Verzicht. Demeter-Landwirte wie Heitmann müssen ihre Felder mit dem Mist der eigenen Kühe düngen. Konventionelle Landwirte wie Werner Kunz, die keine Viehhaltung betreiben, müssen auf Mineralstoffe zurückgreifen. “Mit fünf Kühen kann man auch keine 50 Hektar bewirtschaften”, sagt er. “Wie soll ich das erst mit 200 Hektar machen?”
Beim Bio-Bauern ticken die Uhren etwas anders. Dort wird auch noch per Hand gejätet. Es ist ein lustiges Bild, wenn zehn Leute gemütlich nebeneinander auf einer Planke liegend sich vom Traktor über das Feld schieben lassen. Beim Wildkräuter rupfen breit aufgestellt sozusagen, um das Gewicht zu verteilen. So lässt sich Bodenverdichtung minimieren. Handarbeit ist anstrengend. “Aber das mache ich gern”, sagt Heitmann.
Höchsterträge sind so allerdings nicht zu erzielen. Man kommt halt grad so über die Runden. Was es bräuchte, um konventionell wirtschaftende Landwirte vom Umstieg zu überzeugen, sagt Kunz: “Abnahmegarantien und Außenschutz”, betont er. Doch dazu müssten die Gesellschaft und die Politik bereit sein. “Wir brauchen ein breite öffentliche Diskussion.” Wozu Unser Boden, unser Erbe einen Beitrag leisten will.
Mein Fazit zu Unser Boden, unser Erbe
Dokumentarfilme über ökologische Probleme haben Konjunktur. Mal geht es um die Bienen in Land des Honigs, mal um die Wälder wie in Das geheime Leben der Bäume. Angesichts des Klimawandels und der sich abzeichnenden ökologischen Katastrophe kann es nicht genug warnende Stimmen geben. Obwohl sich der Verdacht aufdrängt, dass ihnen ebenso wenig zugehört wird wie der klassischen Kassandra. Unser Boden, unser Erbe zeichnet sich durch große Sachlichkeit aus und lässt dabei auch Stimmen aus dem konventionellen Lager zu Wort kommen. Manchmal spielt er in der Bebilderung einer ländlichen Öko-Idylle zu sehr auf der emotionalen Klaviatur. Doch vielleicht ist dies auch unvermeidlich, um Menschen zu erreichen. Letztlich hängt eben alles am Verbraucher.
Der Dokumentarfilm Unser Boden, unser Erbe ist am 26. März 2021 als DVD und VoD erschienen.
Unsere Wertung:
© W-film / Tisda Media