Dokumentationen haben es im Kino meist nicht leicht, da ihre Thematik oft nur für eine gewisse Zuschauerschaft von gesteigertem Interesse ist und ihre inszenatorische Aufmachung manchmal ein wenig bieder wirkt. Ist das bei Unser Team – Nossa Chape auch der Fall? Oder kann die Doku rund um einen tragischen Flugzeugabsturz einer Fußballmannschaft auf ganzer Linie überzeugen? Dies und mehr klären wir in unserer Rezension.
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Titel | Unser Team - Nossa Chape |
Jahr | 2018 |
Land | Brazil |
Regie | Michael Zimbalist |
Genres | Dokumentarfilm |
Darsteller | Alan Ruschel, Vagner Mancini, Neto |
Länge | 101 Minuten |
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Worum geht’s in Unser Team?
Unser Team erzählt die unglaubliche Story des Fußballvereins Chapecoense, kurz Chape. Das brasilianische Team spielte sich in kürzester Zeit aus der tiefsten Amateurliga in das Oberhaus des brasilianischen Fußballs hoch. Ohne große Sponsoren oder Investoren, sondern durch unbedingten Willen, viel Einsatz und einer fruchtenden Melange aus Management- und Trainerteam.
Das Highlight des ehemals völlig unbekannten Vereins sollte dann im Jahre 2016 das Finale des Copa Sudamericana werden. Und auf dem Weg zu ebenjenem Spiel ereignete sich eines der größten Unglücke der Fußballhistorie. Kurz vor der Landung in Kolumbien stürzte das Flugzeug mit der kompletten Mannschaft und einem großen Teil des Stabs ab und fast alle der 77 Passagiere verloren dabei ihr Leben. Es gab nur sechs Überlebende, davon waren drei Spieler.
Den Hauptteil der Dokumentation bildet das Geschehen nach diesem markerschütternden Unglück. Wie geht eine fußballverrückte Region, und auch eine ganze Nation, mit einem solchen Schicksalsschlag um? Und wie hat es Chape geschafft, in rekordverdächtiger Zeit ein neues und schlagkräftiges Team auf die Beine zu stellen? Was geschah mit den Überlebenden und mit den Hinterbliebenen? Auf all diese Fragen will die Dokumentation Antworten liefern. Ob dies gelingt, das klären wir in den folgenden Kapiteln.
Das Dilemma einer Dokumentation
Der Sinn einer Dokumentation ist es, dem Namen nach, einen Sachverhalt für die breite Masse zu dokumentieren. Per Definition sollte sie daher eine streng objektive Sicht auf das Geschehen haben. Gelingt dies nicht, so wirkt die Dokumentation oft belehrend oder zumindest parteiisch. Auf der anderen Seite kann eine reine Beobachtung auch schnell langweilig anmuten. Unser Team meistert diese Gratwanderung in den meisten seiner 101 Minuten Laufzeit nahezu perfekt. Zudem kommen zu jedem Aspekt immer beide Seiten ausreichend zu Wort. Beispielsweise, als es um die Ausgleichszahlungen für die Hinterbliebenen der Katastrophe geht. In diesem Segment beleuchtet Unser Team ausgiebig die Sichtweisen aller Betroffenen, sowohl der Geschädigten als auch der Funktionäre. So kann sich der Zuschauer auf der Basis des Gesehenen seine eigene Meinung bilden.
Eindringliche Szenen oder Pathos?
Unser Team strotzt nur so vor eindringlichen Szenen, die auch Zuschauern unter die Haut gehen dürften, die mit Fußball sonst eher wenig Anknüpfungspunkte haben. Ein Beispiel: Als einer der drei überlebenden Spieler nur wenige Wochen nach dem Absturz sichtlich gezeichnet und auf Krücken zu der neu formierten Mannschaft stößt. Auch ohne den Kontext des Fußballs als verbindendes Element der Protagonisten lässt einen diese Szene mit einem dicken Kloß im Hals zurück.
In anderen Abschnitten trägt die Inszenierung aber leider etwas zu dick auf. Daran hat meistens die musikalische Untermalung die Hauptschuld. Vor allem in den Spielszenen dröhnt es nur so aus den Boxen. Da wäre weniger definitiv mehr gewesen.
Fußball als verbindendes Element
Natürlich nimmt der Fußball als Sport einen großen Teil der Dokumentation ein. Ohne den Kontext der beeindruckenden fußballerischen Historie von Chape wären die Betroffenen sicher anders mit der Katastrophe umgegangen. Und genau dies wird ausgiebig betrachtet. Sowohl die Fans als auch die überlebenden Vereinsmitglieder schöpften aus dem Fußball und aus der damit einhergehenden Gemeinschaft große Kraft. Auch dies weiß Unser Team differenziert zu betrachten. Denn als nach dem anfänglichen Erfolg der neuen Mannschaft mehrere Spiele in Folge verloren werden, beginnt das Gefüge zu bersten und die Bewältigung der Katastrophe gerät ins Stocken. Daher mischen sich Wut und Verzweiflung in die dringend notwendige Trauerarbeit. Der Wahnsinn des Fußballs, nämlich der sprichwörtliche Fußbreit zwischen „Himmelhoch jauchzend“ und „zu Tode betrübt“, besteht also offenbar auch in einer solch schweren Zeit.
Was man nicht erwarten sollte
Wie bereits angerissen, ist Unser Team nicht ausschließlich eine Dokumentation über Trauerbewältigung im Angesicht eines großen Unglücks. Denn es geht auch um den Fußball.
Leider ist dies einer der Schwachpunkte der Dokumentation. Denn als Gründe für den Erfolg des neuen Chape werden ausschließlich unbedingter Wille und Überzeugung genannt. Unbenommen waren das sicherlich zwei der elementaren Eckpfeiler. Ein paar Worte zu den Spielern der neu zusammengestellten Mannschaft oder zu der Arbeit des neuen Trainerteams hätten aber nicht geschadet. Mit welcher Taktik konnte man an die Erfolge vor der Katastrophe anknüpfen? Nach welchem Muster wurden die Spieler ausgewählt? Wie lautete die Spielphilosophie? Was war die Grundlage für den zumindest anfänglichen Erfolg des neuen Funktionsteams? Zu tief gehende Antworten auf diese Fragen sollte man in Unser Team nicht erwarten.
Mein Fazit zu Unser Team
Unser Team dokumentiert die beeindruckende und ergreifende Geschichte des brasilianischen Fußballvereins Chapecoense. Durch unkommentierte Beobachtungen der Menschen, des Teams und der ganzen Region im Angesicht der Katastrophe, wird ein eindringliches Bild der Mehrdimensionalität von Trauer gezeichnet.
Ausdrückliche Schauempfehlung! Auch für Menschen, die wenig mit dem Fußball als Sport anfangen können.
Unsere Wertung:
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